Mächtig und durchaus sperrig
„Baden verboten“ steht auf einem Blechschild, das am Geländer eines Wasserbeckens hängt, genauer, am Beckenrand eines im Wasser stehenden Kernreaktors. „Baden verboten“, wer wollte dem schon zuwiderhandeln! Ganz anders die Diskussion über die Kernkraft insgesamt, die bis heute – trotz aller Erfahrungen und Erkenntnisse – noch immer eine nicht geringe Anzahl Befür-
worter hat, auch in diesem Land.
Das mächtig große, durchaus auch sperrige Format der Publikation scheint der Thematik kongenial angemessen, Kernkraft war und ist ein zentrales Thema der letzten Jahrzehnte und wird es zunächst auch bleiben. Was auch dem Klimawandel zu danken ist, den die Kernkraftlobby ebenso verschlafen hat, wie die Befürworter fossiler Energiequellen.
Damit kommt das Buch, das durchaus einen neutralen Standpunkt in der Diskussion einnehmen möchte – das aber nicht immer schafft – gerade zur rechten Zeit. Hier wird – neben dem nachhaltig beindruckenden, das ganze Buch durchlaufenden Bilderteil aus dem Inneren der Kraftwerke – insbesondere auch die Darstellung der geschichtlichen (internationalen wie dann deutschen) Entwicklung der zivilen Kernkraft dafür sorgen, dass wir das Thema wieder auf eine neutralere Ebene zurücksetzen könnten. Die Autoren beschreiben die kulturellen Aspekte der Kernkraft ebenso wie die politischen Hintergründe, erläutern die physikalischen Zusammenhänge laienverständlich und doch auf hohem Niveau.
Der Kraftwerksbau wird ebenso angeschaut wie der der so genannten „Endlager“. Wir sehen unterschiedliche Reaktortypen, Steuerzentralen und Schleusenanlagen und ja, auch Tschernobyl kommt in einer Art Exkurs vor, der Ort als Synonym für das Scheitern einer dann doch nicht beherrschbaren Technologie. Und irgendwo ein Karussell im stillgelegten Kühlturm und verbrauchte Schutzkleidung und Rost und das Blättern von Putz und Maschinen, Maschinen, Maschinen.
Die Perfektion der Fotografie, die nüchterne Sprache der Autoren, die Menge an verdaulicher Technikerläuterung und der perfekte Zeitpunkt der Veröffentlichung machen dieses Schwergewicht zur anempfohlenen Kopfkissenunterlage für alle Entscheider in der Energieversorgung. Für alle, die immer noch daran denken, dass „nach Corana“ wieder wie „vor Corona“ werden soll. Und nicht zuletzt für alle die, die Tschernobyl allein vom Hörensagen kennen oder im schlimmsten Fall: gar nicht. Und natürlich für jeden, der auf der Suche ist nach Lösungen für unseren wachsenden Energiehunger. Unbequem wird die Nacht, sperrig die Träume. Besser geht es nicht! Be. K.