Mit Licht und Farbe planen
Barrierefreie Farbgestaltung für Demenzkranke und Senioren
Bei der Gestaltung einer Demenzstation ist es wichtig, diese unter milieutherapeutischen Ansätzen vorzunehmen. Milieutherapie ist der Sammelbegriff für therapeutische Verfahren, mit deren Hilfe der Patient durch Umgestaltung seines materiellen, sozialen und geistigen Umfeldes positiv beeinflusst werden soll – was soviel heißt, dass die Gestaltung auf die Patienten und deren Fähigkeiten erfolgen muss. Im Bestand ist mehr Kreativität als beim Neubau gefordert, da hier schon in der Planungsphase auf bestimmte Verhaltensmuster eingegangen werden kann. Beim Neubau sollte schon in der Planungsphase ein Farb- und Materialkonzept erarbeitet werden, das in die bauliche Lösung mit einfließt. Ziel ist ein in sich stimmiges Konzept für die Umsetzung.
Licht und Farben bilden eine Einheit
Ohne Licht ist auf der Erde wohl kein Leben möglich. Direkt oder indirekt sind alle Lebewesen von der Lichtenergie abhängig. Der Mensch ist auf farbiges Sehen ausgerichtet und der Hell-Dunkel-Rhythmus bestimmt sein Leben. Ohne Übertreibung kann man wohl sagen, dass ausnahmslos jeder Mensch von den Farben seiner Umgebung berührt und ebenso geformt wird. Schöne Farben und Lebenslust sind eins. Beide beflügeln unsere Gedanken und Gefühle, beide wecken Erinnerungen und Träume und wirken wie der Schlüssel zu unseren verborgenen Sehnsüchten.
Wenn wir von Farbe sprechen, meinen wir farbiges Licht. Wenn Licht auf irgendwelche Gegenstände auftrifft, werden die Lichtstrahlen unterschiedlich reflektiert und absorbiert. Die Dinge erscheinen farbig. Die Physik beschreibt Licht als elektromagnetische Schwingung: Jede Wellenlänge entspricht einer bestimmten Farbe, genau in der Anordnung
der Regenbogenfarben. Wellenlängen von 700 nm (Nanometer) sehen wir als Dunkelrot, Wellenlängen von 400 nm registriert das Auge als Dunkelviolett. Dazwischen liegt das schmale Lichtband von Farben, die wir optimal wahrnehmen können.
Die Wirkung von Farben
Bei Farben handelt es sich um eine im Auge durch Aufnahme bestimmter Wellenlängen oder Wellenlängengemische des Lichtes entstehende Empfindung. So lässt sich auch erklären, weshalb sogar schwerst Sehbehinderte Farben wahrnehmen. Das auf das Auge treffende Licht führt nicht nur zur Wahrnehmung von Licht, Form und Farbe. Es beeinflusst auch vielfache vegetativ gesteuerte Vorgänge im menschlichen Organismus.
Farben sprechen nicht nur den Gesichtssinn an, sondern auch andere Sinnesorgane, wie das Gehör, den Genuss, den Geruchs- und Geschmackssinn, das Temperaturempfinden und den Tastsinn. Sie wirken auch unterschiedlich auf unser Erinnerungsvermögen und sorgen für Orientierung. Nur wer sich dieser Eigenschaften bewusst ist, kann bei der Raumgestaltung für kranke und ältere Menschen angemessen reagieren und die richtigen lichttechnischen Maßnahmen bei der Planung von Einrichtungen treffen.
