Monolith in Dämmbeton
Konzerthaus Blaibach, Blaibach

Eine neue Mitte soll Blaibach im Bayrischen Wald vor dem Verschwinden retten. Kern dieser Mitte ist das Konzerthaus, das nicht bloß mit seiner Setzung und überdurchschnittlichen Akustik sondern auch mit seinem Dämmbeton bauphysikalisch neue Maßstäbe setzt.

Die Projektgeburt; eine kleine Geschichte

Manchmal kann man gar nichts dafür. Dann ist man einfach bekannt – von „berühmt“ soll hier nicht gesprochen werden. Mit „Birg mich, Cilli“ hatte der in München arbeitende Architekt eine Erfolgsgeschichte realisiert, die selbst nach Abschluss der Arbeiten nicht absehbar war. Doch wie bei vielen anderen dieser kleinen feinen Projekte, so hatte auch der Umbau des Wohnhauses der alten Cilli im Bayrischen Wald das Interesse der Medien geweckt. Und die haben einen nach solchen Architekturen hungernden Markt gerne bedient. Es regnete Preise.

Die Rettung des beinahe baufälligen Hauses durch ein Betonkorsett, das von innen, also direkt auf den maroden Wandflächen, Böden und Decken arbeitet, hat die Denkmalbehörden auf den aus dem Bayrischen Wald stammenden Peter Haimerl aufmerksam werden lassen. In deren Auftrag suchte und fand er weitere Projekte, die zu retten wären. Denn dass in dieser Region der Abwanderung eine Bewahrung der Siedlungen vor ihrem Ausbluten Not tut, ist dem immer noch mit der Heimat verbundenen Architekten ein Anliegen. Dabei hat es ihm der Dämmbeton mit Glasschaumschotter angetan. Einmal, weil er damit „lässig“ sein kann, wie er im DBZ-Interview in der Oktoberausgabe 2014 anmerkte, und dann, weil dieser Beton die aus seiner Sicht völlig unnötige Komplexität der Schichtungen in der Konstruktion vermeiden hilft.

In Blaibach, einem 2000-Seelen-Ort mitten im Bayrischen Wald fand er interessante Objekte, gleichzeitig erfuhr er von einem Programm des Landes („Ort schafft Mitte“), das seine Idee sinnvoll ergänzt. Er schlug der Gemeinde eine Bewerbung vor, mit deren Projektierung sie sich dem zusehenden Verfall ihrer historischen Mitte entziehen sollten. Gleichzeitig bat er darum, dass bei Erfolg er die Ausführung übernehmen würde.

Die Bewerbung war erfolgreich, das Projekt startete mit dem Bau des Bürgerhauses, mit der baulichen Rettung des Schurmannhauses/Torhaus gegenüber, mit dem Abriss des Bäckerhauses und der damit verbundenen Durchlüftung des kleinen Ortskerns und gleichzeitig mit der Planung eines Konzerthauses, für dessen Realisierung und Finanzierung sich der deutsche Bariton und ebenfalls Bayrischwäldner, Thomas Bauer, stark gemacht hatte.

Konzerthaus als gekippte Schuhschachtel

Ende letzten Jahres wurde das Konzerthaus mit Händels Schöpfung feierlich eröffnet. Mitten im Bayrischen Wald. Platz für rund 200 ZuhörerInnen bietet das ansteigende Parkett, 60 MusikerInnen haben auf der mit Holzdielen belegten, flachen Bühne Platz. Umfasst wird der Konzertsaal von Nebenräumen, einem Foyer, Garderobe etc.

Aus Architektensicht und wegen des engen Budgetrahmens kam als Form nur die Schuhschachtel infrage, das Material sollte Beton sein, Dämmbeton. Die Schachtel wurde in das Gefälle der Topografie eingegraben. Das ergab nicht nur höhere Räume innen sowie mehr Platz oben (Nebenräume komplett unter dem kleinen Platz), sondern auch einen zweiten Eingang unten, der den barrierefreien Zugang zum Konzertsaal möglich macht.

Granitfassade

Weil es ohnehin nicht einfach war, das Konzerthaus im Ort zu platzieren – trotz des allgemein akzeptierten neuen Gemeindehauses aus Dämmbeton – und weil das Steinhauerhandwerk in Blaibach und Umgebung lange Tradition hat, wurde die Ortbetonkiste des Konzertsaals mit Fassadenelementen verhängt, die mit grob behauenen Granitsteinen belegt sind. Diese wurden im Schalungsrahmen auf eine Sandschicht gelegt, darauf kam die Bewehrung und das Tragesystem. Alles wurde mit Beton vergossen. Das Tragesystem wurde mit Hilfe einer österreichischen Firma entwickelt: Gföllner Fahrzeugbau und Containertechnik. Diese Spezialisten für große und schwere Formate, mit denen der Architekt schon einige Male zusammengearbeitet hat, konstruierten neben dem Tragesystem der Tafeln auch eine Aufstellhilfe, ohne die die auf dem Boden liegenden, tonnenschweren, groß­formatigen Stein-/Betonelemente nicht hätten angehoben und per Schwerlastkran auf die Betonkonstruktion des Saals gehängt werden können. Die extrem schweren Tafeln hängen wenige Millimeter frei vor der Wand und liegen nur an wenigen definierten Punkten auf.

