Softwaregestützte Bauausführung
Planung und Steuerung von Baustellenprozessen

Ist BIM das Allheilmittel, das Bauprojekte retten wird?

Die Komplexität von Bauprojekten steigt mit voranschreitender Technologie und Innovation der Produkte, die verbaut werden. Projekte werden größer, Gebäudetechnik komplexer, die Anzahl involvierter Fachfirmen höher und die Handgriffe, die benötigt werden, um Projekte abzuliefern, steigen in die Hunderttausende.

Im Kontext der Innovationen in unserer alltäglichen Welt wirkt das Bauwesen im Hinblick auf die Digitalisierung rückständig. Besonders vor dem Hintergrund der wachsenden Komplexität der Projekte erscheint dies beinahe paradox.

Seit einigen Jahren setzt sich BIM als Synonym für Digitalisierung durch. Doch ist BIM das Allheilmittel, das Projekte retten wird? Wo entstehen die Probleme in Bauprojekten – liegen sie ausschließlich in der Planungsphase, den Leistungsphasen 1−5? Sind sie durch eine bessere Planung tatsächlich vollständig vermeidbar? Ist ein Bauprojekt wirklich in Planungsphase und Ausführungsphase trennbar – oder findet nicht auch während der Ausführungsphase sehr viel Planung statt und muss sogar auch hier stattfinden, um steuern zu können?

Ein Thema, das besonders in Deutschland mehr und mehr in den Fokus gerät, ist Lean Construction. In anderen Industrien bereits auf andere Weise etabliert – in der Automobilindustrie als Lean Production, in der Softwareindustrie weitgehend als Scrum – geht es hier vor allem um eines: Wertmaximierung und Verschwendungsreduzierung durch Kollaboration und Transparenz. Prozesse und Abläufe sollen gemeinsam betrachtet werden, gemeinsam geplant und koordiniert und Probleme gemeinsam gelöst werden. Das System lebt von einer klaren Definition von Zuständigkeiten und einer klaren Kommunikation zwischen den Beteiligten und führt dadurch zu einer Effizienzsteigerung bei der Projektabwicklung.

Im vorliegenden Artikel wird anhand eines Praxisbeispiels der Einsatz dieser Methode in einem Bauprojekt vorgestellt und dabei auch die Verwendung einer digitalen Steuerungsplattform erläutert. Es soll deutlich gemacht werden, welcher besondere Wert in der Kombination von Lean Management und neuen digitalen Werkzeugen liegen kann, um komplexe Bauvorhaben terminsicherer planen und steuern zu können.

Das Lean Konzept

Durch die konsequente Standardisierung und Optimierung der Produktion konnte durch Lean Management insbesondere in der Automobilindustrie ein bis dato unerreichtes Niveau an Produktivität realisiert werden. Die ständige Wiederholung der immer gleichen Arbeitsschritte führten zu einer schrittweisen Perfektion durch zügige Behebung von Fehlern und Eliminierung von Fehlerquellen. Aufgrund einer fortlaufenden Überprüfung der ausgeführten Arbeitsschritte im Hinblick auf Produktivität und Qualität sowie einem unverzüglichen Gegensteuern bei Abweichung vom Ideal konnten Effizienz und Effektivität gesteigert werden. Dieser in Lean Systemen als kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) bezeichnete Mechanismus ist maßgeblich verantwortlich für die positiven Eigenschaften des Produktionssystems.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der schlanken Produktion ist die Vermeidung unnötiger Verschwendung und der Abbau überflüssiger Lager und Puffer. Die Idee dabei ist, Statio-nen innerhalb einer Wertschöpfungskette maxi­mal zu integrieren. So sollen Vorproduktio-nen und Lieferungen Just-in-Time ausgelöst werden, also genau dann, wenn diese auch tatsächlich benötigt werden. Möglich wurde dies durch die Einführung von Pull-Prinzip und Karten-Systemen wie Kanban, die eine bedarfsorientierte Bestellung von Vorprodukten unter Berücksichtigung gegebener Produktionszeiten erreichen. Im Idealfall führt dies zu einem Abbau von Materiallagern, einer verbesserten Auslastung der jeweiligen Maschinen und Produktionsstraßen, einer Reduzierung von Warte- und Lieferzeiten sowie einer Verbesserung des Produktionsflusses der nach Kundenwünschen gelenkten Wertschöpfung.

