Peter Zumthor erhielt in Münster den Großen BDA-Preis 2017
Die Namensliste derjenigen, die seit 1964 den Großen BDA-Preis erhalten haben, ist beeindruckend konsequent gefüllt. So hat von den bisher 16 Ausgezeichneten allein eine einzige Frau (posthum) den Preis erhalten, Margot Schürmann mit ihrem Mann Joachim. Dann wundert man sich über die Konzentration der Preiswürdigen auf (West-) Deutschland. Steht nicht in der Auslobung etwas von „an einen einzelnen Architekten oder Städtebauer oder auch an eine auf diesem Gebiet tätige Gruppe des In- und Auslandes“?
2011 erhielt Volker Staab den Preis, 2014 konnte sein Neubau des Landesmuseums in Münster eröffnet werden. Hier wurde dann am
2. Juli 2017 einem ausländischen Architekten der Große BDA-Preis verliehen: an Peter Zumthor. Er ist der erste Preisträger, der keinen „Professor“ vor dem Namen trägt, dafür ein ganz anderes „P“. Aber dazu gleich. Mit Peter Zumthor holt sich der Bund Deutscher Architekten einen Mann ins Haus, der zu den Top Fünf-Architekten der Welt gehört. Damit ist die Auszeichnung auch eine für den Architektenbund, der 1964 Prof. Hans Scharoun, 1966 Prof. Ludwig Mies van der Rohe, 1968 Prof. Egon Eiermann, 1972 Prof. Günter Behnisch + Partner oder 1987 Prof. Oswald Mathias Ungers ehrte, deren Namensglanz teils schon historische Patina hat; die Bauten von Eiermann oder Ungers sind den heute Studierenden oft nicht mehr bekannt.
Nun also Weltstar Zumthor, der sich, entgegen mancher Klischees, am Abend der Verleihung sehr umgänglich gab − und gut aufgelegt war, trotz zweier Patzer seines Laudators, Prof. Dr. Werner Oechslin.
Zumthor, der Prophet
Oechslin war am Vormittag im Dom gegenüber gewesen und hatte dort die bärtigen Schnitzfiguren bestaunt: „Ich hatte immer Peter Zumthor vor Augen, obwohl sein Bart heute, wie ich sehe, viel kürzer ist. Aber natürlich gehört er in die Kategorie der Apostel, der Propheten“ (Applaus). Da war es, das andere „P“, das nicht den Professor, sondern den Hellsichtigen meint, der uns den richtigen Weg weist. Oechslins Laudatio – ein „Zerreden“, wie er selbst sagte – war gespickt mit Vitruv und Palladio, aber auch mit Goethe und Herder, Winkelmann und Lessing. Er nannte Zumthor („meinen Landsmann“) einen „Schreinersohn“, der von Anfang an für „diese Dinge“ geboren war. Zumthor ist ihm das Gesamtkunstwerk Architekt, das durch einen starken Charakter geprägt sei. Und der ist ihm reine „Sturheit“ …, was er schnell mit „Standfestigkeit“ zu mildern versuchte. Er sah bei Zumthor die selten gewordene Einheit von Denken und Machen und schien damit den intuitiv handelnden Baumeister zu meinen.
„Zumthor schreibt kaum. Zum Glück!“
Neben der falschen Verortung Peter Zumthors im Graubündner Land – der Architekt ist Basler – kam dann noch ein Satz, der den Preisträger offensichtlich traf: „Er schreibt kaum. Zum Glück!“ Natürlich meinte Oechslin hier nicht, dass der Prophet des Schreibens nicht mächtig sei, eher deutete er diese spezielle Art der Legasthenie als einen Akt der Verweigerung. So wie es Goethe auf einer Italienreise einmal formulierte angesichts der Bauten Palladios: „Weg mit den Büchern! Ich will die Sachen mit eigenen Augen anschauen!“ Oechslin baut damit weiter am „Mythos Zumthor“, den dieser seit einigen Jahren selbst brechen möchte. Und das in bester Vitruv-Manier, wie Oechslin später noch nachschob: Ein „großer Architekt [...] darf nicht arrogant sein. Letztlich muss er umgänglich und treu sein. Das alles ist Teil des Ethos des Architekten. Wenn man von Peter Zumthor spricht, muss man über seinen Charakter sprechen. Das Werk kommt dann wie selbstverständlich hinein.“
Mich freut, dass Ihr an mich denkt!
In seiner knappen Erwiderung wunderte sich der Preisträger kurz, dass der, „der die größte Bibliothek in der Zentralschweiz besitzt, meine Bücher nicht kennt!“ Er wolle sie ihm schicken. Und dann irgendwann erzählte er von seinem Besuch der SkulpturenProjekte 1987 in Münster, wo er mit seiner Frau und den Kollegen mit dem Fahrrad durch die Stadt gefahren war: „Das war phantastisch! Da waren all die Dinge da! Es gab Raumgreifendes, es gab Installationen, die sich mit emotionalen Vorgängen beschäftigt haben, so die Arbeit von Rebecca Horn in diesem Turm [„Das gegenläufige Konzert“, im Zwinger; Be. K.]. Seit dem suche ich meine Anregungen als Architekt anderswo. Nicht mehr so in der Kunst. Auch von der Kunstbiennale in Venedig [...] kam ich nicht so nach Hause, wie damals, als ich von Münster sofort heim wollte in einem Hochgefühl und ich wollte gleich meine ganze Architektur neu machen.
Heute morgen habe ich den Katalog der aktuellen Ausstellung erhalten und ihn durchgeblättert und mir gedacht: Das ist doch verdammt interessant! Also da ist eine Welt, die mich interessiert. Und ein bisschen spüre ich in mir das Feuer, das ich vor 30 Jahren spürte! Was mir besonders an dieser Ausstellung hier in Münster gefällt, ist, dass die Arbeiten mit dem Raum arbeiten. Das ist der große Unterschied zu den meisten anderen internationalen Kunstschauen.“ Und mit dem Zeichenstift zwischen den Fingern schloss er: „Da freu ich mich jetzt drauf. Was mich aber auch sehr freut ist, dass Ihr an mich denkt und mir diesen Preis gebt! Nicht schlecht, oder?!“ Be. K.
Unser Interview mit P. Zumthor folgt in DBZ 10 | 2017.