MOCAA – Museum of Contemporary African Art, Kapstadt/ZA
Das denkmalgeschützte Silo in Kapstadt haben die Architekten von Heatherwick Studio aus London in ein Museum für zeitgenössische Kunst umgewandelt und darin einen zentralen, fast sakral anmutenden, öffentlichen Raum geschaffen, der die Geschichte des Gebäudes offenlegt und seinesgleichen sucht. Als Kontrast dazu sind die Galerieräume für die Kunstwerke als „White Cubes“ in den historischen Komplex implantiert, um so internationalen Standards gerecht zu werden.
Als in Deutschland das Bauhaus gegründet wurde, errichtete man in Kapstadt das markante Silo für die Lagerung von Getreide aus ganz Südafrika, das dann von Kapstadt mit dem Schiff weitertransportiert wurde. Das Silo mit seinem 57 m hohen Turm war zum damaligen Zeitpunkt (1921) das höchste Gebäude Südafrikas. An den Betonturm grenzten 42, jeweils 30 m hohe, Siloröhren dicht gepackt zusammengefasst in einem Kubus. Mit der Zunahme der Containerschifffahrt verlor der markante Betonkomplex zunehmend an Bedeutung und stand schließlich seit den 1990er-Jahren leer.
1990 lagen nach einem weitgehenden Boykott des Hafens während der Zeit der Apartheid auch weite Hafenbezirke brach. Bei der Runderneuerung des Geländes Ende der 1990er-Jahre wurden alte Gebäude restauriert, und neue Gebäude entstanden im alten Stil wie z. B. Shoppingmalls in Gestalt von Lagerhallen, Hotels, Büro- und luxuriöse Appartementkomplexe. Heute zieht das Areal der „Victoria & Alfred Waterfront“ jährlich bis zu 25 Millionen Besucher an.
Kurz nachdem die Betreiber der „Victoria & Alfred Waterfront“ 2011 die Architekten von Heatherwick Studio gebeten hatten, Ideen für die Nachnutzung des Komplexes zu finden, gab es erste Ideen, ein Internationales Museum für zeitgenössische Afrikanische Kunst (Museum of Contemporary African Art = MOCAA) zu gründen. Im Heatherwick Studio trafen diese beiden Initativen zusammen. Und mit dem Einzug der Kunstsammlung des ehemaligen PUMA-Managers Jochen Zeitz in das Getreidesilo wurde der Start für das neue Museum möglich. Statt den historischen Komplex abzureißen, entschied man sich, die markante Betonkonstruktion in einen Raum für die Kunst zu verwandeln, ohne dabei den industriellen Charakter des Gebäudes aufzugeben.
Jedoch lautete die Vorgabe der Kuratoren um Jochen Zeitz zugleich, international kompatible Galerieräume für die Kunstwerke zu schaffen, die den anderen Museen weltweit – technisch und funktional – in Nichts nachstehen sollten. Gewünscht waren schlichte „White Cubes“, die den Rahmen für die Kunst bilden.
„Wir hatten die Idee, diese beiden Welten – das historische, raue Betongebäude und die „cleanen“, weißen Galerieräume – mit einem zentralen „einzigartigen“ Raum zu verbinden“, beschreibt Architekt Stepan Martinovsky von Heatherwick Studio den Entwurfsansatz. „Das Silo war einst Lager für Mais. Also haben wir uns ein Maiskorn genommen und es in 3D eingescannt. Diese Form haben wir dann auf das Gebäude übertragen und sie aus den Betonröhren im wahrsten Sinne des Wortes herausgeschnitten. Im übertragenen Sinne bildet nun ein winziges Maiskorn, von dem Tausende von Tonnen einst in dem Silo gelagert wurden, den zentralen Raum in dem neuen Museum.“
Idee und Umsetzung
Eine große Herausforderung war, diese Idee in die Tat umzusetzen. Bestanden die Wände der Silos doch aus lediglich 17 cm starkem Ortbeton, der kaum bewehrt war. Zudem stützten die Röhren sich statisch gegenseitig ab. Wie würde man aus diesem Röhrenpaket den Hohlraum herausschneiden können?