Besonderheiten des Lean Managements in Bauprojekten

Vergleicht man diese Gegebenheiten mit der Erstellung eines Gebäudes, so lassen sich wesentliche Unterschiede erkennen. Solche Unterschiede sind es auch, die häufig als Gegenargumente einer standardisierten und integrierten Produktion im Baubereich genannt werden. So argumentieren Kritiker der schlanken Bauabwicklung damit, dass Bauwerke prinzipiell Unikate und keine Serie seien und Baustellen eben keine standardisierten Produktionsstraßen darstellen, da sie projektweise entstehen und die Zusammensetzung der Beteiligten von Projekt zu Projekt wechselt.

Einige Adaptionen sind zugegebenermaßen von Nöten, um schlanke Prozesse in Bauprojekten zu ermöglichen. In einer Produktionsstraße durchläuft ein Produkt verschiedene Stationen und wird von Schritt zu Schritt vervollständigt sowie in einen nächst höherwertigen Zustand versetzt. In Bauprojekten ist das Produkt ortsgebunden und entwickelt sich im Rohbau in die Richtungen der Raumdimensionen und im Ausbau innerhalb des neu entstandenen Raums. Ist das Produkt also stationär, so müssen die Stationen beweglich sein − eine einfache Schlussfolgerung, die zu umfassenden Verbesserung wie Wiederholbarkeit von Arbeitsschritten, Messbarkeit von Effizienz und vor allem Steuerbarkeit von Prozessen führen kann.

Ein frühzeitiges und beeindruckendes Beispiel für die Umsetzung eines Bauprojekts mit (Teil-)Serienproduktion und der Mobilität der Produktionsstationen ist die Reihenhaussiedlung Dessau Törten (1926 − 1928). Die Konzepte der Serie und Vorfertigung sowie die Einführung von Taktplanung führten am Ende zu einer rekordverdächtigen Errichtungszeit von nur sechs Stunden für ein einzelnes Reihenhaus. Walter Gropius dachte die Fahrstraße neu, sodass die Materialversorgung über ein Schienensystem entlang der Reihe passierte − Kran und Wagen fuhren auf diesem Schienensystem und lieferten den Gewerken, die von Hausbaustelle zu Hausbaustelle zogen, ihr Material.

Zwar dehnt sich die Siedlung Törten eher in der Ebene als in der Vertikalen aus und ein Reihenhausbau ist per se eine Serienproduktion, doch auch in Hochbauprojekten bietet sich das Umdenken an: Die Gewerke können hier nacheinander zusätzlich vertikal durch das Gebäude geführt werden und die Serien finden sich in Arbeitsbereichen, Räumen oder sogar Bauelementen wieder, für die immer wieder dieselben Arbeitsschritte benötigt werden. Die Arbeitsbereiche werden dabei so gewählt, dass immer nur ein Gewerk in jedem Arbeitsbereich tätig ist und jedes Gewerk ähnliche Zeitdauern je Bereich benötigt. Dadurch wird es möglich, die Gewerke in Takten durch die Bereiche zu führen. Sie arbeiten sequentiell nacheinander, was bildlich zu einem Gewerkezug führt, der sich durch das Gebäude bewegt.

Schlanke Bauablaufplanung und -steuerung in der Praxis

Im Wohnungsbauprojekt Campus Gardens in Heidelberg hat die Dreßler Bau GmbH den Innenausbau nach dem Prinzip der Taktplanung durchgeführt und Arbeitsbereiche und Gewerkezüge definiert. Bereits zu Beginn hatten sich die Projektverantwortlichen vorgenommen, diese Planung detailliert fortzuschreiben, um so eine verbesserte Steuerung des Projekts zu ermöglichen. Dies mündete in einer Verbindung von detaillierter Arbeitsvorbereitung, kontinuierlicher Planung und Steuerung in der Ausführungsphase.

Im Rahmen der Planung wurde das Bauvorhaben in Produktionsabschnitte unterteilt und Arbeitspakete für jeden Produktionsabschnitt festgelegt. Bei der Einteilung wurde darauf geachtet, repetitive Einheiten zu bilden, in denen die Arbeitspakete nach dem Flussprinzip in Reihenfolge abgearbeitet werden konnten. Auf diesem Detaillierungsgrad wurden die Arbeitsbereiche nacheinander zeitlich eingetaktet und als Gewerkezüge von Produktionsabschnitt zu Produktionsabschnitt durch das Gebäude geführt.

Die Verknüpfung von Planung und Ausführung geschah im Detail. Eine kurzfristige Vorschauplanung wurde durchgeführt, in welcher der aktuelle Stand rückblickend und der nächste Zeitraum vorausschauend betrachtet wurden. Fokus des Rückblicks war die Bewertung des Ausführungsstands und der Abgleich mit dem Soll. Im Sinne des Prinzips der kontinuierlichen Verbesserung wurden Konsequenzen und Maßnahmen aus dem Rückblick abgeleitet, die im darauffolgenden Zeitraum angewandt und validiert wurden.

