Mies van der Rohe Preis 2015 in Barcelona vergeben
miesarch.com, barozziveiga.com, arquitectura-g.com

„Der Architektursektor“, so schreibt es der Auslober des vielleicht renommiertesten euro-päischen Architekturpreises, dieser Sektor gehöre „zu den Grundpfeilern der Kreativ- und Kulturszene Europas.“ Und weiter: „Er beschäftigt mehr als eine halbe Million Menschen direkt und über 12 Millionen in der Baubranche. Architektur trägt als Teil des kulturellen und schaffenden Sektors mit 4,5 % zum BIP der Europäischen Union bei.“

Ganz schön viel, was Architektur da zu leis-ten hat! Ein wenig also ordnet sich der bürokratisch umständlich lang buchstabierte „Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur – Mies van der Rohe Award“ den Wirtschaftsministerien der Partnerländer unter. So wie beispielsweise alle zwei Jahre das sich eher Kulturprojekt gebende Schauspiel Deutscher Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig. Der MvdR Preis wird seit 1987 alle zwei Jahre verliehen und hat sich mit Shortlist und Finalistenliste mittlerweile ins professionelle Wettbewerbsmarketing emporgearbeitet; ganz nach dem Motto: die Spannung steigern!

Deutsche Finalisten

Tatsächlich war es in diesem Jahr besonders spannend, war in der Finalistengruppe mit den Stuttgartern LRO (lederer ragnarsdóttir oei) ein deutsches Büro ganz knapp vor dem Siegertreppchen (2003 gewann Jürgen Mayer H. mit dem Stadthaus Marktplatz, Ostfildern, den Emerging Architect Preis). Spannend war es nicht wegen der Nationalität und der damit verbundenen, leptonengroßen Aufwallung patriotischer Gefühle. Spannend war es, weil das finalisierte Gebäude ein Kunstmuseum im Passivhausstandard ist. Wäre es ausgezeichnet worden, wäre der MvdR Preis zu einem Statement geraten, das die Verwaltungseinheiten der Ministerien mit Blick auf die CO2-Ziele den Juroren sicherlich gerne in den Block diktiert hätten. Haben sie aber nicht, denn gewonnen hat ein Kulturbau. Jenseits aller Passivhausstandards.

Ausgezeichnet wurde die Stettiner Philharmonie von Barozzi/Veiga (Alberto Veiga und Fabrizio Barozzi) in Zusammenarbeit mit Studio A4. Der Emerging Architect Preis geht an das katalanische Studio ARQUITECTURA-G für das Luz Haus, ein Einfamilienhaus, das auf den Umbau einer bestehenden Struktur in dem spanischen Ort Cilleros zurückging.
Die beiden Preisträger wurden aus einer Lis-te von 420 Arbeiten aus 36 europäischen Ländern ausgewählt. Das Stettiner Projekt setzte sich in der Endrunde gegen das schon erwähnte Kunstmuseum Ravensburg durch, gegen das Dänische Maritime Museum in Helsingør von BIG – Bjarke Ingels Group, das Weingut Antinori in Bargino-San Casciano Val di Pesa, Florenz, von Archea Associati und das Saw Swee Hock Student Centre – London School of Economics in London von O’Donnell + Tuomey. Im Mies Pavillon wurden den Gewinnern die Preise in Höhe von 60 000 € (erster Preis) und 20 000 € (Emerging Architect) überreicht. Außerdem erhielten die Gewinner eine Skulptur des spanischen Künstlers Xavier Corberó, und die Finalisten und Bauherren wurden mit einer Medaille für ihren Einsatz für Architektur auf höchstem Qualitätsniveau auf europäischem Gebiet anerkannt.

Die Stettiner Philharmonie birgt eine Konzerthalle mit Raum für 1 000 Zuhörer, einen Kammermusiksaal für 200 Zuhörer, einen Multifunktionsraum für Ausstellungen und Vorträge sowie ein großzügig gestaltetes Foyer. In seiner körperhaften Präsenz und der deutlichen Abgrenzung vom Bestand wird das Gebäude als Solitär wahrgenommen. Das wird zudem unterstrichen, weil die transluzente Glasfassade bei Dämmerung das Gebäude von innen heraus strahlen lässt. Die wortwörtlich genommene Curtain Wall verhängt ein Inneres, das im starken Kontrast zur homogenen und sehr klaren Fassade steht. Wer die zurückhaltend gestalteten und in ihrer Funktion wie Präsenz klaren Foyers hinter sich gelassen hat, gelangt in einen großen Konzertsaal, dessen wie mit Gold getäfelten Akustikelemente auf den Wänden eine Pracht entfalten, die vielleicht typischer ist für diese Region, als das nüchtern Weiße der ganzen Saalfassung. Gestalterisch anspruchsvoll ist die Setzung der in solchen Bauten mittlerweile unvermeidbaren Wendeltreppe, die hier das Foyer vertikal aber auch in der Horizontale gliedert.

Das Luz Haus – benannt nach dem Bauherrn, aber nicht weniger auch nach der Aufgabe des Umbaus und dessen tageslichtbestimmten Ergebnisses – ist die Verwandlung eines bestehenden Einfamilienhauses. Dem Bauplatz geschuldet war es ursprünglich zu eng gebaut und darum im Inneren schattig. Die Architekten sanierten die Hülle und bildeten einen Innenhof, um den herum die neuen Räume in die Höhe gebaut wurden. Diese Bauweise ergibt optimale Querschnitte für eine der Region angemessene Klimatisierung. Die Verwendung lokaler Baustoffe war ebenfalls Thema der Planung. Be. K.

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