Klimaschutzsiedlung „Am Wasserturm“, Mönchengladbach
Für die Klimaschutzsiedlung „Am Wasserturm“ in Mönchengladbach entwarf Architekt Stephan Brings eine lebendige Fassade mit originellen Faltläden, mit denen die Bewohner das Erscheinungsbild ihrer Häuser täglich variieren können.
Als Architekt Stephan Brings für ein Gewerbegrundstück mitten in Mönchengladbach einen Investor suchte, ahnte er noch nicht, das hier später die erste Klimaschutzsiedlung der Stadt entstehen würde. Zunächst einmal fand er in Thomas Körfges von der GeWoGe 1897 eG, der einzigen Gladbacher Wohnungsbaugenossenschaft, einen kongenialen Partner für die Quartiersentwicklung. Die experimentierfreudige Genossenschaft sagte auch nicht Nein, als das Stadtplanungsamt das Thema „Klimaschutzsiedlung“ ins Spiel brachte. Denn diese höchst anspruchsvolle Planungsaufgabe passte sehr gut zu den bereits gesteckten Zielen, einen modernen und attraktiven inner-
städtischen Lebensraum zu schaffen, der zukunftsfähig ist und eine hohe Aufenthaltsqualität bietet. Als Mieter anvisiert wurden mit der Generation 50+ Menschen, die in ihrer zweiten Lebenshälfte auf der Suche nach einem lebendigen, zentrumsnahen Zuhause sind, aber auf eine
grüne Umgebung nicht verzichten wollen. Stephan Brings plante mit seinem Architekturbüro auf dem 11 000 m² großen Grundstück elf 3-geschossige Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 7 000 m² Wohnfläche; drei Häuser davon als nach Süden orientierte Riegel mit je zwei Eingängen sowie insgesamt fünf Punkthäuser, von denen die letzten vier bis 2020 fertig gestellt sein werden. Der gut gestaffelte Wohnungsmix bietet Apartments, 3-Zimmer-Wohnungen sowie Penthaus-Wohnungen in den Staffelgeschossen. Die insgesamt 81 Mietwohnungen zwischen 37 und 113 m² Größe sind barrierearm, ein Aufzug führt von der Tiefgarage in jede Etage und der hochwertige Mietstandard beinhaltet Wohnungslüftung und Fußbodenheizung.
Für das Klimasiedlungskonzept mussten hohe Auflagen erfüllt werden, von denen viele auch ohne eine Beteiligung an dem Klimaschutzprogramm zur Zielsetzung der Planung gehört hätten, wie
Thomas Körfges versichert. Dazu zählen vor allem hohe Materialstandards sowie das identitätsstiftende Gestaltungskonzept der Architekten, das die Siedlung von vielen anderen Neubauprojekten unterscheidet. So war es vor allem der Nachweis der CO2-Emission, der zu (bau-)technischen Extras und damit zu Mehrkosten führte. Insgesamt belaufen sich diese auf geschätzte 5 − 7 % der Baukosten, vermutet Stephan Brings. Der geforderte Maximalwert von 9 kg/m²a für den CO2-Ausstoß wurde von den Planern mit 5,6 kg/m²a weit unterschritten – das Ergebnis einer konsequenten Vernetzung von baulichen und anlagentechnischen Maßnahmen.
Die Häuser wurden als Massivbauten mit hohem Dämmstandard errichtet. Vorgestellte Balkonelemente aus Betonfertigteilen, deren Laibungen gleichzeitig als Sicht- und Sonnenschutz dienen, verhelfen zu einer wärmebrückenfreien Konstruktion. Hochwertige Fensterelemente mit 3-fach-Verglasung ermöglichen schmale Profile und unterschiedliche Farben auf der Innen- und Außenseite. Das Energiekonzept sieht neben Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung und energieeffizienten Frischwasserstationen eine Beheizung aller Wohnungen mit einer zentralen Pellet-Heizung für die Niedertemperatur-Fußbodenheizungen vor.
