Schul- und Sport-
komplex, Clamart/FR
Am Beginn eines Architekturprojekts steht immer eine prägnante Idee. Wird diese Idee vom Bauherrn, den Tragwerksplanern und den Nutzern mitgetragen, dann können erfolgreiche und charakteristische Resultate, wie der Schul- und Sportkomplex in Clamart vom Pariser Architekturbüro Gaëtan Le Penhuel, entstehen.
Clamart liegt im Südwesten der französischen Hauptstadt. Der Schul- und Sportkomplex erfüllt eine städtebauliche Übergangsfunktion zwischen den elfgeschossigen Wohntürmen entlang der langgezogenen nordwestlichen Grundstücksgrenze und den frei stehenden Einfamilienhäusern entlang der drei anderen Grundstücksränder. Die beiden Einrichtungen spielen aber auch eine entscheidende Rolle als Bindeglied zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten der unmittelbaren Umgebung.
Für die Neubauten wurden die alten und nicht mehr adäquaten Schul- und Sportgebäude auf demselben Grundstück, die aufgrund ihrer räumlichen Anordnung eine Barriere im Stadtviertel formten, abgerissen.
Die Architekten übersetzten die städtebauliche Bedeutung der Neubauten in einen übersichtlichen und funktionellen Masterplan, der sich durch eine zentrale Fußgängerachse auszeichnet. Sie verbindet nicht nur die verschiedenen Wohnensembles, sondern auch die Buslinien im Südosten mit der neu angelegten Straßenbahnlinie im Nordwesten. Der Weg stellt das Rückgrat des Projekts dar: auf der einen Seite erstreckt sich der Sportkomplex mit einem überdachten Dojo, einer Turnhalle, einem Tennisspielplatz und einem Leichtathletikbereich. Auf der anderen Seite entwickelt sich der Schulkomplex mit seinen verschiedenen Volumen und Höfen.
Auf den beiden dreiecksförmigen Restgrundstücken im Südwesten und Nordosten sollen in Zukunft Wohnbauten realisiert werden. Der von den Landschaftsarchitekten ausgearbeitete Plan für alle Außenanlagen und Grünflächen erfüllt die Forderungen des Bebauungsplans der Gemeinde zur Erhaltung eines bestimmten Prozentsatzes an Außenflächen und des Schutzes bestimmter Bäume. Für gefällte Bäume mussten neue gesetzt werden.
Falsche Geschwister
Nach dem gewonnenen, öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb 2010 folgte eine lange Phase der Ausarbeitung des Entwurfs, unter Einbeziehung aller spezifischen Wünsche des Bauherrn, der Nutzer, der Schule, des Amts für Sport der Stadt Clamart sowie der umliegenden Bewohner. Dieser rege Austausch, der von der Stadt geleitet wurde, begleitete Gaëtan Morales, Projektleiter im Architekturbüro Gaëtan Le Penhuel, bis zur Ausführung auf der Baustelle.
Während sich die Schulanlage als orthogonales, funktionelles Gebäudeensemble präsentiert, fällt die Sportanlage sofort durch ihre fließenden Formen und die charakteristischen Fassaden auf.
Die Gründächer der Schulgebäude und das geschwungene Dach über den Sporthallen – die Architekten sehen sie als 5. Fassade – sind Teil des gesamten städtebaulichen und architektonischen Konzepts, das darin bestand am Fuß der Wohntürme eine abstrakte Landschaft zu schaffen, die zum einen an eine Hügellandschaft (das Dach des Sportkomplexes) und zum anderen an eine Prärie (die begrünten Dächer der Schulgebäude) erinnern soll.
Auf der Basis dieses Leitkonzepts wollten die Architekten zwei Gebäudekomplexe schaffen, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen auch formal und in der materiellen Ausarbeitung der Fassaden, Höfe und Dächer differenzieren.
Beim Schulkomplex handelt es sich um zwei Schulen, die jeweils aus einer Kita, einem Kindergarten und einer Grundschule bestehen und zum größten Teil unabhängig voneinander organisiert sind. Die gemeinschaftlich genutzten Räume und Funktionen, wie die Kantine und Küche und das Freizeit- und Aktivitätszentrum, bilden auch architektonisch die verbindenden Elemente. Die Schul- bzw. Pausenhöfe, um die sich die Gruppenräume der Kitas und Kindergärten gruppieren, sind vergleichbar angelegt. Der am zentralen Fußweg gelegene Hof jedoch wird durch ein Zwischengebäude in zwei kleinere Höfe unterteilt, das den Kindern während der Nachmittagsbetreuung als Spiel- und Kreativwerkstatt zur Verfügung steht.