„Es hat einige Zeit und Versuche gedauert, bis wir wussten, wie wir es machen können“, erinnert sich der Architekt. „Schließlich haben wir die Röhren zunächst mit einer weiteren Stahlbetonschicht aufgedoppelt und verstärkt. Danach wurden die Bereiche aus den Betonröhren mit doppelten Sägeblättern herausgeschnitten. Im Sockelbereich, wo die Betonfundamente bis zu 1,5 m dick waren, mussten wir den Beton sogar mit Diamant-Seilsägen aufschneiden.“
Ein Vermesser hat die Punkte, die vorher aus dem Scan des Maiskorns in 3D ermittelt worden waren, auf die einzelnen Röhren übertragen. Daran entlang wurden sie aufgeschnitten. Jede Röhre musste aufwendig individuell eingemessen werden. Nach dem Aufsägen der Röhren wurden die Betonschichten von Hand geschliffen und poliert. „Man erkennt sehr gut den historischen Beton, der heller und grobkörniger ist“, beschreibt der Projektleiter Stepan Martinovsky die verschiedenen Schichten. „Die Steinkörnung des alten Betons stammt aus einem Steinbruch vom Tafelberg. Die neue Betonschicht dagegen ist viel feiner, homogener und fast schwarz.“ Der Projektarchitekt beschreibt, dass das Team von Heatherwick Studio immer sehr viel Wert auf Handarbeit lege und besonders stolz auf das Resultat sei, das beim Polieren und Finish der Betonkonstruktion im MOCAA herausgekommen ist.
Räume und Ausstellung
Besucher betreten das Museum vom Platz aus. Das Vordach zum Eingang bildet dabei eine historische Stahl-Sheddachkonstruktion, die erhalten wurde. An manchen Tagen bilden sich lange Schlangen, sodass es angenehm ist, im Schatten des Sheddaches warten zu können. Über dem Eingang selbst hängen Schüttkegel aus Stahl, die man erst auf den zweiten Blick wahrnimmt. Denn sobald man das Gebäude betreten hat, zieht es die Besucher schon fast magisch in das zentrale Atrium, das für alle öffentlich zugänglich ist. Vorbei an den Kassentresen können die Gäste in den kathedralenartigen Raum treten. Nur von einem Geländer gebremst, befindet man sich mitten in dem Hohlraum, der die Blicke in alle Richtungen schweifen lässt. Von oben fällt Tageslicht durch den Glasboden des Skulpturengartens, der sich auf dem Dach des Museums befindet.
Hat man die Eintrittskarten gelöst, geht es links herum am Atrium entlang auf die Wandelgänge, die zu den Galerien führen. In den ersten beiden Geschossen befindet sich die ständige Ausstellung, darüber liegen zwei Ebenen für Wechselausstellungen. Ganz oben befinden sich das Museumsrestaurant und der offene Skulpturengarten mit einem beeindruckenden Blick über die Stadt und zum Tafelberg. Im vorderen Teil, dem Turmkomplex, sind auf den Ebenen des Museums Verwaltung und Räume für Sondernutzungen untergebracht. Eine Ebene der Wechselausstellungen verbindet beide Teile zu einem Rundgang. Ansonsten merken die Besucher, wenn sie sich in den Galerieräumen befinden, nicht viel davon, dass sie sich in dem ehemaligen Silo befinden. Das mag manch einer bedauern. Doch ist es gewollt, weil diese Räume den internationalen Ansprüchen an Ausstellungsräume für Kunst gerecht werden. Im Prinzip handelt es sich hier um einen Neubau, der in den entkernten Bereich des Silos gebaut worden ist. Nur außen hat man hier die historische Betonfassade als Hülle erhalten.
