Schuppen aus Glas Unternehmenssitz von Bouygues, Paris/F
Der neue Stadteingang des Pariser Vorortes Issy-Les-Moulineaux entstand in einem Viertel das sein Architekt Christian de Portzamparc als Nomans-Land bezeichnet. Ein starkes Stück auf einem dreiecksförmigen Bauplatz zwischen Schnellbahn, Straßen und einem Transformatorengelände der französischen Stromgesellschaft EDF.
Die Techniker der EDF leben unmittelbar neben dem neuen Stadteingang, in den ziegelgedeckten Wohnhäusern, um die das Projekt von Christian de Portzamparc einen freundlichen Bogen schlägt. So wirft es keinen Schatten auf die traditionellen Häuser, die inmitten all der Büros in feinem Grau überleben. Bis auf diese Relikte, ist alles hier ganz neu, ganz modern und sehr, sehr glatt. Typisch für die Handschrift des Planers ist die Entscheidung für eine Gliederung des Bauvolumens statt eines imposanten, glänzenden Büroturms, um so Querverbindungen zu schaffen, den Bestand zu respektieren und Lichthöfe und kleine Gärten entstehen zu lassen. Die stereotype Bürogebäudeglätte zu brechen, das lag Christian de Portzamparc, der diesen Auftrag direkt erhielt, am Herzen. Statt über belanglose glitzernde Rasterfassaden zu schlittern, fängt sich der Blick auf den neuen Unternehmenssitz des französischen Immobilienriesen Bouygues an den Fensterbrüstungen der Dueo und Trieo getauften Bürogebäude, die mit ihrem scheinbar unregelmäßig strukturiertem braun eingefärbten Beton den alten Häusern nebenan ihre Referenz erweisen; vor allem aber bleibt er am Schuppenkleid des Galéo-Baus, des Schmuckstück des Ensembles hängen.
Das Büro als Individuum
Die organisch anmutende Skulptur, eine außen gedämmte und zinkverkleidete Betonkonstruktion, verbindet die Kontur eines riesenhaften Kieselsteines mit der Leichtigkeit eines enormen Leuchtkörpers. Das Erdgeschoss ist als Sockel etwas zurückgesetzt. Ein mit Edelstahl verkleidetes gezahntes Kranzgesims zeichnet die Kontur der übereinander geschobenen Glaselemente darüber nach. Die Luftschicht zwischen Zinkoberfläche und den vorgesetzten Glasschuppen funktioniert als Klimapuffer, stoppt den Lärm des benachbarten Hubschrauberlandeplatzes sowie der unmittelbar daneben verlaufenden Ringautobahn um Paris. Die begehbaren Gitterroste zwischen Gebäude und Glaselementen erfüllen mehrere Funktionen : Sie dienen dem Sonnenschutz, bieten gefahrlosen Zugang für Reinigungskräfte und Feuerwehr. Die entsprechenden Feuerschutz-Glaselemente, die einzigen und die mobil sind, bezeichnet ein roter Punkt . Sie lassen sich im Brandfall mit einem Schlüssel öffnen und nach innen gleitend zur Seite schieben. Diese kleinteilige Schutzhülle aus 700 leicht trapezförmigen Scheiben mit einem Grundraster von 3,45 auf 1,85 Metern, passt sich der unregelmäßigen und gewölbten Form perfekt an. Eine Primärstruktur von 180 Tonnen galvanisiertem Stahl und eine zweite aus 45 Tonnen satiniertem Edelstahl tragen das Ganze. Die Scheiben sind sich überlappend mit je acht Haltepunkten daran fixiert. Entsprechend ihrer Position an der Fassade sind die Verbundgläser klar (im Konferenzsaal) oder serigraphisch im Verlauf von unten nach oben zunehmend mit feinen Streifen bedruckt und variieren in der Dimensionierung. Metallplatten schliessen den Dachbereich, der aber als solches gar nicht wahr genommen wird.
