Selbst Schlüsse ziehen

„Viele der Details, die in diesem Buch beschrieben und gezeigt werden, entsprechen nicht mehr der gängigen Praxis und folgen nicht den heutigen Bau- und Konstruktionsstandards.“ Dieser Hinweis, gleich auf der ersten Druckseite, macht eine ganze Menge deutlich und wer sich schon einmal intensiv mit der Sanierung von Architekturklassikern der Moderne befassen durfte, weiß, was hier gemeint ist! Warum dann das – aus heutiger Sicht – Falsche zeigen? Weil es ums Detail geht, um den Blick darauf, wie ein Großer der Architekturgeschichte seine Ikonen gefertigt hat.

14 Projekte von Mies van der Rohe werden vom Großen ins Kleine analysiert. Ausgehend vom tragenden Gerüst über die Raumgestaltung bis hin zu konstruktiven Details gräbt sich der Autor mittels extra für alle Projekte angefertigte Zeichungen tief in die Seele der Architekturen. Allerdings bleibt die Analyse schematisch, die Zeichnungen reagieren nicht auf die Originalvorlagen, sondern verallgemeinern den Gestus, um eine stärkere Vergleichbarkeit von Dimension, Material und Fügung zu erreichen.

Alle Projekte, darunter die Häuser Esters und Lange (1927 − 30), Haus Tugendhat (1928 − 30), der Barcelona-Pavillion (1928 − 29), das Farnsworth House (1946 − 51), Lake Shore Drive (1948 − 51) und natürlich die Neue Nationalgalerie (1962 − 68), werden zudem kurz über einen Erläuterungstext und über historische und aktuelle Fotografien vorgestellt.

Was am Ende vielleicht fehlt, ist die Antwort auf die Frage, ob die behauptete Wechselbeziehung zwischen Konstruktion und gestalterischem Ausdruck tatsächlich eine bewußt bearbeitete Kategorie im Mies-Kosmos war, ob das in dieser Publikation in den Vordergrund gestellte „less is more“ tatsächlich war oder nur ein schöner Schein (wie beim Barcelona Pavillon beispielsweise). Das Studium der Zeichnungen ist damit jedem selbst überantwortet. Die Schlüsse, die man daraus ziehen kann, müssen ebenfalls die eigenen sein. Be. K.