Rebellisch gut
Buchner Bründler Architekten, Basel/CH

Jung und innovativ – so könnte man das Schweizer Architekturbüro Buchner Bründler charakterisieren. Doch jung heißt in diesem Falle alles andere als unerfahren: Schon von Beginn an konnten die Architekten bemerkenswerte und ausgezeichnete Bauten realisieren.

Dieser Atelierbesuch beginnt in einer Jugend­herberge. Der Besucher, der nicht zur Altersgruppe der üblichen Gäste dort gehört, hat all die anderen gediegenen Basler Hotels am Rhein in der Altstadt verschmäht, weil man ihm einen Tipp gegeben hat: „Das ist wirklich gute Architektur!“ – allerdings ohne den Architekten zu benennen. Ein Hinweisschild mit dem typischen Youth-Hostel-Zeichen leitet zum Gebäude: Eine Brücke führt über ein schmales Wasser und auf eine schlichte Fassadenschicht aus Holzständern für den Neubau und das Erdgeschoss des Altbaus zu. Innerhalb der alten dörflichen Struktur ist ein architektonisches Kleinod jenseits gängiger Diskurse entstanden. Eines, das nicht Zeichen sein will, sondern Heimat aus purem Raum und ausgesuchtem Material. Erst einen Tag später wird der Gast mitbekommen, dass die­se Basler Jugendherberge Teil seines Werkstattbesuches ist. Ein sehr entscheidender.

Das Büro Buchner Bründler Architekten wurde 1997 von Daniel Buchner und Andreas Bründler in Basel gegründet und hat heute rund 30 Mitarbeiter: „Es beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Architektur und Innenarchitektur. Doch das Betätigungsfeld umfasst auch städtebauliche Planungen und Entwicklungen. Bei Typologie und Nutzung stehen Wohn- und Dienstleistungsbauten im Mittelpunkt.“ Das erinnert an Sprachbrocken aus heute üblicher Selbstdarstellung von Architekten, die kryptisch aus dem Internet herüber­fliegen. Was sich wie standardisierte Normalität anhört, ist bei näherer Betrachtung ein bisschen anders.

Das hat mit dem Standort Basel zu tun, den man zurzeit ohne Übertreibung als die europäische Hauptstadt der Architekturideen bezeichnen kann. Das bezieht sich auch auf die verborgene Zone jenseits der „Großen“ wie HdM (Herzog de Meuron), Diener und Diener oder den Architekturen auf dem Novartis Cam­­pus. Nein – es geht nicht um bekannte Marken, auf keinen Fall um „Signature Architecture“ und scheinbar neue Diskurse, sondern um die Jungen, die jetzt verstärkt bauen wie Buchner Bründler Architekten. Es geht um Heimat und Gestaltung, Materialtreue und einen neuen ehrlichen Minimalismus. Und deswegen begann die Erkundung zu Recht nicht im Atelier, sondern in der Jugend­her­berge St. Alban, die Buchner und Bründler erneuert und erweitert haben. Mit 48 Zimmern und 195 Betten ist die Herberge nicht klein. Es entstand ein wunderbares Kontinuum aus öffentlichen Räumen, wie der Caféteria und der vorge­lagerten Loggia für den Früh­stücks­kaffee im Erdgeschoss. Dazu klare, Kloster ähnliche Schlafzellen aus Beton, Eichen­holz­boden und viel Glas. Anfangs fremdelte der Besucher – nicht mit der Architektur, sondern mit der Infrastruktur, wie einem schwierigen persönlichen Internetzugang und dem fehlenden TV auf dem Zimmer. Doch dann war es, als sei ein Schalter der Erkenntnis umgelegt worden, spätestens beim Aufwachen mit Vogelgezwitscher. Der asketische (Apartment-) Raum ist hier Programm sowie der Blick nach draußen, wo sich die Vegetation allmäh­lich der Holzfassade annähert. Die Jugendherberge ist ein Ort der Erkenntnis, wie Archi­tektur mit Seele sein kann: zurückhaltend und verführerisch, schlicht und sinnlich, einfach und archaisch. Alles gleichzeitig – und Buchner Bründler haben sie entworfen.

Am nächsten Tag dann der Wechsel über den Rhein zum eigentlichen Atelier, in die Alt­stadt von Kleinbasel, dort wo die gediegenen Hotels der Stadt und in der Nacht die Junkies manchmal eine wundersame metropolitane Verbindung eingehen. Ansonsten herrscht Nordschweizer Gelassenheit vor, weit entfernt von der Geschäftigkeit eines Novartis Campus, des Messegeländes oder der Altstadt unterhalb des Münsters. Dann aber an der Zieladresse die Überraschung: ein Trumm aus den 1970er Jahren, früher Kaufhaus, jetzt umgebaut für hybride Nutzungen aus Parken und Arbeiten. Wer zu Buchner Bründler Archi­tekten will, muss über Parkhausrampen oder Industrietreppenhäuser steigen. Oben dann die Belohnung mit Blick auf Basel im lichten Loft. Hier will man gern entwerfen!