Das in keinem Punkt symetrische Gebäude ist das Erste das im Büro de Portzamparc als 3D-Projekt geplant und entwickelt wurde. Der erreichte Umwelt-Standard ( HQE Haute Qualité Environnementale, definiert im Jahr 2005) erlaubt Energieeinsparungen von 20 Prozent gegenüber den geforderten Werten. Sein Jahresverbrauch beträgt rein rechnerisch 84 Kilowattstunden pro Quadratmeter. So möchte der französische Bauriese, der im Übrigen als Bauherr hier über ein entsprechendes Budget verfügte, seine Fortschrittlichkeit in Sachen Umweltschutz demonstrieren.
Nachts verwandelt sich „Galéo“ in eine farbig leuchtende auf französisch „lampe japonaise“ genannte Laterne. Dabei sind alle denkbaren Farbnuancen möglich. So wird das Büro in dem leeren Viertel für die Menschen in den vorbei fahrenden Autos und Zügen zum Leuchtsignal und, dank bald integriertem Logo, auch zum Werbekörper für das Unternehmen.
Arbeitsplatz für 200 Menschen
Die Eingangshalle spielt mit orange hinterleuchteten und rund um den Gebäudekern ebenfalls schuppenförmig übereinander gesetzten Holztafeln aus hell lasierter Buche auf die Charakteristik der Außenhülle an. „Die Edelstahlbänder im Boden zwischen dem Belag aus Colblanchin (einem sehr hellen französischen Stein), kurven wie Rennbahnen um den inneren Kern und nehmen nochmal seine Form auf“ erläutert der Architekt Julien Lissarrague. Die weiträumigen und vollkommen ruhigen Büros baden in Licht, selbst bei bedecktem Himmel, denn mehr als 50 Prozent der Gebäudeoberfläche sind verglast. Die Fenster - nicht selbstverständlich - können hier von Hand geöffnet werden.
Ein zentral über 800 Sonden gesteuertes Regulierungssystem für Licht und Temperatur überwacht abgestimmt auf die Zahl der anwesenden Mitarbeiter und ihre Bewegung im Gebäude den Energiebedarf. Wassergekühlte Träger in den Decken temperieren die Räume. Geheizt wird per Anschluss an das städtische Heizsystem. Ziel war es weitgehend das natürliche Licht zu nutzen und so den Stromverbrauch zu minimieren. So liegen die Nottreppen konsequent an der Gebäudeaußenseite, um vom Tageslicht zu profitieren.
Eine ultrachicke „Haube“
„Das hat ein bisschen was von James Bond“ freut sich der Architekt, als er auf Galéo‘s Höhepunkt, in des Wortes wahrem Sinn, zu sprechen kommt. : „La coiffe“ - die Haube - das ist der spitz auf die gegenüberliegende Periphérique- Ringautobahn zulaufende Konferenzsaal mit Mezzaningeschoss. Hier gewähren die vorgesetzten Scheiben ohne Strukturierung freien Blick; die verglasten Seiten schieben sich weit oben in elegantem Bogen zu einer geschlossenen Decke zusammen unter der ein enormer dreiecksförmiger Konferenztisch vor einem ebenso riesenhaften Flachbildschirm ruht. Stimmt, das wäre ein würdiger Rahmen für Mister 007! Cornelie Kraus, Jarzé
Baudaten
Objekt: Galéo-Bau des Unternehmenssitzes von Bouygues Standort: Boulevard Gallieni, Issy-les-Moulineaux
Bauherr: Bouygues Immobilier
Architekt: Christian de Portzamparc
Fertigstellung: September 2009
Projektdaten
Bruttogeschossfläche: 5840 m²
Gebäudehöhe: 36,81 m
Gebäudelänge: 52 m
Gebäudebreite: 27 m
Energieverbrauch pro Jahr: 84 kWh/m²