»Photovoltaik ist eine mögliche Antwort unter vielen«

Ein paar Fragen an Ben van Berkel zur Haltung der Architekten im Hinblick auf das Heilsversprechen Photovoltaik.

Lieber Ben van Berkel, die Idee, Energie aus Sonnenlicht zu gewinnen, ist uralt. Was damals Energieernte war, ist heute ein hochtechnischer Prozess. Sollten wir heute nicht kompetenter bauen, statt nur effizienter?

Effizienz auf mehreren Ebenen ist äußerst wichtig, wenn wir nachhaltige Gebäude entwerfen und bauen wollen. Gerade auch, wenn diese den Netto-Nullenergie-Gebäudestandards entsprechen sollen. Es sollte aber niemals passieren, dass eine Kategorie im Planungsprozess eine andere vollständig unterdrückt. Tatsächlich ist viel Wissen erforderlich, um passive und aktive nachhaltige Lösungen mit allen anderen Entwurfsüberlegungen erfolgreich zu integrieren. Ein solcher vollständig integrierter Entwurfsprozess war schon immer unser Ansatz. Mit der Erkenntnis, dass das Klima sich vielleicht deutlich verändert, wurde jedoch ein dringender Bedarf an Energieeffizienz verbunden. Das bedeutet, dass wir jetzt viel mehr Parameter berücksichtigen müssen, als noch vor 20 Jahren. Unser Wissen und die Entwicklung dieser Effizienztechnologien sind jedoch nicht abgeschlossen. Zwar sind Fortschritte zu verzeichnen, doch es gibt noch viel Verbesserungsbedarf. Ich bin zum Beispiel überrascht, dass Glas das einzige Material ist, das wir für PV-Module verwenden. Ich glaube, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, auch andere Materialien und Oberflächen (wie Möbel) zur Umwandlung von Sonnenenergie zu verwenden.

Ist die Nutzung der Sonnenlichtenergie durch Photovoltaik ein ökologischer Weg? Oder verführt der Einsatz von energie- und materialintensiv produzierten Energiewandlern – PV-Modulen z. B. – nicht dazu, mehr zu bauen, als wir bauen sollten?

In der Tat sind PV-Technologien noch nicht so ökologisch, wie sie sein könnten, da sie immer noch produktions- und materialintensiv sind. Während die Technologie selbst effizienter und deutlich günstiger wird, gibt es immer noch Raum für zirkuläre Strategien und mehr Experimente mit verschiedenen Materialien. Ich glaube aber nicht, dass uns solche Technologien dazu verführen, mehr zu bauen. Letztendlich sind sie doch nichts anders, als ein weiteres Werkzeug in unserer bestehenden Werkzeugkiste, das jedoch Lösungen für sehr drängende Probleme im Zusammenhang mit dem Energiebedarf bietet.

Was war das erste Projekt von UNstudio, das mit Solarmodulen realisiert wurde?

Das erste Projekt, in dem wir PV-Module verwendeten, war eine Multifunktionsschule in Amersfoort, die wir in den 1990er-Jahren entworfen haben.

Das ist ein langer Zeitraum, in welchem man Erfahrungen hat sammeln können. Funktioniert das bisher geübte System der Sonnenenergiegewinnung also noch? Wie unterscheidet sich dessen architektonische Behandlung zentral von den Lösungen der nächsten Zukunft?

Doch, das System – aktiv oder passiv – funktioniert immer noch. Aber im Laufe der letzten Jahre wurden Solarsysteme entwickelt, die immer effektiver, effizienter und auch erschwinglicher werden. Mit der Einführung von „Building-integrated Photovoltaic“ (BiPV) haben wir jetzt viel mehr Fläche für die Gewinnung von Sonnenenergie. Dies ist besonders wichtig bei der Planung von Hochhäusern.

Solarkollektoren sind nicht nur ein technisches Produkt, sondern auch ein Designobjekt für UNStudio. Warum?