Im Gespräch wird sehr schnell deutlich, dass ein Team mit neuen (schweizerischen) Statements zum Thema „Wohnen“ an der Arbeit ist. Beispielsweise am Volta Zentrum mit Wohnungen oder Lofts, mitten in der Stadt gelegen, mit tollen grünen Innenhöfen. Aber auch mit scharf geschnittenen Außenwänden, die wie Kuchenstücke und ihre verschiedenen Schichten wirken. „Der architektonische Raum beginnt ja immer an der Fassadenkante“, sagt Andreas Bründler dazu und „über Staffelungen und Schichtungen entstehen Vitalität und Virtuosität“. Er meint damit nicht nur dieses Haus allein, sondern sein Vorgehen allgemein.

„Rebellisch und eigensinnig“ hat man sie in frühen Tagen genannt, aber es war eine sanfte Revolte, die dem Diskurs und dem Nutzer gut tut. Daniel Buchner und Andreas Bründler brechen zwar mit gängigen Codes, Formaten und stilistischen Operationen, wie es „middle of the road“ oder „state of the art“ fordern, aber stellen mit hintergründiger Liberalität fest: „Wenn sich das Bauwerk anpasst, dann passt es. Wenn nicht, dann eben nicht!“ Was sie damit meinen, zeigt beispiels­weise das Wohnhaus Seevogelpark in Basel, das mit dem Basler Heimatschutzpreis 2007 ausgezeichnet wurde. Das achtet auf „Dialog und Authentizität“. Das Hofgebäude wurde auf die Grundstrukturen zurückgebaut, es erhielt im Obergeschoss neue „Fassadenvorhänge“, Schichten aus Glas und senkrechten Holzständern, die sich ganz logisch aus den bestehenden Sparrenköpfen entwickelten. Der fünf­geschossige Neubau an der Straße antwortet nicht nur mit einer eigenständigen Fassade aus vertikal betonten Holzlamellen. Auch die Wohnungen sind so angelegt, dass sie das Hinterland umarmen oder hereinholen möchten. Man erahnt regelrecht die großzügigen Grundrisse von außen und ebenso, dass die Regeln typischer Zwei- oder Dreispännerwohnungen hier keine Rolle spielen. Buchner Bründler Architekten sind Wohnraumkünstler anderer Art. Ihr unkonventionelles Denken konnte man bereits im 2002 fertig gestellten Lofthaus Basel in der Colmarer Straße wahrnehmen. Da ist ein richtiger „Klopper“ entstanden, weit höher als die 1960er Jahre-Langweiler der Nachbarschaft. Und trotzdem entstand eine nahezu sensible, transparente Architektur- und Wohnlandschaft: Man muss eben den Umgang mit farbigem Glas und Beton beherrschen.

Es gibt in der Schweiz Bedingungen und Parameter, die in Deutschland nicht oder weniger gelten. Der höhere ökonomische Druck in der Schweiz bringt andere Erfahrungen, trotzdem lohnt das genaue Hinschauen: Typisch für Buchner Bründler Architekten ist die großzügige Zusammenfassung von Küche-Essen-Wohnen ohne Barrieren. Hier spielt sich das hauptsächliche Leben in der Wohnung ab. Durchwohnen ist ebenfalls ein Thema. Solche Flexibilität im Grundriss ist als ein gelungenes Beispiel einer Entdogmatisierung beim Wohnungsbau zu bewerten. Statt Luxus von Material und Ausstattung, eine flexible Kultur der Wohnunterschiede.

Buchner Bründler sind schon früh zum Exportschlager der Schweizer ­Architektur geworden: 2003 bauten sie im Auftrag der Schweiz einen zentralen Raumkomplex im Hauptsitz der UNO in New York erfolgreich um. 2010 wurde der Schweizer Pavillon für die EXPO 2010 in Shanghai realisiert. Der Pavillon überrascht mit einer Schwei­zer Tugend, nämlich rural und urban gleichzeitig sein zu können; „interaction“ oder „Stadt-Land-Interaktion“ nennen das Daniel Buchner und Andreas Bründler. Hinter einer Edelstahl-Fassade mit interaktiven LED-Leuchten auf der Basis von Solarenergie und unter einem begrünten Dach, auf das die Besucher mit einer Seilbahn fahren konnten, wurde dieser Pavillon mit rund 2,8 Mio. Besuchern zu einem der beliebtesten der Weltausstellung.

Dieser Pavillon ist weit entfernt von Mittel­europa und auch inzwischen wieder demontiert worden. Wenn man also ein Schlüsselprojekt von Buchner Bründler Architekten be­sichtigen will, bleibt die Empfehlung, in der Jugendherberge in Basel St. Alban zu übernachten. Auch sie ist eine Vermählung des Städtischen und Ländlichen – ein natürliches, architektonisches Ausruhbiotop.

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