Ortbeton, Spezifika

Der Konzertsaal und seine Umräume selbst wurden mit Ortbeton gefertigt. Für den Architekten, der hier schon in vielen anderen Projekten Erfahrungen hat sammeln können, kam nur ein Dämmbeton  infrage. Der Glasschotterbeton mit einer Druckfestigkeitsklasse LC 8/9 und einer Körnung von 0/16 wurde in Blaibach weltweit wohl erstmals angewandt. Das Material, das zum Betonieren von Decken und Wänden (Blaibach) ansonsten gerne auch für Hinterfüllungen, Fertigteile, landwirtschaftliche oder industrielle Gebäude genutzt wird, ist ein Gemisch aus hydraulischem Bindemittel, mineralischen Leichtzuschlägen (Glasschaumschotter), weiteren Zusatzmitteln und Wasser. Durch die Glaseinschlüsse (recyceltes Glas aus der Region) hat der Beton eine bessere Dämmwirkung. Die porige Struktur verleiht ihm ein geringeres Eigengewicht. Dabei ist er gut pumpbar, nicht brennbar und nimmt, erstmal getrocknet, kaum Feuchtigkeit auf. Der Lambda-Wert liegt bei 0,26 W/mK, die Trockenrohdichte variiert von 800 bis 2 000 kg/m³ (im Vergleich: Stahlbeton mit einer Rohdichte von 2 400 kg/m³ hat einen zehnfach höheren Lambda-Wert). Die Schwankungsbreite in der Rohdichte resultiert aus der filigranen, mehrfach verformten Schalung, die eine gleichmäßige Verdichtung des eingefüllten Betons nicht immer zu gewährleisten vermag.

Die Vorteile des Glasschaumschotterbetons liegen in den guten Lambda-Werten, die ab Wandstärken von 40 und mehr cm eine Dämmung bei solcherart temporär genutzter Bauten mit viel Publikumsverkehr überflüssig macht. Der Beton ermöglicht die Herstellung eines monolitischen Baukörpers mit beidseitiger Sichtbetonfläche. Die Probleme beim Einbau sind Wärmestau im frisch eingebrachten Beton, und das Ausschalen filigraner Wandelemente (wie im Konzerthaus) birgt Abbruchrisiken. Generell besteht die Gefahr des Entmischens des Betons beim Einbau, was erfahrene Betonbauer aber durch eine stabile Mischung und häufigeres Verdichten weitgehend kontrollieren können.

In Blaibach war das allerdings nicht immer gelungen, der Betonbauer wollte nachbessern, insbesondere die zahlreichen Nester nachträglich schließen. Dem Architekten aber kam die Optik sehr entgegen und schließlich musste der Akustiker den kleinen Streit schlichten: Die Nester wären hervorragende Absorber in den mittleren Höhen. Damit mussten sie bleiben.

Schalung

Alle Überlegungen zu Monolithik und Materialästhetik wären für die Katz gewesen, hätte man die Schuhschachtel als rektanguläres Gebilde mit ebenen Wandflächen ausgeführt. Akustische Erfordernisse verlangten nach einer Modulierung der Flächen, die nicht durch akustisch wirksame Verkleidungen verdeckt werden sollten. Die Flächenformen wurden gefunden, allerdings war die Problemlösung dann auch die Schaffung eines neuen Problems: Wie bekomme ich für die gewählte Freiform eine Schalung hin, die noch bezahlbar bleibt? „Wenn er [Peter Haimerl, Be. K.] Probleme hat, klopft er bei uns an“, so einer der geschäftsführenden Inhaber von Gföllner, Fahrzeugbau und Containertechnik, Karl Pühretmair am Telefon. Die Österreicher, die eigentlich im Fahrzeugbau unterwegs sind, hatten schnell erkannt, dass bei einem solchen Projekt mit einem extrem knappen Budget nicht mit klassischer Schalungstechnik gearbeitet werden konnte, sondern nur mit Ableitungskonzepten, wie diese im Maschinenbau angewendet werden.

So hat man zunächst die Grundstruktur des Schalungssystems durch eine großräumige Rahmenschalung gebildet, die zwischen 1,1 m und1,2 m tief war. An der Innenseite der Rahmenschalung wurde die Innenschalung befestigt. Nach diversen Einlegearbeiten und dem Anbringen der Bewährung wurde die Außenschale der Rahmenschalung angebracht. Die hierfür erforderlichen Löcher für die Zuganker müssen auch in der Innenschalung vorhanden sein. Anschließend wurde in Lagen bis zu drei Meter die Schalung mit Glasschaumbeton befüllt.

Rund 3 000 Schalungselemente generierte Gföllner aus einem 3D-Modell. Die Plattendaten wurden an eine CNC-Fräse übergeben, die die Einzelteile milimetergenau ausschnitt. Durchnummeriert wurden die Teile zu größeren Stücken zusammengefügt, die dann auf der Baustelle montiert werden konnten. Mit erfahrenen Baufirmen, so Peter Haimerl, könne man soetwas nicht machen. Die dort vorhandene Routine hätte ein solches Ergebnis nicht zugelassen.

Der Konzertsaal ist eingeweiht. Er und das neue Bürgerhaus sowie weitere umliegende Bauten, die aktuell umgebaut werden, könnten die neue Mitte Blaibachs werden. Und die 2000-Seelen-Gemeinde daran hindern, über die Jahre weiter an baulicher Substanz und Menschen zu verlieren. Be. K.

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