Besonderes Augenmerk legt das nordrhein-westfälische Klimaschutzprogramm auf die städtebauliche Einbindung und die architektonische Gestaltung der Siedlung. Damit sollen sich die Projekte über die Vermeidung von CO2-Emissionen hinaus nachhaltig durch Qualitäten auszeichnen, die einen hochwertigen Lebensraum ausmachen. Für die Klimaschutzsiedlung „Am Wasserturm“ entwarf Stephan Brings eine bewegte Fassade, die mit ihrer Farbvielfalt und ihrer Variabilität zu einem Markenzeichen für die Siedlung geworden ist; ein Hingucker, denn die Bewohner verändern die Fassade mehrfach im Laufe des Tages, wenn sie die farbigen Faltläden aufschieben oder schließen und der Fassade damit eine dritte Dimension verleihen. Die Faltläden aus dem Material der Fassadenplatten wurden exklusiv für die Klimaschutzsiedlung entwickelt: Sie sind einfach zu händeln und können in fast jeder beliebigen Stellung fixiert werden, was dazu führt, dass sie von den Bewohnern rege genutzt werden. „Ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal“, meint Brings, „die Klimaschutzsiedlung wird hier in Gladbach ganz stark über die Fassadengestaltung identifiziert.“
Taugt das Konzept Klimaschutzsiedlung als Erfolgsgeschichte? Für die Wohnungsbaugenossenschaft auf jeden Fall, so Körfges: Die GeWoGe konnte sich durch das Projekt für eine neue Mieterklientel öffnen. „Für unsere Wahrnehmung in der Stadt ist die Klimaschutzsiedlung ein Marketingerfolg: Wir werden nicht mehr nur über den Selbsthilfegedanken identifiziert. Heute können wir alle Mieter bedienen, Familien, Alleinstehende und auch die Generation 50+“. Und der Architekt? Er wird seit dem Klimaschutzprojekt als Fachmann für energieeffizientes Bauen wahrgenommen, „obwohl wir das eigentlich schon immer gemacht haben“, so Stephan Brings. ISCH
Die Landesregierung NRW hat sich mit dem Projekt „100 Klima-
schutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen“ das Ziel gesteckt, die CO2-Emissionen von Wohnquartieren konsequent zu reduzieren. Das Projekt ist ein Nachfolgeprogramm der erfolgreichen Kampagne „50 Solarsiedlungen in NRW“ und wurde in Zusammenarbeit mit dem NRW-Umweltministerium und der EnergieAgentur.NRW entwickelt. Über ein innovatives Energiekonzept und eine gute CO2-Bilanz hinaus sollen sich die Quartiere durch städtebauliche, gestalterische und soziale Qualitäten auszeichnen. Damit soll umweltverträgliches Bauen als Bestandteil nachhaltiger Siedlungsentwicklung gefördert werden. Das Siedlungskonzept muss vor einer interdisziplinär mit Experten aus den Bereichen Stadtplanung, Architektur und Energie besetzten Auswahlkommission des Landes NRW detailliert vorgestellt werden. Seit 2009 haben 77 Siedlungen mit insgesamt 5000 Wohneinheiten den Status „Klimaschutzsiedlung“ erhalten. Davon sind 28 Siedlungen fertig gestellt.
Die EnergieAgentur.NRW begleitet die Projektbeteiligten von der Planung bis zur Realisierung. Für die Planung von Klimaschutzsiedlungen hat sie einen ausführlichen Planungsleitfaden entwickelt, denn es gibt zahlreiche Anforderungen, die von Seiten der Planer und Architekten erfüllt werden müssen. Dazu gehört ein Grenzwert für CO2-Emissionen ebenso wie für den Heizwärmebedarf. Ein energetisch wirksames A/V-Verhältnis und die Südausrichtung der Gebäude sind ebenso vorgeschrieben wie ein ablesbarer Gestaltungsansatz und eine gestalterische Außenraumplanung, sowie eine sozialverträgliche Anbindung an den ÖPNV und infrastrukturelle Einrichtungen. Die Anforderungen betreffen sowohl die städtebauliche Planung wie auch die Gebäudeplanung und das Energiekonzept, bis hin zur Projektkoordination und Projektbegleitung.