Diese kurzfristigen Planungen und Anpassungen während der Bauausführung und insbesondere die Bewertung im Rückblick erforderten belastbare Ausführungsdaten. Sie beinhalteten vor allem den aktuellen Fortschritt je Aktivität und Gewerk und zusätzlich die Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit in den Arbeitsbereichen sowie die Qualität der ausgeführten Arbeiten.

Notwendigkeit und Vorteile einer digitalen Steuerungsplattform

Diese detaillierte Datenerfassung auf getakteten Baustellen kann einen Großteil der täglichen Arbeitszeit beanspruchen, sofern nach der Methode „Stift, Papier, Kamera und Excel“ gearbeitet wird. Im Rahmen von Lean Management entsteht hierbei ein erheblicher Beitrag zur Verschwendung. Nicht nur Material, sondern vor allem auch die Arbeitszeit der beteiligten Mitarbeiter sind als wesentliche Ressourcen anzusehen, deren Ausnutzung möglichst effizient stattfinden sollte. Genau hier ist die Unterstützung durch innovative, digitale Methoden hilfreich, um Verschwendung zu vermeiden.

Deswegen hat sich Dreßler Bau dazu entschlossen, die Sablono Prozessmanagement-Plattform zur Fortschrittsdokumentation einzusetzen. Der Vorteil der Prozessplattform besteht dabei vor allem in der Möglichkeit, selbst komplexeste Bauabläufe detailliert zu verwalten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Tools zur Ablaufsteuerung lassen sich in dem webbasierten System hunderttausende Vorgänge überwachen und mit mobilen Endgeräten auf der Baustelle kontrollieren. Erstmals werden diese Daten in Echtzeit auswertbar, um frühzeitig Probleme zu erkennen und möglichen Auswirkungen entgegenzuwirken.

Im Rahmen des vorgestellten Projekts ist eine Masterarbeit umgesetzt worden, die insbesondere die manuelle und digitale Arbeitsweise zur Datenerfassung miteinander vergleicht. In der manuellen Arbeitsweise wurde die Datenerfassung in vier Schritten durchgeführt. Diese beanspruchten dabei insgesamt zwei Stunden am Tag. Durch den Einsatz der Steuerungssoftware konnten drei dieser Schritte vermieden und der Aufwand auf eine Stunde pro Tag reduziert werden.

Die Qualität der erfassten Daten unterschied sich durch den Einsatz des Systems sehr stark. Der Grund dafür: Die Steuerungsplattform ermöglicht eine Dokumentation in weit höherem Detail als die konventionelle Arbeitsweise, in welcher der Fortschritt häufig nur auf Ebene der Gewerke betrachtet wird.

Der Einsatz einer zentralen Datenplattform vermeidet zudem Medienbrüche, die den größten Beitrag zu unsicheren Daten sowie Mehrarbeit und demnach Verschwendung leisten. Darüber hinaus sind sämtliche Erfassungsdaten direkt und in Echtzeit visualisierbar – so beispielsweise in einem Gantt-Chart, das die aktuellen Fortschrittsdaten sowie mögliche Qualitätsmängel und Behinderungen in sich vereint.

Ausblick

Das gewählte Praxisbeispiel macht deutlich, dass eine echte Steuerung immer komplexer werdender Bauvorhaben nur über die fortlaufende, effiziente Erhebung und Erfassung von detaillierten Echtzeitdaten erfolgen kann. Dies gilt insbesondere für schlanke Bauprozesse, deren Erfolg maßgeblich auf einer iterativen und kennzahlengestützten Überprüfung und Anpassung der Planung auf Wochen- oder gar Tagesbasis beruht.

Wie gezeigt werden konnte, bietet der Einsatz einer Steuerungssoftware erhebliche Vorteile, sodass Bauprojekte ab einer gewissen Komplexität nicht ohne diese umgesetzt werden sollten. Dabei ist es schon heute möglich, dass die Ausführungsplattform mit den Daten aus der Planung angereichert wird. BIM in der Planungsphase und Lean Construction in der Ausführungsphase vereint dabei die Betrachtung des Bauwerks und dessen Eigenschaften als Produkt. Im Kontext des Trends BIM-To-Field kann Lean hierbei die Brücke schlagen, BIM sinnvoll in die Ausführung zu führen und somit eine lückenlose Verknüpfung von Planungs- und Ausführungsphase zu ermöglichen.

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