Perspektivenreise
Die Perspektive, eine Erfindung der Renaissance, hat als Paradigma, ja als Denkmodell viele (die meisten?) unserer Sichtweisen auf die gegenständliche Welt beeinflusst. Der Autor versucht deshalb nicht bloß, die Geschichte der Perspektivenentwicklung nachzuzeichnen (allerdings nicht eine lineare, sondern eine „Folge von Perspektiv-Geschichten“), sondern er entwickelt selbst ein Modell für eine mögliche zukünftige Theorie und Praxis der Kunstgeschichte. Mit Bezügen auf Erwin Panofskys Werk (Die Perspektive als „symbolische Form“) und Lacans psychoanalytischem Strukturalismus, in detaillierten Analysen etwa der drei „Idealstädte“, geht Hubert Damisch der Frage nach, welches in der „geometrisch“ genannten Perspektive, entstanden im Italien des 14. Jahrhunderts, der Ort des Subjekts ist und inwiefern sich in der Perspektivenarbeit des Brunelleschi die heutige Auffassung der Wahrnehmung von Welt konstituiert.
In vielen Teilen seiner umfassenden, philosophischen Arbeit sind die Gedankenstränge nachvollziehbar, werden neue Zusammenhänge sichtbar. Doch mit Blick auf eine mögliche Entwicklung einer veränderten Praxis und Theorie der Kunstgeschichte – hier speziell fokussiert auf Darstellungsmethoden in der Malerei – geht der Autor vielleicht zusehr allein von seiner Reflexion auf die Zentralperspektive aus, die mit der Entwicklung der Malerei schnell ihre Geschwister neben sich versammelte (Fluchtpunktefamilien etc.). Doch selbst wenn hier keine Revolution stattgefunden hat: Leseerfahrung, Auffrischung von längst nur noch Halbgewusstem und das Entdecken von neuen Sichtweisen auf alte Bestände macht die hervorragend produzierte Publikation zu einer (wenigstens) lohnenden Urlaubslektüre; vielleicht in Urbino?! Be. K