Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschland sei fertig gebaut, lesen wir immer wieder, auch unsere Heftpartnerinnen von RKW Architektur + greifen diese, man möchte fast schreiben, „Sentenz“ mit dem Charakter einer Binsenwahrheit in ihrem Statement zum Thema auf. Warum müssen wir dann, wie beispielsweise vom obersten Bauherrn dieses Landes, vom Bund, gefordert und auch gefördert, jährlich 300 000 Wohnungen neu bauen?! Ist es denn wirklich nicht möglich, das Bestehende wieder frisch zu machen, es für den Gebrauch herzurichten, es „wachzuküssen“ (Barbara Possinke von RKW Architektur +)? Ist es denn wirklich nicht möglich, den Bestand so attraktiv zu gestalten, dass wir den offenen Boden nicht weiter dicht machen, weitere Kubikkilometer Beton, Ziegel, Holz, Zement, Stahl, Polystyrole und Gipse, Bitumen, Sand, Kies und Kupfer sowie Folien und Verschnitte als Abfälle in die Welt stellen? Ja, auch bei einer Sanierung wird Material verbraucht, entstehen Reste; auch eine Sanierung, wie wir sie heute immer noch denken, ist nicht Bestandteil einer regelrechten Kreislaufwirtschaft, die keine Abfälle mehr kennt, aber das Limit.

Doch bevor wir von einer Kreislaufwirtschaft träumen, die ihren Namen verdient, sollten wir mit dem Instandsetzen, Reparieren, dem Fortschreiben, dem Pflegen beginnen. Für Letzteres gibt es bereits eine Versicherung für uns Menschen, wieso die nicht auch für Gebäude? Denn gerade der Blick auf den Zustand öffentlicher Bauten offenbart, dass es nicht die Baumängel, nicht nur die Schadstoffe, nicht das für ungemütlich und unzulänglich Empfundene verantwortlich dafür sind, dass man über Abriss und Neubau spricht. Tatsächlich fehlte es meist an der sachkundigen und kontinuierlichen Pflege! „Machen wir später, jetzt haben wir dafür kein Geld“, das konnten wir so lange hören, bis es eben zu spät war: die Substanz schwer geschädigt, ihr Erhalt zweifelhaft. Aber: bei gutem Willen und vorhandener Kompetenz meistens möglich.

„Sanierung“ ist unser Heftthema und wir sollten es wohl öfter als einmal im Jahr auf den Titel heben. Denn es scheint Nachholbedarf zu bestehen bei allen am Bau Beteiligten. Nachholbedarf, was die schon angesprochene Ökonomie der Mittel ganz allgemein, was Sozial- und Umweltverträglichkeit angeht. Aber auch – wie schon auf dem Gebiet der Energieerzeugung – die Erkenntnis, dass die intensive Arbeit am Problem „Erhaltung statt Wegwerfen“ einen Innovationsvorsprung erzeugt, den man in nicht wenigen Jahren im Bemühen um das Erreichen von Klimazielen ausspielen kann. Denn natürlich ist es wenig innovativ, wenn wir den Wertverfall unseres Geldes (eher die Stagnation des Wertzuwachses) über seine Verwandlung in Betongold zu stoppen versuchen. Gebaut wird doch nicht, weil wir günstigen Wohnraum so dringend benötigen, sondern weil zuviel Geld im Umlauf ist, für das es keine Zinsen mehr gibt.

Die hier ausgewählten Projekte – ein Hochschulgebäude, eine Wohnsiedlung, ein umgenutztes Hochhaus und eine detailverliebte, handwerklich und gestalterisch dichte Revitalisierung – zeigen zwar ausschnitthaft, doch zugleich vorbildlich, wie wir auch mit belasteten und auf den ersten Blick vielleicht wenig attraktiven Bauten der Vergangenheit umgehen können. Sie alle zeigen, dass wir vor allem die Aufgabe haben, die BauherrInnen davon zu überzeugen, dass es geht: dass eine Sanierung mindestens so wertvolle, anspruchsvolle Bauten ergibt, wie ein Neubau. Dass man dafür anspruchsvoll arbeitende ArchitektInnen und IngenieurInnen braucht, ist klar! Fangen wir heute an!

Seien Sie herzlich gegrüßt, bleiben Sie beweglich,

Ihr

Benedikt Kraft

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