Besonders faszinierend für die Besucher ist der Kontrast zwischen Alt und Neu. Denn beim Verlassen der „White Cubes“ gelangen sie immer wieder auf die Wandelgänge und ins Atrium – mit beeindruckenden Ein- und Ausblicken, die sich von Ebene zu Ebene verwandeln. Verzichtet man auf den gläsernen Fahrstuhl, der in einer der aufgeschnittenen Röhren am Atrium auf und abfährt, kann man eine Wendeltreppe aus Stahl nehmen, die sich in einer Betonröhre befindet, die nicht aufgeschnitten worden ist. Nicht nur diese Treppenskulptur sondern auch die Wandelgänge um das Atrium erinnern an Architekturen von Louis Kahn.
Ganz unten, wo die Fundamente des Silos bis zu 1,5 m dick sind, ist die Raumhöhe gering, und es ist dunkel. Alte Stahlvorrichtungen sind erhalten. Man muss sich teilweise bücken, um durch die Gänge zu gehen. Hier fühlt es sich an, als ob das Silo noch in Betrieb sei. Und von hier unten ist es ein ganz besonderer Moment, in das zentrale Atrium zu treten: Zwischen meterdicken Betonmauern eröffnet sich plötzlich der fast sakrale Zentralraum mit den beeindruckenden Zuschnitten.
Im Sockelbereich unter dem Turm liegen die Räume für die museumspädagogische Erziehung sowie Räume für die Konservierung von Kunstwerken. Ganz oben im Turm – oberhalb des Museums – befindet sich das Luxushotel „The Silo“ mit atemberaubenden Blicken über die Stadt.
(Hotel-)Fassade
Die Planer von Heatherwick Studio haben nicht das Interior des Hotels geplant. Doch zeichnen sie verantwortlich für dessen Betonbau und die Fassaden. „Wir haben die Glasfassaden entwickelt, die auch die Hotelzimmer prägen“, erklärt Architekt Stepan Martinovsky den planerischen Part. „Die Zimmergrößen werden bestimmt durch die Achsraster der Fassade. Denn man sollte keine Trennwand mitten an die Glasfassade anschließen.“
Inspiriert von venezianischen Glaslampen, die mit Kaninchendraht gefertigt werden, hat das Team von Heatherwick Studio die Glasfassaden entwickelt. Dabei sollten die Fensterrahmen möglichst schmal wirken. Die Tragwerksplaner von ARUP schufen dazu ein parametrisches Modell für die Glasfenster, an dem die Architekten die Knotenpunkte der Rahmen individuell positionieren konnten. Die großformatigen Glaspaneele wurden vorgefertigt und mit Kränen in ihre Position gebracht. Um die schweren Fensterelemente am Rohbau richtig befestigen zu können, mussten Stahlträger und -stützen aus dem Bestand frei gelegt und mit einer neuen Betonschicht ummantelt werden. Nun füllen die markanten „Glasfenster“ gleichmäßig die Betonrasterfassade aus und wirken besonders im Dunkeln weithin sichtbar wie eine Laterne im Stadtbild. Bei Tage reflektieren die gewölbten Glasfassaden den Himmel über der Stadt. Auch dann markieren die spiegelnden Glasflächen die neue Nutzung des Gebäudes im Stadtbild.
Energie
Das Museum of Contemporary African Art (MOCAA) ist zusammen mit den umgebenden Gebäuden in ein Energiekonzept eingebunden. Für dieses Gebiet gibt es eine gemeinsame Kühlanlage, in der Meerwasser mittels Wärmetauschern und Wärmepumpen zum Kühlen (und Heizen, sofern das im milden Klima Kapstadts nötig ist) genutzt wird.
Im MOCAA sind die Galerieräume nach unterschiedlichen Anforderungen künstlich belichtet und klimatisiert. Dabei folgen die Räume der Wechselausstellungen im dritten und vierten Obergeschoss den strengsten Anforderungen (22° C +/- 2° C und 50 % RLF +/- 5 % RLF), weil sie so die Kriterien für den internationalen Kunstbetrieb erfüllen und das Museum Kunstwerke aus aller Welt ausleihen und präsentieren kann. Die darunterliegenden Ausstellungsebenen dienen der eigenen Sammlung und haben, um den Energieverbrauch zu reduzieren, etwas geringere Anforderungen an die Raumluftfeuchtigkeit (50 % RLF +/- 10 % RLF). Ein geringer Luftüberdruck, der über den Boden in die Galerieräume eingeleitet und dann in das Atrium abgeführt wird, sorgt für gleichmäßige Raumkonditionen. Das zentrale Atrium und die Wandelgänge im Museum sind natürlich belichtet und belüftet. Im Übergang zu den Galerieräumen befinden sich Schleusen als Klimapuffer.
