Reg. Innovationszentrum (RIZ), Offenburg
Das Regionale Informationszentrum für Energietechnik der Hochschule Offenburg wirkt auf den ersten Blick eher schlicht. Hinter der Holzverschalung aus für den Schwarzwald typischer Weißtanne verbirgt sich allerdings ein Stahlbeton-Holz-Hybridbau, bei dem sehr bewusst entschieden wurde, wo welches Material ökologisch und ökonomisch nachhaltig eingesetzt wird.
„RI(T)Z“ klingt ein bisschen nach Luxushotel – das RIZ Offenburg hat damit aber nichts gemein. Im Regionalen Informationszentrum für Energietechnik wird vornehmlich an E-Mobilität in Kombination mit regenerativen Energien geforscht. Im Sinne der Nachhaltigkeit wurde daher, neben einem innovativen Energiekonzept, die Umsetzung des Gebäudes zum einen in Holz gewünscht, zum anderen sollte ein Teil des Gebäudekomplexes in Stahlbeton mit Bauteilaktivierung ausgeführt werden, da dies ein weiteres Spezialgebiet des dort agierenden Hochschulprofessors darstellt.
Das neue Gebäude der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien wurde im Januar 2020 fertiggestellt und befindet sich auf einem kommunalen Grundstück nördlich des bestehenden Hochschulgeländes. Es bildet nun den Auftakt zum Campusareal.
Holz-Stahlbeton-Hybrid
Das Hochschulgebäude gliedert sich in das so genannte Technikum, eine etwa 900 m2 große und 10 m hohe Versuchshalle mit einem Tragwerk aus Holz, sowie einen schmaleren, viergeschossigen Stahlbeton-Bürotrakt mit 50 innovativen Arbeitsplätzen an der Westseite. Das Technikum bietet die Möglichkeit, in maximal acht Testfelder unterteilt zu werden, auf denen jeweils unterschiedliche Versuchsaufbauten, wie beispielsweise Klimakammern oder Simulationseinheiten für technische Gebäudeausrüstung, aufgestellt werden können. Auch die Fläche auf dem Dach der Halle wurde als Außenlabor konzipiert. Sie wird begrenzt von dem ein Geschoss höheren Büroriegel an der Westseite, dem gegenüberliegenden Technikaufbau auf der Ostseite sowie der hochgeführten Fassadenschalung an Nord- und Südseite des Daches. So entstand hier mit direktem Zugang aus dem 3. Obergeschoss eine geschützte Hofsituation als Forschungsfläche im Freien. Das bedeutet allerdings auch, dass entsprechende Lasten auf das Tragwerk wirken, so dass es sich statisch nicht einfach um ein Dach, sondern um eine Decke handelt, die entsprechend dimensioniert werden musste.
Der Forschungstrakt mit Büros gliedert sich in die entlang der westlichen Fassade angeordneten Arbeitsplätze, die Erschließungsflure sowie Nebenräume. Eine Besonderheit bilden in diesem Gebäudeteil die sogenannten Forschungszonen: sich aufweitende Kommunikationsbereiche, die durch vertikale Durchbrüche auch geschossübergreifend wirksam werden. Auch auf die (Blick-)bezüge in das Technikum wurde viel Wert gelegt. Große Innenfenster gewähren aus jedem Geschoss Einblicke in die Halle.
Die Decken des Gebäudes sind mit innenliegenden Rohrleitungen zur Bauteilaktivierung ausgestattet, im Technikum ist die Bodenplatte aktiviert. Die im Stahlbeton-Skelettbau angeordneten Stahlbeton-Treppenhäuser dienen der Aussteifung des gesamten Gebäudes, wirken also auch auf den Holzbau.
