Pergamonmuseum. Ein Baubericht

Das Pergamonmuseum, Herzstück der als Weltkulturerbe geschützten Berliner Museumsinsel, wurde zwischen 1910 und 1930 durch Ludwig Hoffmann nach den Entwürfen von Alfred Messel errichtet. Der die Antikenarchitektur zitierende Dreiflügel war Ersatzbau für einen kleineren aus den Jahren 1901 bis 1909, der auf Grund ungenügender Fundamentierungen abgerissen werden musste. Heute beherbergt das Museum die Antikensammlung mit unter anderem den zwischen 1878 und 1886 geborgenen Friesplatten des Pergamonaltars, das Vorderasiatische Museum und das Museum für Islamische Kunst. Das Museum ist vor allem durch die Rekonstruktionen archäologischer Bauensembles – Pergamonaltar, Markttor von Milet und Ischtar-
Tor mit Prozessionsstraße von Babylon und Mschatta-Fassade – der Anziehungspunkt für internationales Publikum. So wurden in den letzten Jahren allein für diesen Teil der Ausstellungslandschaft mit insgesamt fünf Häusern 1,4 Mio. Besucher gezählt.

Die Zunahme von Reparaturarbeiten, eine unzulängliche Technik (Brandschutz, Klima etc.), aber auch Beleuchtung, Multimedia, zu kleine und nicht immer barrierearme Flächen für die rasant gestiegenen Besucherzahlen und natürlich die Bauarbeiten auf der Museumsinsel insgesamt (Bodemuseum, Neues Museum, James-Simon-Galerie) erforderten umfangreiche Baumaßnahmen, die im Jahr 2000 über einen Wettbewerb vergeben wurden. Sie umfassten nach dem Gewinnerentwurf Oswalt Mathias Ungers die Grundinstandsetzung des Museumsbaus und seine Ergänzung um einen neuen vierten Flügel, einen neuen Eingang als sogenanntes Tempietto sowie eine unterirdische Archäologische Promenade. Diese hatte Ungers – gedanklich – bereits für Köln entwickelt. Nach seinem Tod 2007 wird die Planung durch die „Werkgemeinschaft Pergamonmuseum“ fortgeführt. Sie besteht aus den Büros Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten mbH, Prof. Walter A. Noebel († 2012) und BAL Bauplanungs und Steuerungs GmbH.

Etwa 260 Mio. € waren damals noch für Sanierung, Ertüchtigung und Neubau geplant, heute rechnet man mit 477 Mio. € allein für den Bauabschnitt A, der den gesamten Nordflügel, den Mittelbau mit dem Pergamonsaal und dem Hellenistischen Saal sowie den Neubau des Tempiettos umfasst. Der Betrag umfasst auch eine „Risikovorsorge“ als ein Instrument, das im Sinne des „Reformprogramms Bundesbau“ dazu dienen soll, bei Großprojekten Risiken für den weiteren Bauverlauf zu bewerten und als Risikovorsorge zu veranschlagen. Für den Bauabschnitt A werden ca. 45 Mio. € veranschlagt.

In der Vergangenheit waren der schwierige Baugrund (erforderte 730 Mikropfähle in Tiefen zwischen 10 und 30 m), zwei komplett im Baugrund verbliebene Pumpenhäuser aus der Errichtungszeit sowie eine mangelbehaftete beziehungsweise fehlende Ausführungsplanung für die Gewerke der technischen Gebäudeausrüstung Gründe für die steigenden Kosten. Aber auch die komplizierte Gemengelage auf der Material- und teils abenteuerlichen Konstruktionsseite, das Fehlen jeglicher Regeldetails und auch das Arbeiten bei laufendem Museumsbetrieb waren Zeitfresser und damit Kostentreiber. Hinzu kam, dass man den Aufwand unterschätzt hatte, die Sanierung und den Umbau neben, mit und über den empfindlichen Kunst- und Kulturobjekten vollziehen zu müssen. So wird, trotz einer besonders vorsichtigen (und langsamen) Arbeitsweise unter Einhaltung sehr niedriger Erschütterungs- und Setzungsgrenzwerte, das Baugeschehen aufwändig durch ein Monitoringsystem begleitet. Das ermittelt Setzungen, Verformungen und Erschütterungen teils in Echtzeit. Bei Erreichen von Grenzwerten muss gegebenenfalls auch die Bautechnologie angepasst werden. Die Überschreitung eines Grenzwertes bedeutet: sofortiger Stopp der Bauarbeiten, Klärung der Ursachen und im Zweifelsfall Umplanung der Arbeitsabläufe.

Fertig werden sollen die Arbeiten des 1. BA 2023, also zwei Jahre nach dem ursprünglich anvisierten Termin. Ob dann noch Geld und Geduld und politischer Wille da ist, den 2. BA zu realisieren, kann heute keiner sagen. Die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, hatte schon mal den Verzicht auf den Bau des vierten Flügels ins Gespräch gebracht, der den zum Spreekanal hin offenen Hof geschlossen und erst einen echten Rundgang durch die Sammlungen ermöglicht hätte. Überraschend: Angesichts der teils heftig geführten öffentlichen Debatten über die Ursachen der Kostenexplosion setzt sich das Bundesbauministerium ab sofort dafür ein, „dass die allgemeinen Baukostensteigerungen bei künftigen Bauprojekten von Anfang an realistisch im Haushalt dargestellt werden dürfen“. „Dürfen“, was wohl so viel heißt wie: Wir durften ja nie die wirklichen Zahlen nennen! Aber vielleicht war das auch nur ein freud‘scher Verschreiber und eigentlich sollte dort „müssen“ stehen. Be. K.

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