Der am Fußgängerweg gelegene Sportkomplex wird von den Schulen genutzt, dient aber auch den verschiedenen Vereinen der Stadt als Sportzentrum. Der Zugang zu den einzelnen Sportfeldern erfolgt entweder über den Fußgängerweg oder über die neu geschaffene Zufahrt und die Parkplätze auf der Gebäuderückseite.
Künstliche Hügellandschaft
Das 130 m lange und 40 m breite Dach be-ginnt auf der Schmalseite des Sportkomplexes bündig ab dem Erdboden, legt sich wie ein Tuch über die geschwungenen Deckenbalken der verschiedenen Hallen, bevor es auf der anderen Seite wieder bis zur Erd-oberfläche reicht. Nur über dem Leichtathletikplatz wurde eine ovale Öffnung von 18 x 36 m eingeschnitten, die an einen See – verstärkt durch den blauen Bodenbelag – erinnern soll.
Dem Entwurf der Dachtragkonstruktion liegt ein quadratisches Grundrissraster mit einer Seitenlänge von 3 m zugrunde, das sich entsprechend der Anordnung der unterschiedlichen Funktionen hebt und senkt.
Ähnlich einer Kassettendecke entwickelten die Architekten ein Tragwerk, das gleichförmig in Längs- und Querrichtung trägt und damit eine einheitliche Untersicht des Holzdachtragwerks erzeugt. Das Raster wurde mittels verschiedener 3D-Programme zu einer berechenbaren und konstruierbareren, dreidimensionalen Dachkonstruktion modelliert. Aus wirtschaftlichen Überlegungen entschied man sich dann allerdings, die Querträger mit ihrer Gesamtlänge von 40 m als höhere Hauptträger auszubilden, wobei sie aus transport- und montagetechnischen Gründen in drei Teile zerlegt werden mussten.
Die Hauptträger in Querrichtung werden von den weißen, vertikalen Stahlstützen an der Fassade mit den Rechtecksquerschnitt von 300 x 100 mm und einer Wandstärke von 5 mm getragen, während die Diagonalen als Windaussteifung fungieren. Die zweite, vertikale Stütze übernimmt ebenfalls eine tragwerkstechnische Funktion, weil sie über den Verband mit den Diagonalen einen Teil der Lasten der Dachträger mitträgt.
Die Höhenentwicklung des Dachs folgt der Logik der inneren Organisation der Sporthallen, der Gänge und Umkleidekabinen: Der Großteil der Umkleidekabinen und Toilettenanlagen sind in Längsrichtung entlang der Gebäuderückseite organisiert. Dementsprechend ist das Dach in diesem Bereich im Vergleich zu den Sporthallen mit rund 5 m wesentlich niedriger, wodurch letztlich auch die Konstruktion an sich wirtschaftlicher wurde. Im Bereich der Tennishalle mit dem benachbarten, offenen Sportplatz wurde dieses Prinzip umgedreht. Zusätzlich wurden die Sporthallen in Längsrichtung optisch durch Senken („Täler“) getrennt, unter denen sich ebenfalls Umkleidekabinen oder Gänge befinden.
Die Sichtbetonwände zwischen den einzelnen Sporthallen, Umkleideräumen und Gängen sind 3 m hohe Ortbetonwände, die die Dachbalken über darauf positionierte Stahlbetonstützen mittragen. Dadurch konnten die Spannweiten der Holzträger über den Sportfeldern auf maximal 30 m reduziert werden.
Die Flächen zwischen den Oberkanten der Betonwände und den Deckenunterkanten wurden mit Lamellen aus Lärchenholz – das für die gesamte Innenausstattung verwendet wurde – verkleidet, hinter denen sich nicht nur die Schallisolierung befindet, sondern auch die technischen Installationen, wie z. B. Be- und Entlüftungsrohre.
Fünf Fassaden
Die Längsfassaden des Sportkomplexes wurden entweder mit Polykarbonatplatten oder mit einer Netzstruktur aus Edelstahlseilen verkleidet. Damit reagierten die Architekten auf Bauvorschriften der Stadt, die durch einen Materialwechsel und unterschiedliche Gebäudehöhen lange, durchlaufende und monotone Fassaden verhindern sollen.
