Manifest einer Idee
Wissenschaftsakademie in San Francisco/USA

Die Wissenschaftsakademie in San Francisco von Renzo Piano ist derzeit das weltweit größte öffentliche Gebäude mit Leed Platinum Zertifikat (Gesamtpunktzahl von 54 ), ebenso wie das weltweit größte „grüne“ Museum.

Ökologie, Passivhausstandard und Nachhaltigkeit sind einige der gängigen Schlagworte, mit denen Architekten ihre Konzepte garnieren, um sie Entscheidungsträgern schmackhaft zu machen. Mit roten, blauen und grünen Pfeilen untermauert, bleiben diese Absichtserklärungen häufig nur Vision, da gerade bei Großprojekten verbindliche Vergleichswerte oft nicht vorliegen. Bei einem Einfamilienhaus in Passivhausstandard kann der Bewohner am Jahresende die Ersparnisse anhand der Abrechnungen belegen, bei größeren und institutionellen Gebäuden lässt sich ein Vergleich allerdings nur sehr schwer nachvollziehen. Gern verwendete Nenngrößen sind die Prozente, um die ein Gebäude weniger Verbrauch bzw. mehr Effizienz aufzuweisen hat, wobei gerade hier oft die Bezugsgrößen fragwürdig bleiben – denn z.?B. 20?% weniger von viel zu viel ist immer noch zu viel…

Die im Herbst eröffnete California Academy of Sciences in San Francisco ist ein Neubau, der durchgängig höchstes Lob wegen seiner Nachhaltigkeit und der grünen Aspekte erhält . Als Naturkundemuseum hat es sich die Institution gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts zur Aufgabe gemacht, nicht nur die Naturphänomene der Erde zu dokumentieren, sondern besonders den Einfluss des Menschen zu beleuchten und in Bezug auf ein ökologisches Bewusstsein zu unterrichten.

Die 1916 im Golden Gate Park errichtete California Academy of Sciences beinhaltet neben dem Naturkundemuseum auch ein Planetarium, ein Aquarium und Forschungseinrichtungen von Weltruf. Im Laufe der Jahre wuchs die Akademie zu einem Cluster aus zwölf Gebäudeteilen, die 1989 durch das Loma Pietra Erdbeben zum Teil stark geschädigt wurden. Der komplette Abriss im Jahre 2004 schuf die Basis für eine grundlegende Neukonzeptionierung. Von den sechs in die Auswahl gezogenen Architekten überzeugte eindeutig Renzo Piano die Jury. Er war der einzige, der ohne Entwurf und Idee nach San Francisco reiste – dafür aber ein paar Tage früher, um sich vom Genius Loci inspirieren zu lassen.

Auf dem Dach des Altbaus, den Golden Gate Park und die hügelige Topographie San Franciscos überblickend, kam ihm die Idee, „ein Stück des Parks auszuschneiden, anzuheben und das Museum darunterzuschieben“. Also nicht nur ein Museum im Park, sondern das Museum als Teil des Parks. Dieses Konzept überzeugte die Jury und lässt sich auch noch im vollendeten Bau klar ablesen, denn das prominenteste Detail ist das begrünte Dach, das die Topographie der Stadt zitiert. Ein einziges Dach, mit sieben Hügeln, unter denen die verschiedenen Abteilungen vereint sind, bepflanzt mit 1,7 Millionen heimischen Pflanzen.


Den Raum sinnvollst genutzt

Überzeugend ist, wie konsequent und sinnstiftend Piano dieses Bild bzw. das Konzept umgesetzt hat. Der Neubau besetzt in etwa die Grundfläche des Vorgängerclusters, bietet aber bei etwas geringerer Grundfläche mehr Nutzfläche, da Piano auf der Rückseite das Gelände abgegraben hat, um auch die Untergeschosse voll nutzbar zu machen und energiesparend natürlich zu belichten. Pianos Ziel, den Neubau in seiner Kontur am Altbau anzulehnen, also auch die Traufhöhe zu über­nehmen, ließ sich nur realisieren, indem das Planetarium und das viergeschossige Tropenhaus durch das Dach stoßen. Da beide in Kugeln unterbracht sind, das Planetarium ganz geschlossen, das Tropenhaus komplett in Glas ausgeführt, ergibt sich mit der Durchdringung des Daches auf ganz natürliche Weise die Hügellandschaft, die sich ideal als ikonographische Identität vermarkten lässt.

