Sauerlandmuseum, Arnsberg
„Wie ein öffentliches Haus auch identitätsstiftend für eine Stadt werden kann, zeigt sich für uns beim Museums- und Kulturforum in Arnsberg. Als skulpturaler Körper, der an ein barockes Stadtpalais andockt, erweitert er nicht nur die Ausstellungsfläche, sondern verstärkt auch die überregionale Strahlkraft des Museums.“
DBZ Heftpartner Bez + Kock Architekten, Stuttgart
Dieses Jahr ist vieles anders. Unter anderem haben viele BürgerInnen Deutschland wieder als Urlaubsort für sich entdeckt. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Sauerland als Naherholungsgebiet für die geschundenen Bergarbeiter des Ruhrgebiets. Und auch heute lässt es sich zwischen Tropfsteinhöhlen, Burgen und Stauseen durchaus entspannen. Führt einen der Weg über die bewaldeten Hügel und Täler in das kleine Städtchen Arnsberg gibt es seit 2019 zudem ein architektonisches Kleinod zu entdecken.
Leicht war es nicht. Aus dem Wettbewerb 2012 ging das Leipziger Büro schulz & schulz architekten mit einem gänzlich anderen Vorschlag als Sieger hervor und auch die Stuttgarter Architekten Bez + Kock schickten zunächst einen alternativen Entwurf ins Rennen. Dieser konnte den 2. Platz im Wettbewerb erringen und wurde in der Folge zur Ausführung bestimmt. Bis dato besaß Arnsberg bereits ein kleines Heimatmuseum im sogenannten Landsberger Hof, ein historischer Bau aus dem 17. Jahrhundert. Die Vorgabe lautete den gewünschten Neubau durch eben jenen Altbau zu erschließen und das unterhalb liegende Hanggrundstück für die Neubebauung zu nutzen. Für die Architekten lag es bei ihrem ersten Entwurf nahe, die vorhandene Stadtsilhouette möglichst wenig zu touchieren und etwa ¾ des geforderten Volumens einfach in den Hang einzugraben – eine Idee, die bis zur Ausschreibungsphase überzeugte, aber dann aus Budgetgründen begraben werden musste. „Die Entscheidung hat uns hart getroffen, denn in den drei Jahren waren bereits um die 7000 Arbeitsstunden in die Ausarbeitung des Entwurfs geflossen. Das mussten wir erst einmal verschmerzen und den Kopf wieder frei bekommen“, erzählt Martin Bez. Aber tatsächlich gelang es den ArchitektInnen über einen kleinen internen Wettbewerb, das Projekt noch einmal völlig neu zu denken. Man entschied sich, dass Haus deutlich sichtbarer zu machen und den Hang hinunter bis zur Ruhrstraße zu entwickeln. Die nach wie vor immense Baugrube mit einer Tiefe von bis zu 10 m ließ sich nicht vermeiden, aber mit einer Entkoppelung vom Altbau konnte der neue Baukörper deutlich einfacher und kostengünstiger realisiert werden. Die einzige direkte Verbindung zum Bestandsbau besteht nun über eine geschlossene Brücke, die an den diesen im 1. Untergeschoss andockt und so die Höhe des Neubaus vorgibt, der sich von diesem Niveau aus hangabwärts entwickelt. Im Inneren erreicht man dieses Level über einen Aufzug bzw. eine Treppe im Altbau und gelangt nach einem kurzen „Ausflug in die Steinzeit“ im Gewölbekeller des historischen Museums in den lichten Gang, der den Besucher auch inhaltlich in die neue Zeit führt.
Ein- und Ausblicke
Entgegen dem ersten Entwurf sucht das nun realisierte Gebäude eine spürbare Verbindung zu seiner Umgebung. Der Grundriss entwickelt sich in zwei Richtungen, parallel zum Landsberger Hof, sowie zur tiefer gelegenen Ruhrstraße. Über die neuen Außenanlagen, die der historischen Wegeverbindung, der Englischen Promenade, nachempfunden wurden, entsteht eine zusätzliche Verbindung zwischen der höher gelegenen Altstadt und der im Tal fließenden Ruhr. Bei der Materialwahl entschieden sich die ArchitektInnen entgegen der ursprünglich geplanten Grauwacke für einen hellen Gauinger Travertin mit gestockter Oberfläche und markieren den Neubau so als eigenständigen skulpturalen Baukörper innerhalb des Gesamtensembles. Auch im Inneren setzt sich das Gebäude mit einem großzügigen Treppenhaus selbstbewusst in Szene und sucht doch immer wieder die Verbindung mit seiner Umgebung. Dies geschieht vor allem durch diverse Öffnungen, die unterschiedliche Ausblicke auf die Stadt und die umgebende Landschaft ermöglichen. Schon beim Weg über die Brücke blicken BesucherInnen über drei bodentiefe, sägezahnförmig angeordnete Fenster nach Süden. Zeichnungen auf der Verglasung geben Hinweise auf die außerhalb liegenden Gebäude. Am Ende des Gangs scheint man durch ein großes rahmenloses Fenster direkt auf das Ruhrtal zuzugehen. Sattgesehen, führt einen der weitere Weg über eine gegenläufige Treppe in die tiefer liegenden, deutlich introvertierteren Ausstellungsräume bis ins 4. Untergeschoss, womit man auf dem Niveau der Ruhrstraße angelangt ist. Durchgangsräume wurden durch diese Art der Wegführung vermieden – ein Wunsch des Bauherrn, der separat voneinander bespielbare Ausstellungsräume vorgab. Die Materialien nehmen sich sowohl im Neu- wie im sanierten Altbau dezent zurück – am Boden weißer Terrazzo im Treppenhaus und Eichendielen in den Ausstellungsräumen.