Das Holztragwerk der Halle
Das Haupttragwerk der stützenfreien Halle wiederum besteht aus BauBuche-Fachwerkträgern, die im Abstand von 5,40 m auf BauBuche-Stützen an den Längswänden aufliegen. Die Fachwerkträger überspannen eine Länge von ca. 18 m. „Im Grunde handelt es sich bei dem Bau um ein doppeltes Hybrid-Tragwerk, denn auch im Holzbau haben wir sehr bewusst mit zwei verschiedenen Holzsystemen gearbeitet“, erklärt Stephan Schäfer, der das Projekt bei den Architekten geleitet hat. „Das kostenintensivere, leistungsstarke Buchenfurnierschichtholz haben wir dort eingesetzt, wo seine Leistung auch gebraucht wurde. Dort, wo die BauBuche quasi unterfordert gewesen wäre, haben wir Nadelholz eingesetzt.“ Und auch die Tragwerksplanerin Sabine Ott aus dem Büro Mohnke Höss, Bauingenieure bestätigt: „BauBuche hat eine besonders hohe Zug- und Druckfestigkeit. Da im Fachwerkträger die Kräfte in Normalkräfte aufgeteilt werden, ist sie hier das ideale Holz, um mit relativ schlanken Querschnitten die geforderte Spannweite zu erreichen. Auf Durchbiegung hingegen liefert Brettschichtholz aus Nadelholz eine ähnliche Leistung, ist aber preisgünstiger.“ Dementsprechend liegen auf den 2,55 m hohen Fachwerkträgern Nebenträger aus Brettschichtholz (Fichte), die die Lasten des Daches aufnehmen, die von einer aussteifend wirkenden Dachscheibe aus Furnierschichtholz (Kerto Q) übertragen werden. Auf dieser wiederum lastet ein 40 cm hoher Warmdachaufbau, vor allem aber eine Außenlaborfläche mit Großgeräten, die im Freien aufgestellt werden müssen, mit einem Lastfall von zusätzlich 4 KN/m². Das erklärt die Höhe der Fachwerkträger und warum diese, trotz der Wahl für BauBuche, erstaunlich kräftig wirken. „Hinzu kam, dass die Hölzer für den Brandschutz auf Abbrand bemessen wurden und entsprechend stärker ausgeführt werden mussten“, erklärt Bauingenieurin Ott. „Schließlich war noch relevant, dass das Gebäude in der Erdbebenzone 1 steht. Die Erdbebenlasten sind aufgrund der Nutzung der Dachfläche als Laborfläche ebenfalls größer anzusetzen als ohne Nutzung des Daches. Dies hat Einfluss auf die Aussteifung, also die V-Stützen in der längsseitigen Fassadenebene, und die Anschlüsse an den Bürotrakt.“
Zweiteilung mit hölzerner Hülle
Stellt sich daher vielleicht noch die Frage, ob die „Zweiteilung“ des Gebäudes besondere Maßnahmen erforderlich machte. „Tatsächlich wurde es an dem Punkt interessant, an dem die Fachwerkträger, beziehungsweise die Decke, an die Betonwand anschließen, da die Queraussteifung der beiden Gebäudeteile verbunden sein und doch elastisch bleiben mussten“, so Architekt Schäfer. Die Tragwerksplaner sahen hierfür einen verschieblichen Anschluss mit Knagge vor. „Wir brauchten hier durch das Durchbiegeverhalten des Fachwerkträgers verschiebliche Anschlüsse in Richtung der Binderachsen und feste Anschlüsse senkrecht dazu. Die Obergurte wurden daher an der Betonwand nicht angedübelt. Stattdessen ermöglicht eine Knagge, die in einer Aussparung der Stahlbetonwand sitzt, dass sich der Obergurt bewegen kann“, erläutert Tragwerksplanerin Ott.
Das Holztragwerk bestimmt maßgeblich die Atmosphäre in der Halle. Demgegenüber erzeugt der Sichtbeton im Büroteil, insbesondere in den aufgeweiteten Forschungszonen, loftartige Coolness. Beton zeigt sich mal wieder als ein Baustoff, der sich nicht verstecken muss – und in diesem Fall auch nicht verstecken darf, da über ihn die Räume im Winter temperiert und im Sommer heruntergekühlt werden können.