Fazit und Ausblick
In Kapstadt und Südafrika gibt es noch keine „Museumskultur“, wie wir sie aus Europa oder den USA kennen. Das ist sicherlich eine Folge der jahrzehntelangen Apartheitspolitik. Auch öffentliche Plätze, die zum Verweilen einladen, sind immer noch sehr rar. Das Gebiet der „Victoria & Alfred Waterfront“ in Kapstadt ist zwar stark frequentiert und eines der attraktivsten Touristenziele Südafrikas, doch auch hier leert es sich abends nach Geschäftsschluss. Nicht umsonst war es das Anliegen der „Victoria & Alfred Waterfront GmbH“, durch die Umwandlung des Silos zum Museum in das „Silo-District“, wie der Stadtteil genannt wird, mehr Leben zu bringen. Das ist den Architekten mit dem neuen „Atrium“ im Herzen des Museums als öffentlich zugänglichem Bereich gelungen. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung sind die Stimmen sehr positiv. Viele Besucher kommen... Viele Kultur-Touristen... Für afrikanische Bürger ist der Eintritt mittwochs Vormittag frei. Bleibt abzuwarten, ob das Museum einen Bilbao-Effekt in Kapstadt bewirken kann. Susanne Kreykenbohm, Hannover
Baudaten
Standort: V&A Waterfront, Silo District, S Arm Rd, Waterfront, Cape Town, 8002, Südafrika
Typologie: Museum
Bauherr: Victoria & Alfred Waterfront Holdings (Pty) Ltd., Kapstadt/ZA,
www.waterfront.co.za
Nutzer: ZeitzMOCAA (Museum of Contemporary African Art), Kapstadt/ZA, www.zeitzmocaa.museum
The Royal Portfolio (Hotel),
www.theroyalportfolio.com
Architekt: Heatherwick Studio, London/GB,
www.heatherwick.com
Projektarchitekten: Mat Cash (Teamleiter), Stepan Martinovsky (Projektleiter)
Mitarbeiter (Entwurf): Simona Auteri, Roggero Bruno Chialastri, Yao Jen Chuang, Francis Field, Sarah Gill, Xuanzhi Huang, Changyeob Lee, Julian Liang, Débora Mateo, Stefan Ritter, Luke Snow, Ondrej Tichý, Meera Yadave
Mitarbeiter (Ausführungsplanung): Lucie Beauvert, Einar Blixhavn, Erich Breuer, Alex Flood, Hayley Henry, Hannah Parker, Luke Plumbley, Matthew Pratt
Ausführende Architekten vor Ort: Van der Merwe Miszewski Architects, Kapstadt/ZA, www.vdmma.com; Rick Brown Associates, Kapstadt/ZA, www.rba.co.za; Jacobs Parker, Kapstadt/ZA, www.jacobsparker.co.za
Projektsteuerung:
Mace, Südafrika, www.macegroup.com
Bauzeit: 2013 – 2017
Fertigstellung: September 2017
Fachplaner
TGA-Planer: ARUP, London, Kapstadt und Botswana, www.arup.com
Fassadentechniker: ARUP, London/GB, Johannesburg und Kapstadt/ZA, www.arup.com
Elektroplaner: Solution Station, Kapstadt/ZA,
www.solutionstation.co.za
Energieplaner: MLC Quantity Surveyors, Johannesburg/ZA, www.mlc.co.za
Brandschutzplaner: ARUP, Botswana und Leeds/GB, www.arup.com; Solution Station, Kapstadt/ZA,
www.solutionstation.co.za
Denkmalschutz: Nicolas Baumann Heritage Management Consultant
Projektdaten
Ausstellungsflächen: 6 000 m²
Baukosten
Gesamt brutto 34,8 Mio €