Museum Voorlinden, Wassenaar/NL
Für die größte niederländische Privatsammlung zeitgenössischer Kunst hat Dirk Jan Postel von Kraaijvanger Architects ein Museum entworfen, das in einem weitläufigen Landschaftspark steht. Über dem Grundriss aus sechs markanten Scheiben schwebt ein auskragendes Stahldach. In die Dachkonstruktion sind 115 000 Röhren integriert, die diagonal angeschnitten sind und so Tageslicht gezielt in die Ausstellungsräume lenken. LED-Uplights ergänzen bei Bedarf den Lichteinfall.
Wiesen, Park, Wald und Dünen prägen das weitläufige Areal von Voorlinden vor den Toren Den Haags. Wenn man sich dem Gelände über die lange Allee nähert, fällt zunächst das neogotische Herrenhaus aus dem Jahr 1912 ins Auge, für das der Landschaftspark einst neu angelegt worden ist. Der Weg führt an dem massiv gemauerten Anwesen vorbei und lenkt den Blick auf den Neubau. Sechs lange mit hellem Naturstein verkleidete Mauerscheiben liegen in der Landschaft und bilden Räume für die Kunst, die sich weit zur Natur öffnen. Über allem schwebt ein filigranes, helles Stahldach, das sich schützend über die Räume legt. „Wir wollten kein Museum als ‚Ikone‘ schaffen, sondern einen Ort, der nur der Kunst dient“, erklärt Architekt Dirk Jan Postel vom Büro Kraaijvanger Architects aus Rotterdam. Das Prinzip der Scheiben habe er bereits bei anderen Projekten angewandt, wie z. B. beim Museum Kranenburgh im holländischen Bergen oder bei der holländischen Botschaft in Peking. „Über die Botschaft in Peking und den Bürgermeister von Rotterdam ist der Kontakt zum Bauherren entstanden“, beschreibt Postel die Genese des Projekts. „Er ist Gründer eines weltweit führenden Chemieunternehmens in Rotterdam und sammelt leidenschaftlich zeitgenössische Kunst. Zunächst planten wir einen Ort für seine Kunstsammlung auf dem Gelände seines Privathauses. Als er 2011 das Anwesen Voorlinden von der niederländischen Postgesellschaft erwerben konnte, die es zuletzt als Trainingszentrum für ihre Mitarbeiter genutzt hatte, fingen wir noch einmal mit einem neuen Entwurf für das Museum an“, fährt der Planer fort.
Klares Konzept für die Kunst
Das Raumprogramm besteht aus Galerieräumen für die private Sammlung, aus Räumen für Wechselausstellungen und aus der Dauerausstellung von InSitu-Objekten, zu denen u. a. die großformatige Skulptur „Open Ended“ von Richard Serra zählt. Außerdem gibt es ein Skyspace des Lichtkünstlers James Turrel. Dazu kommen ein Auditorium, eine Bibliothek sowie der Museumsshop und Serviceräume. Die parallel angeordneten Scheiben stehen in einem Abstand von 8 m zueinander und gliedern die Galerieräume zu je einem Drittel in die verschiedenen Bereiche. An den Stirnseiten eröffnen sie großzügige Blicke zum Herrenhaus und in die Landschaft. Die Besucher betreten das Museum von der Seite im Nordwesten. Vom Foyer schauen sie geradewegs durch das Museum in die Landschaft und zugleich nach rechts und links in die Ausstellungsräume. Neben dem Foyer befinden sich auf der einen Seite der Museumsshop, auf der anderen die Bibliothek sowie die Garderoben und Serviceräume. Helle weiße Wände, lichte Decken und warme Holztöne prägen die Galerieräume. „Was uns besonders wichtig war, ist, dass wir keinerlei Technik zeigen wollten. Das war eine große planerische Herausforderung“, betont Dirk Jan Postel. „Ein Beispiel: Wir haben die Schilder für die Notausgänge unter Putz gelegt. Sie leuchten erst im Notfall auf und scheinen dann durch den Putz.“
Licht und Technik
„Zusammen mit den Ingenieuren von Arup haben wir das Lichtkonzept entwickelt“, fährt der Architekt fort. „In die Stahlkonstruktion des Daches sind 115 000 Röhren integriert, die in einem Winkel diagonal angeschnitten sind und so 20 % des Tageslichts in die Räume lenken. Wir haben uns bewusst für das südlich einfallende Tageslicht entschieden, weil es lebendiger wirkt, ähnlich wie in privaten Räumen. Schließlich handelt es sich hier um eine Privatsammlung.“ Unter diesem Teil des Daches, der das Tageslicht filtert, befindet sich der eigentliche Klimaabschluss in Form von flach geneigten Glasdachflächen. In die Längspfosten dieser Glasdächer sind kleine LED-Uplights integriert, die das weiß lackierte Stahldach bei Bedarf zusätzlich anstrahlen und so den Lichteinfall verstärken. Dadurch, dass diese Leuchten außerhalb der Fassade liegen, tragen sie nicht zum Wärmebedarf im Museum bei. So konnten die Planer den Energiebedarf und die Kühllasten erheblich reduzieren. In den Lichtdecken der Privatsammlung und der Wechselausstellung tragen helle Textilmembranen dazu bei, dass das Licht noch gleichmäßiger gestreut wird.
