„Mauerwerk ist geeignet, die Ansprüche einer ästhetischen Nachhaltigkeit zu erfüllen“


Mauerwerk verschwindet zunehmend aus der modernen Architektur. Obwohl Deutschland auf eine lange Tradition im Mauerwerksbau zurückblicken kann und viele Eigenheimbesitzer sich ein Haus mit Mauerwerksfassade wünschen, ist dieses Material bei Architekten heute kaum noch zu finden. Oliver Kurz hat sich in seinem Entwurf für ein neues Museum in Frankfurt am Main dennoch für Mauerwerk entschieden, um eine Brücke zwischen Alt und Neu zu schlagen.

Aufgabenstellung war es, ein Museum auf dem Grundstück nahe der Alten Brücke in Frankfurt zu entwerfen. Erläutern Sie bitte Ihr Entwurfskonzept.

Das Museum der Weltkulturen liegt annähernd auf der Mittelachse der Alten Brücke und nicht weit entfernt von der Stelle, an der der alte Frankfurter Brückenturm früher stand. Die Brücke wies im Mittelalter hochragende Brückentürme an beiden Enden auf sowie Brücken­mühlen auf der Maininsel. Dieses Gebäudeensemble bildete in seiner Maßstäblichkeit und durch sein Material einen markanten Punkt in Frankfurts Stadtsilhouette. Der Entwurf soll eine Anlehnung an diesen historischen Brückenturm sein und somit auch die Bedeutung der Alten Brücke im Stadtbild wieder hervorheben. Der Baukörper nimmt die vorhandenen Fluchten der bestehenden Bebauung auf und verstärkt durch seine Abtreppung zum einen die Wirkung eines Turmes in der Mainuferansicht, zum anderen verzahnt er sich mit dem Hinterland. Der Besucher betritt bei der Reise in die fremden Kulturen einen Weg, der im Foyer beginnt und im Turm des Gebäudes mit der Aussicht über den Main seinen Abschluss findet. Die Sammlungen der einzelnen Kontinente fügen sich in die Grundrissstruktur des Gebäudes ein, welche aus geschlossenen Kuben und den daraus entstehenden Zwischenräumen mit gezielten Ausblicken auf die Stadt besteht.

Historische Bauwerke in Mauerwerk wurden meist in monolithischer Bauweise ausgeführt. Sie beziehen sich in Ihrem Entwurf auf das historische Material, haben sich aber für eine vorgehängte Fassade entschieden. Warum?

Die Anforderungen des Wärmeschutzes und der Wirtschaftlichkeit an die Gebäudehülle sind heutzutage durch eine monolithische Bauweise in Form einer tragenden, sichtbaren Mauerwerkswand kaum noch zu erfüllen. Die vorgehängte Fassade kann mit ihren differenzierten Materialschichten an die jeweiligen bauphysikalischen Außen- und Innenbedingungen, die bei einem Museum noch gravierender sind, angepasst und optimiert werden. Die Fassade meines Entwurfs besteht unter Berücksichtigung der Kosten infolge Herstellung und Material aus einer vorgehängten Verkleidung mit Natursteinen. Des Weiteren kann ich mit Hilfe der vorgehängten Fassade die gestalterischen Kompositionen meines Fassadenentwurfs und die konzeptionellen Details, wie z. B. die exakte horizontale Fugenausbildung, Ausbildung der Fensterumrahmung aus einem anderen Material und die Gebäudeecken, exakt umsetzen. Ein weiterer Punkt bei diesem gro­ßen Bauvolumen auf dem sehr kleinen Grundstück ist die Gewährleistung der statischen und bauphysikalischen Anforderungen unter Berücksichtigung einer größtmöglichen Gewinnung von Nutzfläche durch einen minimalen Wandaufbau.

 

Was könnte der Grund dafür sein, dass heutzutage kaum noch Entwürfe mit Mauerwerk zu sehen sind?

Eine stetige Weiterentwicklung von Bekanntem, wie auch die Erfindung von Neuem lassen die Fassade zu einem Bauteil werden, was die zeitgenössische Architektur derzeit auszeichnet. Neue Entwurfsmethoden am Computer und die Suche nach Ausdrucksmöglichkeiten zu neuen Oberflächen-Erscheinungsbildern suggerieren vielen Architekten, dass steinernes Material den modernen Bauaufgaben nicht gewachsen sei. Ein derzeitiger Trend in der Fassadengestaltung ist die Verwendung von meist unregelmäßigen oder chaotisch eingesetzten Netzen, Geflechten oder Gitterstrukturen in unterschiedlicher Größe und Form, aber auch die Verwendung von Kunststoffen. Vielleicht besteht gerade bei den meisten Architekten der Wunsch, sich durch Einsatz neuer Materialien und neuer technischer Möglichkeiten besser vermarkten zu können. Des Weiteren haben sich die Gebäude in ihrer Gestaltung und Komfort durch eine offene, fließende Raumauffassung verändert. Die modernen Bauten weisen mehr Transparenz und Helligkeit auf, so dass das Verhältnis von geschlossener Fläche zu Öffnungen für das Material Mauerwerk eher ungeeignet erscheint.

 

Glauben Sie, dass Mauerwerk in Zukunft immer mehr aus der Architektur verschwindet oder dass es eine Renaissance erfährt?

Die Akzeptanz von Mauerwerk ist immer wieder Schwankungen ausgesetzt. Die Gründe dafür liegen in technischen, kulturellen und politischen Entwicklungen. Architekten beschäftigen sich zunehmend mit Ästhetik und mit Oberflächen und degradieren sich selbst zum Desig­ner. Es gibt aber trotzdem viele Architekten, die die unmittelbare Beziehung zur Baustelle suchen und sich mit den konkreten materialen Problemen des Bauens beschäftigen. Die Wahl des Materials und die Art und Weise, wie es im Bauprozess zusammengefügt wird, ist dabei von entscheidender Bedeutung. Des Weiteren stellt man zunehmend fest, dass die meisten heutigen Bauwerke durch die Wahl der Materialien nicht altern können und meist schnell wieder abgerissen werden. Jedoch liegt ein elementares menschliches Bedürfnis in der Suche nach der Identität, die Authentizität eines Ortes, bei dem wir das Gefühl von Tradition und Heimatgefühl verspüren. Der Mauerwerkbau ist, wie wenige andere Bauweisen, geeignet, die Ansprüche einer ästhetischen Nachhaltigkeit zu erfüllen.

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