Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal hat man das Gefühl, es gäbe zuviel Renaissance. So erlebt laut Medienberichten gerade die PET-Mehrwegflasche eine Renaissance, auch die CO2-Speicherung, Value-Aktien oder das Motorrad und ganz sicher: die Renaissance. Kann man daher guten Gewissens von einer Renaissance der Wohnhochhäuser sprechen? Die Versuchung liegt nahe; unsere Forschungen im Vorfeld zu unserem Titelthema „Wohnhochhäuser“ haben eine überraschend hohe Anzahl von Projekten vor Augen geholt, die tatsächlich einen Trend zu offenbaren scheinen: Die Wohnhochhäuser sind wieder da!

In den 1960er- bis in die 1980er-Jahren war der Wohntyp Hochhaus zumindest in Europa an ein wenig rühmliches Ende gekommen – die einmal für Zukunft und neues Miteinander stehende „Wohnmaschine“ war zu einem Schimpfwort degradiert worden, soziale Unruhen und No-go-Areas wurden in den hoch- und dichtgebauten Massenwohnsiedlungen ausgemacht. Es wurde gesprengt oder mit Farbe nachgebessert, mit SozialhelferInnen­stationen vor Ort und allgemein wenig Interesse, zu investieren; die Rendite hätte nicht gestimmt.

Nun die neuen Wohntürme, jetzt mitten in den Städten, dort, wo die Bodenpreise spekulativ und ganz gewiss sehr weit oben liegen. Von Spekulationsobjekten in Manhattan oder vergleichbar wahnsinnig teuren Stadtteilen anderer Metropolen einmal abgesehen, arbeitet das Bauen in die Höhe knapp in der Nähe zum Modell der vertikalen Stadt, was in Singapur aktuell sehr anschaulich und wieder einmal sehr exklusiv realisiert wird. Klar, das Bauen in 1A-Lagen hat trotz (oder wegen?) allen Stapelns immer noch seinen Preis: Quadratmeterpreise um die 5 000 € werden in den unteren Geschossen aufgerufen; je weiter hoch im Haus man ­Interesse zeigt, desto schneller klettern die Preise.

Unsere Heftpartner, das Architekturbüro MEIXNER, SCHLÜTER, WENDT aus Frankfurt a. M. (der einzigen deutschen Stadt mit echter Hochhausskyline) haben mit ihrem Projekt, dem Axis (S. 24ff.), die vertikale Stadt über die Durchmischung verschiedener urbaner Typologien (Villa, Reihenhaus, Turm) zu realisieren versucht; Rem Koolhaas/OMA hat mit zwei Wohnungsstapeln in Stockholm ein Stadttor abgeliefert (S. 36ff.); das Londoner Büro Farshid Moussavi mit seinem „Folie Divine“ (S. 42ff.) eben genau das! Aus dieser Reihe von Landmarke seiender Architektur fallen die Projekte aus Brüssel (S. 48ff.) und Berlin (S. 30ff.) heraus. Sie lassen allerdings etwas anklingen, das uns in dieser Auswahl wichtig war: das Weiterbauen mit dem Bestand; ein Thema, das wir auch in unserer Rubrik „Im Gespräch mit …“ (S. 12f.) vertieft haben.

Wohnen in der Höhe? Gestapeltes Wohnen? Wohnen mit Fernsicht, Wind um die Nase und Gemeinschaft, mitten in der Stadt? Dass wir hier gerade erst beginnen, neue, vielleicht noch nicht gedachte Bilder und Strategien zu entwickeln, das ahnen wir jetzt. Und hier sollten wir weiterarbeiten, vorangehen in der Entwicklung neuer Bau- wie Wohnkonzepte in der Vertikalen. Eine Renaissance der Hochhäuser allerdings kann uns gestohlen bleiben!

Seien Sie herzlich gegrüßt, bleiben Sie beweglich,

Ihr

Benedikt Kraft

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