Open Ended
Dort, wo die großen Dauerexponate stehen, fällt das Licht direkt durch die Röhren in die Galerieräume. Besonders spektakulär ist die Skulptur „Open Ended“ von Richard Serra, für die ein eigener Raum geschaffen wurde. Sie ist wie ein Labyrinth aus Corten-Stahl, das 220 t wiegt. Eng und bedrohlich wirkt sie beim Durchschreiten und macht bewusst, wie klein der Mensch ist. Aber wie bei einem historischen Labyrinth folgt eine Auflösung: „In barocken Gärten gelangt man am Ende oft auf einen Hochpunkt, von dem man das Labyrinth von oben betrachten kann“, erinnert sich Dirk Jan Postel. „Das wollte ich hier auch umsetzen, indem die Besucher nach dem Durchschreiten der Skulptur eine – hinter einer Wandscheibe versteckte –Treppe entdecken. Geht man diese empor, landet man auf einer Galerie, von der der Blick über die Skulptur hinweg bis in die Landschaft schweift.“ Die Überraschung ist gelungen: Blickt man von der Galerie direkt nach oben, fällt der Blick in die Dachkonstruktion mit den vielen, schräg abgeschnittenen Röhren – die Konstruktion als „Licht-Skulptur“. Susanne Kreykenbohm, Hannover
Baudaten
Standort: Buurtweg 90,
2244 AG Wassenaar/NL
Typologie: Museum
Bauherr: Stichting Museum Voorlinden, Wassenaar, www.voorlinden.nl
Nutzer: Museum Voorlinden,
Wassenaar, www.voorlinden.nl
Architekt: Kraaijvanger Architects, Rotterdam, www.kraaijvanger.nl
Projektarchitekt: Dirk Jan Postel
Mitarbeiter (Team): Annemiek Bleumink, Hashmat Fagirzada, Rinske Wikkerink, Bart van der Werf, Laurence Meulman, Patrick Keijzer
Bauleitung: Caldic Collectie,
www.caldic.com
Generalunternehmer: Cordeel Nederland BV, Zwijndrecht, www.cordeel.nl
Bauzeit: 2013-2016
Fachplaner
Tragwerksplaner:
Pieters Bouwtechniek, Delft/NL
www.pietersbouwtechniek.nl
TGA-Planer: ARUP, Amsterdam,
www.arup.com
Fassadentechniker: TGM Technisch Gevelbouw Management BV, Asten/NL www.tgm.nl
Glasfronten und Glasdach:
AGC Glass Nederland BV, Tiel/NL
www.agcnederland.nl
Lichtplaner: ARUP, Amsterdam/NL
www.arup.com
Innenarchitekt (Bibliothek, Museumsladen): Andrea Milani, Siena/IT
www.studiomilani.eu
Landschaftsarchitekt (Landschaftspark): Niek Roozen bv landscape architects, Weesp/NL www.niekroozen.com
Gartenarchitekt (Museum): Piet Oudolf, Hummelo/NL www.oudolf.com
Energieplaner und -berater: ARUP, Amsterdam/NL www.arup.com
Brandschutzplaner:
ARUP, Amsterdam/NL www.arup.com
Künstler: Richard Serra, James Turrel, Leandro Erlich, Maurizio Cattelan,
George Korsmith
Projektdaten
Nutzfläche gesamt 6 023 m²
Brutto-Grundfläche: 6 917 m²
Brutto-Rauminhalt: 37 876 m³
Projektdaten Licht
Farbtemperaturen: 4 000 K
Lichtmanagement/Steuerungs-
system: DALI
Projektdaten Gebäudehülle
U-Wert Fassadenpaneel = 4,30 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 4,50 W/(m²K)
U-Wert Dach = 3,0 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,5 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 1,1 W/(m²K)
Hersteller
Lichtdach-Elemente:
VDL Industrial Modules BV, Helmond, www.vdlindustrialmodules.nl
LED-Beleuchtung Dach:
Proliad LED Lighting BV, Nieuwegein,
www.proliad.com
Velum-Paneele: Poly-Ned BV, Steenwijk, wwwpolyned.nl
Kunstlicht innen: Viabizzuno,
Antwerpen, www.viabizzuno.com
Naturstein: Arredo di Pietra s.r.l.,
Rapolano Terme, www.arredodipietra.it
Glas Swimming Pool:
Glasimpex Schiedam BV, Schiedam, www.glasimpex.nl
Schiebedach Skyspace:
Sunshine Nederland, Terborg,
www.sunshine-nederland.nl
Auszeichnungen:
Plan Award 2017, Kategorie Kultur und Glass Award 2016