Sehleistungen im Alter und bei Demenz
Ältere Menschen benötigen auf Grund der natürlichen Verkleinerung ihrer Pupille eine wesentlich höhere Beleuchtungsstärke als junge Menschen. Schon ab einem Alter von 40 Jahren verringert sich der Pupillendurchmesser und die Lichtdurchlässigkeit der Augenlinse, sodass weniger Licht ins Auge fallen kann. Die Reduktion der Lichtdurchlässigkeit betrifft vor allem den blauen Spektralbereich, so dass die Farbwahrnehmung eingeschränkt ist. Die Trübung der Linse führt zur Streuung des Lichts und damit zu einer Reduzierung der Sehschärfe und der Kontrastempfindlichkeit sowie zu einer erhöhten Blendempfindlichkeit. Die Pupille verliert außerdem an Elastizität und braucht deshalb länger, um sich an eine neue Lichtsituation anzupassen. Bei Alzheimer-Demenz-Erkrankten besteht eine noch geringere Sensibilität beim Erkennen von Farbkontrasten. Große Defizite bestehen bei dem Wahrnehmen von Kontrasten, Farbsehen und Tiefenwahrnehmung. Bei der Gesichtsfeldeinengung ist die Ursache eine Erstarrung der Augenbewegung durch die eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, somit unterbleiben korrigierende Kopfbewegungen.
Was verändert sich außer der Sehleistung bei einer Alzheimer-Demenz noch?
Die Alzheimer–Erkrankung ist mit etwa 60% die am häufigsten auftretende Form der Demenz. Demenzkranke haben eine Störung von Gedächtnisinformationen sowie kognitive Einbußen und Verhaltensdefizite. Durch den Verlust des Kurzzeitgedächtnisses können keine komplexen Handlungen erfasst werden und es fehlt die Zuordnung von Raum und Zeit. Im Verlauf der Demenz funktioniert das Langzeitgedächtnis im Allgemeinen noch sehr lange, was bei der Gestaltung Berücksichtigung finden sollte.
Räume für Demenz-Erkrankte gestalten
Zur Therapieunterstützung sollten Räume für Demenz-Erkrankte warm und hell gestaltet werden, wobei Bodenbeläge in warmen, dunkleren Farbtönen zum Beispiel Trittfestigkeit symbolisieren können. Auf jeden Fall verbessern aber warme Farben das subjektive Kälteempfinden der Patienten. Sehr zu empfehlen sind auch Naturmaterialen, da sie Wärme ausstrahlen. Auch Linoleum im Holzdekor ist ein geeigneter Bodenbelag, ebenso wie andere erdfarbene Bodenbeläge. Auf keinen Fall sollte ein Bodenbelag in Blau verwendet werden, weil diese Farbe mit einer Wasseroberfläche in Verbindung gebracht wird. Schwarz oder Dunkelgrau lösen Ängste vor unbekannten Tiefen und Abgründen aus. Diese Farben sollten also nur als Stopper Anwendung finden. Schwarz lasst sich zum Beispiel gut im Bodenbereich als „Weglaufsperre“ einsetzen. Der Streifen muss aber mindestens 80 cm breit sein, um ein Überschreiten zu verhindern, bei dem die Patienten stürzen könnten. Klinisches Weiß erinnert die Bewohner an Krankenhaus und kann damit verbundene Ängste auslösen.
Es gibt kein Patentrezept
Jede Gestaltung der Räume muss aber individuell erfolgen, da viele Faktoren, wie Raumgröße, natürliche Belichtung, Lichteinfall eine große Rolle spielen. Es gibt kein Patentrezept. Dennoch sollten gewisse Grundregeln beachtet werden, um den Betroffenen das Leben in der Umgebung so harmonisch wie möglich zu gestalten. Durch die richtige Auswahl und Gestaltung des Bodenbelags kann eine bessere Orientierung geschaffen werden. Räume, die nicht betreten werden sollen, können durch eine entsprechende Farbauswahl abgegrenzt werden. Großformatige Muster sollte man vermeiden, da sie eher für Verwirrungen sorgen. Jedes Zimmer sollte eine andere Wandfarbe bekommen, um die Orientierung zu erleichtern. Fenster sollten auf Kippstellung fixiert werden können, da auf Grund des Weglaufdrangs auch das Fliehen aus dem Fenster nicht ausgeschlossen werden kann. Auf Spiegel sollte verzichtet werden. Da das eigene Ich nicht mehr erkannt wird, können spiegelnde Oberfächen Ängste auslösen.
