Raus aus der Blase!

Es gibt das schöne Sprichwort „Gleich und Gleich gesellt sich gern.“ Das ist eines der Grundprinzipien, wie sich Netzwerke und Gruppen bilden. Doch vielleicht liegt ja gerade in offenen Netzwerken die Zukunft – für einen Wissensaustausch und eine Kommunikation, die verschiedene Disziplinen vereint. Wir haben bei Netzwerkern, jungen Büros und Architekturvermittlern nachgefragt, wie das geht: das Kommunizieren.
Architects for Future
Ein Netzwerk an Bautätigen, die sich gemeinsam für einen nachhaltigen Wandel in der Baubranche einsetzen, ist Architects for Future. Mit ihrer ­Petition „Bauwende JETZT“ erreichten Sie mehr als 50 000 Unterzeichner.
Warum brauchen wir eine Experten-Laien-Kommunikation in der Architektur?
Wir entwerfen für andere Menschen – Kommunikation sollte also immer in beide Richtungen gehen: die Gesellschaft muss verstehen, was Architektur leisten und welchen Mehrwert sie schaffen kann, und wir Ar­­chitekt*innen müssen verstehen, was die Bedürfnisse und Visionen der Gesellschaft sind. Städte und Gebäude beeinflussen Handeln, Denken und Emotionen. Wie können wir dieser Macht und Verantwortung gerecht werden, wenn wir nicht mit den Nutzer*innen der gebauten Umwelt über ihre Wahrnehmung und Bedürfnisse kommunizieren? Können wir Menschen durch Vermittlung sogar befähigen, von ­passiven Nutzer*innen zu aktiven Gestalter*innen zu werden?
In Anbetracht der Klimakatastrophe ist es auch relevant, das Nut­zer*in­nenverhalten zu kennen, um einen nachhaltigen energetischen Umgang mit Gebäuden zu garantieren. Mangelnde Kenntnis oder Verhaltensweisen können den Mehrwert vieler nicht kommunizierter Maßnahmen von Expert*innenseite wieder zunichtemachen. Je einfacher und verständlicher, umso zielführender ist also ein Entwurf für die Nutzung. Architektur und Stadtplanung sind sehr komplexe Themen, in ihren Beziehungen sind sie eng verwoben mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Wandel in diesen Feldern macht sich in der Architektur und Stadtplanung bemerkbar oder wird andersherum von ihnen beeinflusst.
Wie lässt sich Architektur vermitteln? Mit welchen Medien arbeitet ihr?
Gesellschaftlicher Diskurs spielt für den nachhaltigen Wandel der Baubranche eine große Rolle und wir arbeiten mit diversen Mitteln, um wichtige Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Als Beispiel: Ende 2020 haben wir die Petition “Bauwende JETZT” mit einem umfassenden Maßnahmenpaket für einen klima- und sozialverträglichen Bausektor an den Bundestag eingereicht. Darin zeigen wir in sieben politischen Forderungen relevante Stellschrauben zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele und zur zukunftssicheren Gestaltung der Lebensqualität unserer gesamten Umwelt auf.
Um möglichst viele Menschen mitzunehmen, haben wir die Themen verständlich ausgearbeitet und über soziale Medien verbreitet. Auf unseren Instagram-, Twitter-, Facebook- und LinkedIn-Kanälen sowie unserer Homepage und über Newsletter haben wir Grafiken, Videos, Podcasts und live talks geteilt, die Fakten mit Ernst und Humor vermitteln.
Und welche Zielgruppe erreicht Ihr?
Generell versuchen wir, ein breites Spektrum an Zielgruppen zu erreichen. Sowohl Akteur*innen der Baubranche als auch vielen Lai*innen ist die Relevanz und das Potential der Baubranche hinsichtlich der Klima­krise nicht bewusst.
Die Petition wurde auch von ­Ex­­­perten*innen in den Bereichen Klimaschutz bzw. nachhaltiges Bauwesen sowie von großen zivil­­ge­sellschaftlichen Bewegungen und zahlreichen Influencer*innen öffentlich unterstützt. Hierdurch konnten wir verstärkt sowohl Gesellschaft als auch Akteur*innen der Baubranche und Politik erreichen. Am 1. März durften wir dank dieser Unterstützung und der knapp 60 000 Unterschriften unsere Petition im Bundestag vorstellen. Wir bewegen uns also raus aus unserer Blase und üben uns in der Kommunikation nach außen. Denn nur mit einem gemeinsamen Verständnis und in Zusammenarbeit mit Gesellschaft, Politik und Industrie können wir eine nachhaltige und sozialgerechte Bauwende erreichen.
Welche Erfahrungen habt Ihr in der interdisziplinären Zusammenarbeit in eurem Verein gemacht?
Architects for Future hat im zurückliegenden Jahr mit etlichen Organisationen und Einzelpersonen zusammengearbeitet. Besonders mit der Cradle to Cradle NGO ist die Kooperation über das Bündnis Bau und Architektur sowie auf lokaler Ebene sehr ausgeprägt. Dort sind, wie auch bei A4F, Architekt*innen, Stadtplaner*innen, Landschaftsarchitekt*innen, Bauinge­nieur*innen, Bauphysiker*innen und Unterneh­mer*innen sowie Fachfremde aktiv. Auch mit anderen Institutionen und Verbänden wurden zahlreiche Projekte angestoßen und in kurzer Zeit sehr erfolgreich weiterentwickelt.
Mit German Zero, einer deutsche Klimaschutzorganisation, erarbeiten wir die gesetzlichen Bedingungen, die im Rahmen eines neuen Klimaschutzgesetzes speziell für den Bausektor erforderlich sind.
Im nachhaltigen Finanzsektor (GLS Bank) wurde unsere Expertise bei der Entwicklung eines Immobilien-Bewertungs-Tools angefragt, mit dem die Tauglichkeit von Gebäuden zur Vermeidung des Überschreitens der 1,5 °C-Grenze ermittelt werden soll. Aus der Einladung zu dem SOS-Kongress der Scientists for Future im letzten Sommer ist die Mitarbeit an einer ganzheitlichen Systemanalyse entstanden, die auch aus Perspektive einer Transforma­tion im Bau- und Gebäudesektor relevant ist, um Wirkungsketten und Stellschrauben zu identifizieren. Jeden Monat sind wir auch bei den Together For Future-Treffen vertreten, in dem alle For Future-Gruppen zusammenkommen, sich austauschen und unterstützen und wo neue Zusammenarbeit entsteht. ­Ins­gesamt steckt in der interdisziplinären Zusammenarbeit wirkungsvolle, stärkende Energie und gegenseitige Motivation. Gemeinsam erreichen wir unsere Ziele schneller.
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