Bautechnische Besonderheiten
Die technischen Herausforderungen lagen vor allem der schwierigen Situation am Hang. Die hangseitig etwa 10 m tiefe Baugrube ist geologisch so beschaffen, dass horizontale Kräfte das Gebäude schieben würden. Dies verhindert ein entsprechender, dauerhafter Verbau gegen den Hang, der den eigentlichen Baukörper vom Erdreich entkoppelt. Innen galt es vor allem die Ausstellungsräume stützenfrei zu gestalten. Eine kostengünstige Lösung erzielten die ArchitektInnen hier mit Betonfertigteilplatten aus dem Industriebau. Mit den sogenannten Pi-Decken lassen sich bis zu 20 m stützenfrei und optisch ansprechend überspannen. Dafür gönnte man sich an der Fassade eine aufwändige Steinbearbeitung des fast 10 cm starken Natursteinmauerwerks, um die Massivität des Baukörpers zu unterstreichen.
Fazit
„Durch die selbstbewusste Positionierung des Neubaus hat das Sauerlandmuseum ein ganz neues Profil gewonnen“, resümiert Martin Bez. Neben der deutlich regional ausgerichteten Dauerausstellung im Altbau bietet der Ergänzungsbau nun auch die Möglichkeit hochkarätige Wechselausstellung zu zeigen und dem Museum wie der Stadt zu stärkerer überregionaler Ausstrahlung zu verhelfen. Bestes Beispiel hierfür – die zur Eröffnung gezeigte August-Macke-Ausstellung erreichte rund 40.000 BesucherInnen.
Baudaten
Objekt: Sauerlandmuseum
Standort: Alter Markt 24-30, 59821 Arnsberg
Typologie: Öffentliche Gebäude, Museum
Architektur: Bez + Kock Architekten, Martin Bez und Thorsten Kock
Projektleitung: Meredith Atkinson
Mitarbeit: Lea Keim, Antonia Hauser, Anna Piontek, Maria Dallinger, Roman Ramminger, Andrea Stegmaier
Bauherr: Hochsauerlandkreis, Meschede
Fachplaner
Örtliche Bauleitung: BBM Bodem Baumanagement, Coesfeld, www.bodem-baumanagement.de
Tragwerksplanung: wh-p Ingenieure AG, Stuttgart, www.wh-p.de
Elektroplanung: GBI Gackstatter Beratende Ingenieure, Köln, www.gbi.eu
HLSK-Planung: Henne & Walter Ingenieurbüro für technische Gebäudesysteme, Reutlingen, www.henne-walter.de
Bauphysik: Wolfgang Sorge Ingenieurbüro für Bauphysik, Nürnberg, www.ifbsorge.de
Projekt- und Ausstellungskonzeption: Dr. Ulrich Hermanns Ausstellung Medien Transfer GmbH, Münster, www.ulrich-hermanns.de
Landschaftsplanung: Wiederkehr Landschaftsarchitekten, Nürtingen, www.wiederkehr.biz
Projektdaten
BGF: 3.533 m2
BRI: 16.271 m³
Kosten: 2.143 €/m2 BGF (brutto)
Wettbewerb: 2012 / 2. Preis
Neuplanung: 2015
Fertigstellung: 09/2019
Hersteller
Fassade: Lauster Steinbau GmbH, Stuttgart, www.laustersteinbau.de
Fenster / Türen: Schüco International KG, www.schueco.com, Variotec GmbH & Co. KG, www.variotec.de, TSH-Systeme GmbH, www.tsh-system.de
Böden: Weitzer Parkett GmbH & Co. KG, Weiz (AT), www.weitzer-parkett.com, R. Bayer Betonsteinwerk GmbH, Blaubeuren, www.betonwerkstein.de, Cinca Mosaico Porcelanico, Fiães (PT), www.cinca.pt
Beleuchtung: Erco GmbH, Lüdenscheid, www.erco.com, Leucos®, Salzano (IT), www.leucos.com
Tischlerarbeiten: Fabri Innenausbau GmbH & Co. KG, Meschede, www.fabri-innenausbau.de
Streckmetalldecken: durlum GmbH, www.durlum.com
Software: ComputerWorks GmbH, Lörrach, www.computerworks.de