Im Sinne einer Multiplikatorfunktion geben die Projekte Impulse für weitere Projekte: Die Erfahrungen, die Architekten, Planer und Fachgutachter bei der Planung und Errichtung von Klimaschutzsiedlungen gemacht haben, werden für die berufliche Weiterbildung von Architekten und Ingenieuren in Workshops und Seminaren genutzt.
Weitere Informationen: www.energieagentur.nrw
Projektdaten
Objekt: Klimaschutzsiedlung „Wohnen am Wasserturm“, Mönchengladbach
Standort: Hubert-Schlebusch-Straße, Klagenfurter Straße 39/41, 41063 Mönchengladbach
Bauherr: GeWoGe 1897, Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft von 1897 e.G.,Mönchengladbach, www.gewoge1897.de
Architekt: BRINGSARCHITEKTEN GmbH & Co. KG, Mönchengladbach, www.bringsarchitekten.de
Bauleitung: Dipl.-Ing. Stephan Brings, BRINGSARCHITEKTEN GmbH & Co. KG
Bauzeit: 10.2013 – 2020
Fachplaner
Tragwerksplaner: Offermann Ingenieurbau, Tragwerksplanung + Bauphysik, Mönchengladbach, www.offermann-ing.de
TGA-Planer: Luces Ingenieure, Ingenieurgesellschaft für technische Gebäudeausrüstung mbH, Pulheim, www.luces-ingenieure.de
Landschaftsarchitekt: Landschaftsarchitekten Jägersküpper Fahl, Mönchengladbach, www.landschaftsarchitekten-mg.de
Energieberater: Die Energieexperten, Aachen, www.die-energieexperten.de
Brandschutzplaner: SV. Zahn, Sachverständigenbüro für Brandschutz, www.sv-zahn.de
Elektroplaner: PB Sommerfeld, Planungsbüro für Gebäudetechnik,
Energiekonzept
Gebäudehülle
Flachdach: Innenputz 1,5 cm, Stb.-Decke 18 cm, PE-Folie, Gefälldach mit EPS Dämmung bis 25 cm, Kunststoff-Dachbahn 0,5 cm
Bodenplatte UG: Zementestrich 4 cm, Stb.-Decke 25 cm, Perimeter-Dämmung 25 cm
Außenwand WDVS: Innenputz 1 cm, KS-Mauerwerk 24 cm, Fassadendämmplatte EPS 035 20 cm, Außenputz 1 cm
Außenwand VHF: Innenputz 1 cm, KS-Mauerwerk 24 cm, Fassadendämmplatten vlieskaschiert WLG 032 12 cm, Luftschicht 4 cm, HPL-Schichtstoffplatten 0,8 cm
U-Wert WDVS-Fassade = 0,160 W/(m²K)
U-Wert VHF-Fassade = 0,230 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,160 W/(m²K) U-Wert Flachdach = 0,140 W/(m²K) Uw-Wert Fenster = 0,90 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 0,50 W/(m²K)
Ug-total (mit Sonnenschutz) = 0,90 W/(m²K)
CO2-Wert = 6,0 kg/m²a
Haustechnik
Nahwärmekonzept mit einer Heizzentrale für alle Gebäude mit Pellets-Heizkessel, Frischwasserstationen in jeder Wohnung mit Wärmeübergabestation, kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung im dezentralen hybriden System mit Abluftventilatoren in den Funktionsräumen sowie fassadenseitigem Abschluss über ein Fassadenelement
Hersteller
Schüco International KG, www.schueco.de
Brillux GmbH & Co. KG, www.brillux.de
Trespa Deutschland GmbH, www.trespa.com
Hawa AG, www.hawa.ch
LUNOS Lüftungstechnik GmbH für Raumluftsysteme, www.lunos.de
Viessmann Werke GmbH & Co KG, www.viessmann.com