Auf der Schulseite sind rund zwei Drittel des Gebäudes mit der Polykarbonatfassade verkleidet, hinter der sich das Dojo und die Turnhalle befinden, während die Fassade entlang der Leichtathletikbahn aus einem einfachen Stahlnetz geformt wird. Auf der Rückseite hingegen wurden die Fassaden entlang des Gangs zur Turnhalle und dem Dojo als Gitternetz ausgebildet, während die Fassade im Bereich der Turnhalle aus Polykarbonatplatten besteht. Aufgrund des offenen Gangs wurden Brandschutztüren überflüssig.
Auffallend ist, dass die Polykarbonatplatten von der Bodenkante bis zur Dachunterkante in einem Stück und ohne horizontale Fugen durchlaufen, weshalb die Platten im Bereich der Turnhalle auch eine Gesamthöhe von insgesamt 12 m besitzen. Die maximal mögliche Gesamtlänge der Platten wurde bereits im Entwurf berücksichtigt und bestimmte letztlich die Höhe der Turnhalle. Die Platten wurden von oben zwischen die Halterungen an den Stahlstützen eingeschoben. Unterbrochen werden diese gebäudehohen Platten schulseitig nur von den Schiebetüren, die als sekundäre Zugänge sowie zur Querbelüftung des Gebäudes dienen.
Der Sportkomplex in Clamart ist ein gutes Beispiel, wie eine komplexe Geometrie durch scheinbar einfache, aber effiziente, technische und konstruktive Mittel, einer auf das Wesentliche reduzierten Materialwahl und einer guten Projektabwicklung zu einer funktionellen und sauberen Lösung führen kann. Michael Koller, Den Haag
Baudaten
Objekt: Neubau eines Schul- und Sportkomplexes
Standort: Clamart/FR
Typologie: Schul- und Sportkomplex
Bauherr: Stadt Clamart
Architekt: Gaëtan Le Penhuel & Associés - Architectes, Paris/FR, www.lepenhuel.net
Projektleiter Schulkomplex:
Cristina Fernandez
Projektleiter Sportkomplex:
Gaétan Morales
Wettbewerb: 2010
Fertigstellung Schulkomplex:
Dezember 2015
Fertigstellung Sportkomplex: April 2016
Fachplaner
Tragwerksplanung und Fassadenplanung Sportkomplex: VS-A, Lille/FR; www.vs-a.eu
Baufirma Dachtragwerk, Dachdeckung, Fassaden: ENTREPRISE POULINGUE, Beuzeville/FR; www.poulingue.fr
Baufirma Hauptwerk: Léon Grosse/FR
Planungsbüro Holzbau: CHARPENTE CONCEPT, Saint-Pierre-en-Faucigny/FR; www.charpente-concept.com
Kostenrechnung: IC.TEC, Château-Thébaud/FR; www.ictec.fr
TGA-Planung: FACEA, Fontenay-sous-Bois/FR; www.faceagroup.com
Landschaftsplanung: ATSL - Atelier
Silva Landscaping, Paris/FR;
www.silva-landscaping.com
Baufirma Aussenanlagen: Watelet TP, Gennevilliers /FR; www.watelet-tp.com
Akustikplanung: General Acoustics BE,/FR; www.general-acoustics.fr
Energieplanung: RFR éléments - Eléments Ingénierie, Paris/FR; www.rfr-elements.com, www.elements-ing.com
Projektdaten
Grundstücksgröße:
ca. 5 200 m²
Bruttogeschossfläche: 13 979 m²
Nutzfläche Sportkomplex: 3 173 m² + 2 280 m² (Außenanlagen)
Baukosten
Nutzfläche Schulkomplex: 7 764 m² + 5 069 m² (Außenanlagen)
Gesamtkosten (Schul- und Sportkomplex): 30,78 Mio. €
Kosten Sportkomplex (netto)
Fundamentarbeiten, Stahlbau, Haupttragwerk: 4,35 Mio. € (netto)
Dachtragwerk, Dachdeckung, Fassaden: 4 763 066 € (netto)
Kosten Außenanlagen:
2,2 Mio. € (brutto)
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 157,9 kWh/m²a
Heizenergiebedarf: 40,15 kWh/m²a
Hersteller
Aluminium Dachdeckung: BEMO Systems GmbH, www.bemo.com.de
Holzbau Dachtragwerk: Metsä Wood, Courbevoie/FR, www.metsawood.com/fr
Boden Turnhalle: Gerflor Villeurbanne /FR, www.gerflor.fr
Boden Tennishalle u. Athletikbahn: GreenSet, Barcelona/ES, www.greenset.net
Polycarbonatplatten Fassaden:
Poly-PAC, Bruz/FR, www.poly-pac.fr
Netzstruktur Edelstahlseile Fassade: Jakob, Trubschachen/CH, www.jakob.com