Licht, Luft und LehmGenerationsübergreifendes WohnprojektLeuchtturm, Berlin
Autark, also völlig unabhängig von Energieanbietern zu sein, das war der Wunsch der Baugenossenschaft Leuchtturm e.G., die sich extra für den Bau des Wohnhauses gegründet hatte. Ganz gelungen ist die Unabhängigkeit nicht, aber Passivhaus-Standard erreicht das Gebäude allemal.
Nachhaltiges, gemeinschaftliches und generationenübergreifendes Wohnen heißt das Zeichen, unter dem das Haus in der Pappelallee steht. Schon vor Planungsbeginn waren sich die späteren Bewohner mit den Architektinnen Irene Mohr und Karin Winterer darüber einig, ihr eigenes Zuhause entsprechend den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zu bauen:
Von außen ist dem Gebäude sein innovatives Konzept nicht anzusehen. Städtebaulich passt sich der Baukörper an seine gründerzeitliche Nachbarschaft an. Da die Orientierung des Hauses durch die Grundstücksform der Baulücke vorgegeben war, konnten die solaren Wärmegewinne nicht beeinflusst werden. Umso wichtiger war daher die sorgfältige Planung der hochgedämmten Gebäudehülle.
Hybrid-Konstruktion
Aufgrund der nach Berliner Bauordnung erforderlichen Feuerbeständigkeitsklasse F90 für siebengeschossige Gebäude wurde die Tragkonstruktion als Stahlbetonskelett errichtet. Die Fassade wurde in Holztafelbauweise ausgeführt, die Fassadenelemente besitzen eine Holzweichfaserdämmung als Kern. Im Innenbereich kamen Lehm-Kork-Dämmplatten zum Einsatz, abschließend wurde ein mehrlagiger Lehminnenputz aufgebracht. Dieses System versprach mehrere Vorteile: Die geringe Leibungstiefe ermöglicht einen sehr guten Tageslichteinfall, was bei einer Wandstärke von 43,5 cm (U-Wert: 0,126 W/m²K) nicht selbstverständlich ist. Darüber hinaus verhieß es ökologische und wohngesunde Qualitäten, da die Außenwand diffusionsoffen ist; auf Dampfsperren konnte verzichtet werden. Zudem wurde die Forderung nach dem Einsatz regionaler Baustoffe und kurzen Transportwegen erfüllt: Fertighaushersteller Haacke produzierte, lieferte und montierte das Fassadensystem. Die Zusammenarbeit der Architektinnen mit der Firma war nicht neu, kannte man sich von Altbausanierungen, bei denen die Innen-Dämmplatten aus Recycling-Kork häufiger eingesetzt werden. Doch der Einsatz bei einem Neubau und vor allem in diesem Umfang war eine Novität für beide Seiten.
Zur Wärmegewinnung wurde eine bivalente Anlage eingebaut, die in erster Linie Erdwärme nutzt und den verbleibenden Energiebedarf durch eine thermische Solaranlage und eine gasbetriebene Brennwerttherme deckt. 14 Bohrungen á 70 m Tiefe waren für die notwendige Entzugsleistung auf dem Grundstück erforderlich. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach soll langfristig den Strom für den Betrieb der Wärmepumpe liefern. Zugunsten der Energiebilanz verzichteten die Bewohner auf einen Keller. Die Heizzentrale wurde daher im Dachgeschoss untergebracht.
Ventilationsfenster
Wie bei Passivhäusern funktioniert das Energiekonzept nur mit einer kontrollierten Lüftung. Die Architektinnen entschieden sich dafür, neuartige Ventilationsfenster einzusetzen und diese gleichzeitig im Rahmen eines Forschungsprojektes gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umweltschutz (DBU) auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen.In diesen Fenstern öffnen und schließen sich Ventilationsöffnungen mit Hilfe hydraulischer Federn je nach herrschender Temperatur, ohne dass hierfür elektrische Energie benötigt wird. Die Zuluft wird im äußeren Scheibenzwischenraum des Kastenfensters vorgewärmt. Dabei wird sowohl die Solarstrahlung von außen als auch die Transmissionswärmeverluste durch die inneren Scheiben genutzt.
Monitoring
Nicht nur die Fenster stehen unter Beobachtung, auch im restlichen Gebäude messen Sensoren den Energieverbrauch im Verhältnis zu den Wetterbedingungen. Eine Wohnung ist angeschlossen an das Monitoring und liefert beispielhaft Daten über die Heizgewohnheiten der Bewohner.
Wohngemeinschaft
Wichtig für das „Funktionieren“ des Hauses sind jedoch nicht nur die Hybrid-Konstruktion und das komplexe Energiekonzept, sondern auch die Bewohner. Da die Genossenschaftsmitglieder schon vor Baubeginn an der Planung beteiligt waren, konnte eine individuelle Gestaltung der Wohneinheiten ermöglicht werden. Berücksichtigt wurden hierbei die barrierefreie Benutzbarkeit der Wohnung und auf Wunsch sogar Behindertengerechtigkeit. Ein Aufzug gewährleistet die rollstuhlgerechte Erschließung aller Bereiche. Im Dachgeschoss ist ein Gemeinschaftsraum untergebracht, der den Genossen für Versammlungen zur Verfügung steht, den die Kinder zum Spielen nutzen und in dem der sonntägliche Tatort zusammen angeschaut wird. Um keinen Raum zu verschwenden und zugleich Kosten zu sparen, nutzen die Bewohner die Waschmaschinen gemeinsam. Derzeit leben 28 Erwachsene und 17 Kinder in dem Haus, das Altersspektrum reicht vom Rentner bis zum Baby. Es tut gut zu sehen, dass die Vorstellungen vom innerstädtischen, nachhaltigen Wohnen generationenübergreifend gleich sein können. SG