Hochhäuser haben nicht genügend Dachfläche, um die Menge an Solarkollektoren aufzunehmen, die erforderlich wäre, um die externe Energiezufuhr auf Null zu bringen. Und obwohl mit BiPV-Elementen Schritte in die richtige Richtung unternommen wurden, bieten sie keine vollständige Planungslösung für Architekten. Die Ästhetik des Gebäudes hat immer eine wichtige Rolle ge-spielt. Wie Sie bereits erwähnt haben, geht es bei der Architektur nicht nur um Effizienz. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass PV-Module sowohl strukturell als auch ästhetisch vielseitiger werden. Wenn wir dies erreichen können, werden PV-Module zu einem neuen, vollständig integrierten und vielseitigen Material, mit dem entworfen und gebaut werden kann – und nicht nur zu einem umständlichen Zusatz für die Energieeffizienz.

Um eine energetisch neutrale Bebauungsumgebung bis 2030 zu schaffen, müssen in den Niederlanden 7 Millionen Häuser und 1 Million Gebäude renoviert und mit Sonnenkollektoren ausgestattet werden. Ein riesiger Markt. Welche Rolle kann UNStudio hier übernehmen? Als Architekten, Designer, als Unternehmer?

Dieser Markt ist noch nicht voll arbeitsfähig. Wir alle müssen das Pariser Abkommen einhalten und Ziele festlegen. Die niederländische Politik fordert von uns, dass wir bereit sind, unsere bestehenden Häuser und Gebäude so umzubauen, dass sie energieneutral werden. Dabei geht es natürlich nicht nur um die Energiegewinnung durch PV-Module. Zum Heizen und Kühlen sind auch andere Lösungen wie Solarthermie und Wärmedämmung erforderlich. Als Designer und Architekten von UNStudio gehen wir dies auf vielfältige Weise an: Neben der Gestaltung von energieneutralen Gebäuden und Umgebungen beraten wir unsere Kunden, fordern sie heraus und heben ihre Ambitionen hervor. Als Designer und Unternehmer von UNSense müssen wir auch Lösungen für dringende Probleme finden, einschließlich des Klimawandels. Dies ist jedoch immer ein gemeinsames Unterfangen vieler Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen.

Solar Visuals ist eine Vereinigung von Expertenunternehmen. Warum ist UNStudio / UNSense hier involviert, was ist das Ziel?

Das Knowledge-Team von UNStudio arbeitete ursprünglich im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts und in Zusammenarbeit mit dem Construct PV Consortium an der Erforschung, dem Design und der Entwicklung der Technologie für Solar Visuals (mehr dazu auf S. 77). Ein Schwerpunkt von UNSKnowledge ist die Materialforschung. Zusammen mit Monopol Colors in der Schweiz haben wir kürzlich eine neue, hoch belastbare und reflektierende Farbe namens „The Coolest White“ auf den Markt gebracht. Ein weiteres Produkt zur Reduzierung des Wärmegewinns in Gebäuden und Städten. Sobald jedoch ein Produkt von unserem Knowledge-Team und seinen Partnern entwickelt wurde, muss es auf innovative Weise auf den Markt gebracht werden, und hier setzt UNSense an.

Wie funktioniert Solar Visuals? Mit wessen Geld?

Solar Visuals ist ein innovatives, unternehmerisches Unternehmen, das von Forschungspartnern des ursprünglichen Konsortiums – UNSense, der Druckerei TS Visuals und „ECN, Teil von TNO“ – gegründet wurde, die das Produkt derzeit gemeinsam weiterentwickeln und auf den Markt bringen.

Solartechnik und Architektur sind in der Vergangenheit getrennte Wege gegangen. Jetzt soll die komplette Gebäudehülle für die Energieversorgung genutzt werden. Was ist passiert, ist ein Traum wahr geworden?

Ich würde nicht sagen, dass es ein Traum war, aber das ist sicherlich ein sehr gutes Ziel: Energiegewinnung und Baumaterialien zusammenzuführen. Wir sind jedoch nicht das einzige Unternehmen, das dies tut. Es gibt auch andere, die neue PV-Materialien mit ähnlichen Zielen entwickeln.

Wie soll solare Architektur gestaltet werden, damit Energieautarkie erreicht werden kann?