Während im Gebäudeinneren also die unterschiedliche Materialität bewusst sichtbar und erlebbar ist, wird der Bau von außen in seiner Gesamtheit durch eine im Prinzip umlaufende, vertikale Holzschalung aus grau lasierter Weißtanne zusammengefasst. Selbst an der sehr offenen Westfassade mit ihren Fensterbändern entlang der Büroarbeitsplätze im ersten bis dritten Obergeschoss läuft die Holzverschalung im Erdgeschoss sowie als schmaler Streifen entlang der Attika durch.
Das Haus als Forschungsprojekt
„In dieser Bauaufgabe ging es auch darum, eine Forschungseinrichtung für regenerative Energietechnik und Bauphysik zu konzipieren, bei dem das Haus selbst zum Forschungsprojekt wird“, erläutert Liza Heilmeyer, Partnerin im Stuttgarter Architekturbüro. „Zudem musste die umfangreiche Gebäudetechnik der Versuchshalle geordnet und in gestalteter Weise integriert werden.“ Dabei ging es nicht nur um die übliche Haustechnik, sondern zusätzlich um diverse Medien wie beispielsweise Starkstrom, Druckluft oder verschiedene Gase. Diese Einbindung ist den Architekten sowohl durch zwischen das Tragwerk installierte, vertikale Technikleiter an den beiden Hallenlängsseiten sowie die Nutzung der Fachwerkträger-Ebene sehr gut gelungen. ⇥Nina Greve, Lübeck
Das fein strukturierte Bauwerk kombiniert lichtdurchflutete Bürolandschaften aus Stahlbeton mit hoher Aufenthaltsqualität gekonnt mit einer von Holzwerkstoffen geprägten Versuchshalle. Das kraftvolle, hochbeanspruchte Hallentragwerk dokumentiert beeindruckend die Eleganz und Tragfähigkeit von materialeffizienten Fachwerkkonstruktionen aus Buchenfurnierschichtholz.«
⇥DBZ Heftpartner Prof. Dr.-Ing. Jürgen Graf und
⇥Prof. Stephan Birk, TU Kaiserslautern
Projektdaten
Bauherr: Land Baden-Württemberg vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Freiburg
Norbert Sigmund-Hafner, Clemens Leicht; www.freiburg.vbv-bw.de
Architektur: Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten, Stuttgart
Stephan Birk, Liza Heilmeyer, Martin Frenzel, Felix Fritz; www.bhundf.com
Stephan Schäfer (Projektleitung), Mykola Holoviznin, Claudio Moscaritolo
Nutzer: Hochschule Offenburg, INES Institut für Energiesystemtechnik; www.ines.hs-offenburg.de
Objektüberwachung: Meyer Galfe Architekten; www.meyerarchitekt.de
Tragwerksplanung: Mohnke Höss Bauingenieure;
www.mh-bauingenieure.de
Elektro: K+P Ingenieurbüro für Elektrotechnik; www.kp-ib.de
Bauphysik: Stahl + Weiss;
www.stahl-weiss.de
Brandschutz: Brandschutzconsult;
www.brandschutzconsult.de
Landschaftsarchitektur: Mario Kappis, Lahr-Sulz
Kunst am Bau:
Nino Maaskola;
www.nino-maaskola.de
Fertigstellung: Sommer 2020
BGF / BRI: 2 600 m² / 1 500 m³
Baukosten: 5,2 Mio. € netto (KG 300 + 400)
Hersteller
Metallfassade:
Schüco; www.schueco.com
Sonnenschutz:
Warema; www.warema.de
Holzfassade:
Dura Patina, Kristallgrau;
www.durasidings.de
Vorhänge:
Creation Baumann;
www.creationbaumann.com
Möbel: Vitra; www.vitra.com,
Hay; www.hay.dk,
Interstuhl; www.interstuhl.com, Assmann; www.assmann.de
Leuchten:
Zumtobel; www.zumtobel.com,
Molto Luce; www.moltoluce.com
Bodenbelag Sichtestrich: Chemotechnik Rheobond;
www.chemotechnik.com
Innentüren Holz:
Göbes; www.goebes.de
Innentüren Stahl:
Forster; www.forster-profile.ch