Lernen unter Schwestern
Kloster Hegne Marianum in Allensbach

Backsteinmauern, Tonnengewölbe und keck hervorlugende Vordächer: Die Ganztagsschule des Klosters Hegne im schwäbischen Allensbach lässt Schülern Raum für Phantasie und stärkt so ihre Identifikation mit der Schule. Der Neubau der Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei fügt sich wie selbstverständlich in das Kloster ein und setzt doch eigene Akzente.

Das Kloster Hegne am Bodensee investiert in die Zukunft. Der Gemeinschaft der „Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz“ fehlt Nachwuchs, mehr als die Hälfte der 330 Schwestern ist über Sechzig. Um die riesige Klosteranlage langfristig zu halten, gehen die Nonnen ungewöhnliche Wege: 2005 entstand ein Hotel mit 65 Zimmern. Nun folgte der Neubau einer Privatschule. 2009 wurde im Rahmen des Marianums, eines Zentrums für Bildung und Erziehung, eine Ganztags-Realschule eingeweiht. Träger ist ebenfalls das Kloster.

Im Westflügel des Marianums waren zuvor schon mehrere Berufsschulen untergebracht. Sie werden nun durch die Realschule ergänzt, für die ein ehemaliges Internat weichen musste. Die neue Schule, ent­worfen von den Stuttgarter Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei (LRO), spiegelt den Altbau in Maß und Proportion. Wie Zwillinge stehen sich Alt und Neu gegenüber. In der zentralen Achse zwischen beiden Gebäuden liegen Mensa, Foyer, Sporthalle und ein überdachter Eingangsbereich. Zur Straße schließt eine Mauer in Form einer Arkade die Anlage. Sie nimmt Mensaküche, WCs, Parkplätze und ein kleines Heizkraftwerk auf.

So entstanden zwei abgeschirmte Innenhöfe. Der ruhigere Hof fungiert als Entree, dem sich ein Lesehof mit einer Kapelle – dem „Raum der Stille“ – anschließt. Zum lauteren Hof öffnet sich die Mensa, hier stehen im Sommer Tische und Bänke. Zwischen beiden Hauptgebäuden liegt das Foyer mit einer Pforte, an der eine Schwester die Schüler morgens empfängt. Geradeaus geht es in den Musiksaal. Das Gelände wurde zum See leicht abgetragen, so dass unter dem Saal noch Platz ist für eine Sporthalle mit Dachterrasse. Bei gutem Wetter blickt man von dort über den See bis zur Klosterinsel Reichenau.

Im neuen Flügel sind acht große Klassenräume untergebracht, ein Naturwissenschaftsraum, drei Freizeiträume sowie die Schulverwaltung. Die einbündigen Flure nutzen die Schüler als Pausen-, Lern- und Begegnungsorte. Jeden Flur begleitet eine breit verfugte Ziegelwand, deren Backsteinband regelmäßig zurückspringt. So entstehen vor den Klassenräumen schrankbreite Sitznischen. Dort hocken die Schüler in den Pausen oder lernen in Kleingruppen abseits der Klassenzimmer. Die Holzbänke in den Nischen lassen sich hochklappen, darunter lagern Rucksäcke. Durch den Wechsel zwischen sandfarben bis rußschwarz gebrannten Ziegeln und weiß verputzten Wandnischen entsteht ein lebhaftes Farbspiel. Statt Anstrichen wirkt die natürliche Farbigkeit der Materialien: Mauerwerk, Beton, geschliffener Zement­estrich und Stabparkett.

Witterungsgeschützte Gänge verbinden beide Häuser. Die aus ­Ziegeln gemauerten Tonnengewölbe wirken wie eine Bühne hoch über dem See. Sie überspannen auch Mensa, Foyer und einen Teil des Pausenhofs und übersetzen so die Themen „Kreuzgang“ und „Gewölbe“ in moderne Architektur.

„Uns war es wichtig, die Kontinuität des Ortes zu wahren“, sagt Projektleiter Thilo Holzer. Ähnlich wie das Salem College 40 Kilometer entfernt, erinnert die Schule mit ihren schweren Ziegelmauern und Tonnengewölben an manchen Stellen fast an ein altes Gemäuer. Man hat das Gefühl etwas lange Dagewesenem gegenüberzustehen, auch wenn die Architektur eindeutig heutige Züge trägt. Es gibt ein zylindrisch abgerundetes Treppenhaus, einen keilförmigen Abluftkamin oder die keck aus dem Neubau lugenden Vordächer, von den Schwestern mit „Nonnenkappen“ verglichen – lauter „Geheimnisse“, die die Phantasie der Schüler anregen und ihnen die Identifikation mit „ihrer“ Schule erleichtern.

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