Maßnahmen für die Orientierung
Die Türen der Räume für Demenz-Erkrankte sollten mit deutlich erkennbaren Symbolen gekennzeichnet werden. Hier kann sehr hilfreich sein, wenn vorher Biografiearbeit geleistet wurde. So können Türbeschilderun-gen mit einem zusätzlichen Lieblingsfoto gestaltet werden. Ersatzweise kann man sich behelfen mit Blumen- oder Obst-Motiven, die sich für die Orientierung besser einprägen als eine Türnummer oder der eigene Name. Fluchttüren, die Demenzkranke nicht benutzen sollen, müssen „unsichtbar“ gemacht und entsprechend kaschiert werden.
Im Flur sorgen Bilder für eine gute Orientierung, besonders wenn diese Erinnerungen wach werden lassen und Neugierde auf den Raum wecken - möglichst jedoch ohne Glasrahmen, da Glas reflektiert und blendet. Geeignete Motive kommen aus der Natur, da hier der Wiedererkennungswert für viele Patienten sehr hoch ist. Die Farben sollten je nach Einrichtung Kontraste bilden, damit Ecken und Kanten gut erkannt werden. Auf eine gute blend- und schattenfreie Ausleuchtung ist zu achten.
Gut ist ein Handlauf mit taktiler Unterstützung, der den Tastsinn aktiviert. Auch eignen sich Bilder aus verschiedenen Materialien, wie z.B. Kork, Moos, die den Tastsinn mobilisieren. Düfte von Kräutern oder Blu-men unterstützen den Geruchsinn.
Pflanzen im Raum sorgen für eine gute Lebensqualität und wirken nicht nur auf die Raumluft reinigend, sondern auch beruhigend (mit Ausnahme von Kakteen und Giftpflanzen). Bei Demenzeinrichtungen im Krankenhaus sind Pflanzen im Topf nicht möglich, hier können aber Schnittblumen den Patienten den jahreszeitlichen Bezug ins Gedächtnis bringen und mit einem frischen farbigen Akzent für eine Wohlfühlatmosphäre sorgen.
Im Sanitärbereich sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass sich die Sanitärobjekte von Wand und Boden abheben, also keine weiße Keramik und WC-Brille auf weißen Fliesen. So werden Stürze vermieden. Wegen des Blendeffekts sollte auf jede Form von Metallic-Ausstattung verzichtet werden.
Allgemeine Gestaltungshinweise
Licht
Die Allgemeinbeleuchtung muss blendfrei und ausreichend hell sein (gemäß Richtlinie VDI-6008). Generell ist eine gute Ausleuchtung von großer Wichtigkeit, da nachgewiesen werden konnte, dass Demenz-Erkrankte bei 1000 lx signikant weniger an Depressionen leiden und zudem die Gabe von Psychopharmaka herabgesetzt werden konnte. Die Empfehlung von mindestens 500 lx auf Augenhöhe ist ein guter Anhaltswert für die meisten Räumlichkeiten.
Für die wahrgenommene Helligkeit (Leuchtdichte) ist aber nicht nur die Beleuchtungsstärke ausschlaggebend, sondern auch der Reflexionsgrad der Fläche (Helligkeit, Farbe, Struktur), auf die das Licht trifft. Auf den Tagesablauf kann sich auch farbiges Licht sehr positiv auswirken. Ein Blauanteil am Morgen steht für den Tagesbeginn, zum Abend hin wird durch einen langsam erhöhten Rotanteil die langsam beginnende Nachtruhe wahrgenommen. Auf diese Weise lässt sich für die Patienten der Tag-Nacht-Rhythmus besser bestimmen, eine mögliche Nachtaktivität wird eingeschränkt.
Fazit
Die Gestaltung von Einrichtungen für De-
menz-Erkrankte darf nicht unter dem Motto „Viel hilft viel“ erfolgen. Ein Zuviel des Guten führt zu Irritationen und Überforderung und löst außerdem Ängste aus. Monotone, sterile und kalt wirkende Räume rufen Unbehagen hervor. Gerade Demenz-Patienten sind für die emotionale Ausstrahlung, die ein Raum durch Farbe bekommt, besonders empfänglich.