Es ist wichtig zu erwähnen, dass Photovoltaikanlagen nicht die Antwort auf alles sind. Sie sind eine von mehreren Lösungen, die in einem Paket verwendet werden können, um Autarkie zu erreichen. Als solche müssen sie neben solarthermischen Technologien, Wärmedämmung und anderen passiven Strategien wie Beschattung, Gebäudeausrichtung, Tageslichtmaximierung und natürlicher Belüftung arbeiten. Das ist unser Ziel: Bei all diesen Lösungen mit integrierten Strategien zu arbeiten.

Muss sich UNStudio verändern, um den neuen Weg der Solararchitektur beschreiten zu können?

Wir müssen uns nicht wesentlich ändern. Mit jedem neuen Produkt entwickeln wir Ideen für die Integration. Es wird damit zu einem neuen Aspekt unseres Design-Denkens, ähnlich wie bei neuen Designtechniken, Werkzeugen oder anderen neuen Materialien.

Wer wird / wer muss Partner werden?

Early Adopters – Entwickler und Unternehmen –, die Innovationen im Bereich der Energiegewinnung für Fassaden entwickeln möchten.

Das größte Problem mit Solararchitektur?

Gerade wegen der ständigen Entwicklung neuer Materialien glaube ich nicht, dass es echte Probleme mit der Solararchitektur gibt. Wir müssen zu schätzen lernen, dass uns diese neuen Materialien zur Verfügung stehen. Wir beschränken uns nicht mehr nur auf Ziegel, Beton und Holz usw., die uns letztendlich nicht die gleichen Vorteile in Bezug auf die Energieeffizienz bieten können.

Viele Menschen wollen weniger Technik in ihren Häusern. Eine PV-Fassade ist Hightech ... Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma?

Eine PV-Fassade ist kein Hightech. Es ist eigentlich nur die Entwicklung eines mittlerweile allgemein akzeptierten Backup-Systems. Natürlich gibt es auch einen Unterschied zwischen IoT, einer aktiven Technologie, mit der Sie Geräte in Ihrem Zuhause steuern können, und einer Hülle, mit der Sie lautlos Energie für sich gewinnen können, ohne ihr tägliches Leben in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen. Für manche Menschen ist IoT eine großartige Sache, für andere nicht. Aber eine Technologie, die Geld spart und gleichzeitig dem Planeten hilft, ist in der Regel sehr beliebt.

Kann man sich PV-Module auf einem alten Steinhaus in der Toskana denken?

PV-Dachziegel werden derzeit auf den Markt gebracht, so dass sie unter solchen Umständen nützlich sein könnten. Und wir dürfen nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, dass Stein in Zukunft auch Sonnenenergie ernten kann. In der Zwischenzeit können Sie, wenn Sie Lust haben, Kalkstein auf ein Solar Visuals-Panel drucken ...

Was bedeutet das für die Architektur und die Stadt, für das Klima?

Nichts weniger, als dass es gut ist.

Und was bedeutet die Gesamtenergiearchitektur für den Architekten als Designer?

Es bedeutet, dass wir lernen müssen, mit neuen Materialien zu entwerfen und neue Verwendungen für Materialien zu entdecken. Das bedeutet vor allem,

dass wir uns weiterbilden müssen, um innovativer zu sein. Und nicht zu vergessen, wir können mit den richtigen Forschungspartnern auch eine aktive Rolle bei der Schaffung neuer Materialien spielen.

Letzte Frage: Brauchen wir wirklich PV-Skins, um auf dem Planeten Erde zu überleben?

Das Angebot an kostengünstigen und dennoch effizienten Produkten, Materialien und aktiven Oberflächen wird zunehmen. Und ja, die PV-Technologie wird uns dabei helfen, unsere CO₂-Emissionen und den CO2-Fußabdruck unserer Gebäude und Städte zu senken. Aber wie ich schon sagte, sind sie nur ein Teil eines vielschichtigeren Ganzen. Eine von vielen Lösungen, die diese Ziele gemeinsam erreichen müssen. Genau wie der Architekt.

Die Fragen an Ben van Berkel stellte DBZ Redakteur Benedikt Kraft.

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