Schule ist auch die Bühne für neue Generationen
DBZ Heftpartner Mads Mandrup Hansen und Julian Weyer, C.F. Møller Architects, Kopenhagen/DKDie Nordischen Länder haben eine langjährige Tradition, Architektur als Werkzeug sozialer Innovation und individueller Ermächtigung einzusetzen. Auch C.F. Møller Architects, 1924 gegründet, ist von der nordischen, humanistischen Moderne nicht nur stark beeinflusst, sondern hat diese mitdefiniert und wesentlich zum Aufbau der skandinavischen Sozialstaaten beigetragen.
Wir sehen mehr denn je den Bedarf nach starken Werten in der Rolle der ArchitektInnen, der sich vom reinem Formgeber zu einem interdisziplinären Multitasking-Koordinator gewandelt hat, der die ständig wachsende Menge an Input zusammenbringt, die jedes Projekt benötigt. In der Betrachtung der Architektur als soziales Werkzeug steckt das Potential, Spielregeln zu ändern und Rahmenbedingungen neu zu definieren – als Innovation sehen wir dies als weitaus radikaler als es allein Form oder Ausdruck schaffen können: Der Erfolg von Architektur wird durch das definiert, was sie tut, nicht nur dadurch, wie sie aussieht.
So sind heute die nordischen Schulbauarchitekturen ein direkter Spiegel von den pädagogischen und gesellschaftlichen Ideen, die dahinterstehen: SchülerInnen sind heute als Kinder mit individuellen Lernanforderungen und zunehmend aktivem Mitwirken an den Lernprozessen zu verstehen – das muss nicht nur die Einrichtung, sondern auch die Schule als Ganzes unterstützen. Die klassisch hierarchische Organisation von Schulbauten ist daher abgelöst von dezentralisierten, veränderbaren und vielfach aktivierenden Räumlichkeiten – sowohl im gesamten Grundriss als auch in den einzelnen Unterrichtsräumen.
Mitgestaltende Architektur ist umso wichtiger, weil die Schüler sich als Individuen finden und entwickeln sollen, aber auf keinen Fall selbstherrlich oder vereinzelt. Sie sollen soziale und gesellschaftliche Normen und Werte verinnerlichen, und das spiegelt sich auch in der Bildersprache des Schulbaus wider: Wir sind dazu übergegangen, statt von „Zimmern“ als Kerneinheit von inneren „Landschaften“, „Stadträumen“, „Plätzen“ und „Orten“ zu sprechen, und das Ideal von aufgeteilten und getrennten Räumen hat sich zum verknüpftem und kontinuierlichem Raum gewandelt. So wird die Schule auch zu mehr als einem Ort einseitiger Wissensübermittlung; sie wird ein Raum des Austauschs zwischen Gleichen – und somit zu einem Abbild der Ideale der Zivilgesellschaft. Was darauf verweist, dass SchülerInnen heute weitaus mehr als selbständige und kompetente Individuen verstanden und unterstützt werden.
Wir arbeiten daher heute mit Schulen, die den Nutzern eine vielfältige Mischung von sowohl klassischen Unterrichtsräumen als auch nicht eindeutig programmierten oder funktionsbestimmten Räumen und Nischen zur Verfügung stellen, die es SchülerInnen und LehrerInnen erlaubt, ihren bevorzugten Raum drinnen oder draußen selbst zu finden; und gleichzeitig sollen diese Räume starke Außenbezüge zur Umgebung und vor allem zur Gesellschaft schaffen.
Die Inspiration dazu kommt heute aus aller Welt, z. B. von den kalifornischen „High Tech Highs“, Schulen, die technische Schulung mit klassischem Lehrbuchunterricht kombinieren und School-to-Work-Strategien – einschließlich Praktika und anderer Formen der Feldarbeit – als Hebel für den Wandel des gesamten Schulerlebnisses nutzen. Oder sie kommen von den Prinzipien David Thornburgs, der die Verknüpfung individuellen Lernens mit interdisziplinärem Austausch und vor allem praktischen Anwendungen im Austausch mit der Außenwelt hervorhebt.
Denn Schulbau ist mehr als ein pädagogischer Raum, er ist auch die Bühne für neue Generationen, die, im Gegensatz zum früheren „gesehen, aber nicht gehört“, absolut beanspruchen, sowohl gesehen als auch gehört zu werden. Daher ist der Sprung auch naheliegend, diese offenen und zugänglich gestalteten Bildungseinrichtungen gleich als lokale Kultur- und Wissenszentren mitzugestalten, die die SchülerInnen in die lokale Gemeinschaft einbeziehen und Treffen und Austausch über Generationslücken und sozialen Schichten hinweg ermöglichen – aktuelle Beispiele dafür stellen wir Ihnen in diesem Heft vor.