Das begrünte Dach, dessen Ökoschicht allein über 1?000 t Gewicht ergibt, wirkt äußerst filigran, da es in Form einer rundumlaufenden Pergola weit über die Gebäudekanten hinausreicht und somit als dünne Scheibe empfunden wird. Die auch im Inneren überall nachvollziehbaren Schwünge (Hügel) der Dachlandschaft stärken diesen Eindruck von Eleganz und beschwingter Leichtigkeit. Aber auch die Auskragungen des Daches aus Stahl und Glas sind alles andere als Formalismus: Um den angestrebten amerikanischen Ökostatus von LEED platinum (Leadership in Energy and Environmental Design) zu erlangen, muss ein Teil der benötigten Gebäudeenergiezufuhr vor Ort generiert werden. Da auf dem sensiblen Ökodach weder formal noch funktional Solareinrichtungen installiert werden konnten, bot sich die Pergolaverglasung an, die 60?000 Photovoltaikzellen formal ganz selbstverständlich zu integrieren: Neben den 213?000 kWh im Jahr, die etwa 5?% des Gebäudeenergiebedarfs (Achtung „Falle“: wie hoch der Energiebedarf wirklich ist, wird nicht genannt, insofern sind die 5?% nicht besonders aussagekräftig! Eine Volumenverkleinerung des Gebäudes um 5?% durch sparsamere und dennoch effizientere Flächenausnutzungen wäre sicherlich besser…) ausmachen, ist ein weiteres Plus der Beschattungseffekt, der die thermische Aufladung des Gebäudes verringert. Das Aufheizen wird auch ganz wesentlich durch die Dämm- und Speicherwirkung des Gründaches beeinflusst, das bis zu 97?% des Regenwassers speichert, das somit nicht ins örtliche Kanalsystem geleitet werden muss.


Fakten zur Nachhaltigkeit

Unter dem Dach schlagen als Ökoaspekte Baustahl, der zu 100?% recycled wurde, und Dämmschichten, die ausschließlich aus zerschred­derten Jeans bestehen, zu Buche. Der Beton, neben Stahl und Glas das dominierende Material für Wände und Böden, besteht zu 50?% aus Industrieabfällen (30?% Flugasche aus Kohlekraftwerken und 20?% Schlacke aus der Metallgewinnung). Über 90?% der dauergenutzten Bereiche sind mit Tageslicht versorgt und Photosensoren dimmen automatisch das Kunstlicht entsprechend der Tageslichtkonditionen herunter. Der Heiz- und Kühlbedarf soll durch die Fußbodenheizung und Betonwände (Speichermasse) sowie mannigfaltige Lüftungsflügel in den großen Glasfassaden und die automatisch gesteuerten Dachluken die Energieaufwendungen reduzieren. Durch die Dachluken über dem gläsernen Tropenhaus fällt Sonnenlicht bis tief ins Gebäude, wo sich im Untergeschoss das Aquarium befindet. Durch bis zu 43?cm dicke Acrylglasscheiben lässt sich das Unterwasserleben beobachten und gleichzeitig gelangt Tageslicht durch die Wassertanks, die mit über 30000 Lebewesen belebt sind, in das Untergeschoss.

Bei aller Nachhaltigkeit und dem Ökobewusstsein, die die California Academy of Sciences auszeichnen, liegt der Schwerpunkt auf dem Sendungsbewusstsein, denn alle Ökofaktoren sind Teil der Ausstellung und können somit einen viel größeren Wirkungskreis und Anwendung über die Besucher erreichen, als es die Akademie im Park selbst leisten kann. Architektonisch gesehen überzeugt der Neubau von Renzo Piano durch seine klare Struktur und eine erstklassige Orientierbarkeit. Die vier massiven Gebäudevolumina werden durch das grüne Dach vereint und sind über die lichten Zwischenzonen mit den Ausstellungsbereichen verbunden. Immer ist das Gebäude als Ganzes zu verstehen und Zusammenhänge erschließen sich von allein. Bei aller Klarheit wirken das Dach und die beiden Kugeln dynamisch und entsprechen dem Zeitgeist, aber völlig ungezwungen und selbstverständlich. Hier zeigt Piano sein meisterliches Können indem er Großartiges schafft, ohne sich selbst oder die Architektur in den Vordergrund zu stellen.

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