Stadt neu bauen
Nach nur rund 6-jähriger Entwicklungsphase geht die IBA Hamburg am 23. März 2013 in ihre finale Präsentation. Mit Kongressen und Veranstaltungen, Führungen und ca. 2 500 Fahrten des IBA-Shuttle-Busses werden die ca. 60 Bauprojekte dieser IBA der Öffentlichkeit vorgestellt. Herzstück und Schaufenster wird Wilhelmsburg Mitte sein. Hier entstehen nicht nur die „Modellhäuser des 21. Jahr-hunderts“, die Smart Material-, Smart Price-, Hybrid- und Waterhouses, sondern hier vereinigen sich IBA und internationale gartenschau (igs) 2013 zu einem neuen Stück Stadt.
„Stadt neu bauen“, das Motto der IBA Hamburg, lässt sich vielleicht an keiner Stelle so deutlich erfahren wie im ehemaligen Niemandsland zwischen Bahntrassen und Stadtautobahn. Diese Gebiete, die die IBA „Metrozonen“ nennt, sind der eigentliche Raum der Ausstellung und der Projekte. In Zeiten einer Renaissance der Stadt sind die inneren Peripherien – verwahrloste Hinterlassenschaften der Ersten Moderne, überdimensionierte
Infrastrukturanlagen und Gewerbegebiete, aufgelassene Güterbahnhöfe und Müll-kippen – die eigentlichen Ressourcen des neuen Stadtwachstums. Hier, nicht in den aufgehübschten Gründerzeitvierteln, findet die Stadt von morgen statt. Mit rund 20 Projekten im Leitbild „Metrozonen“ will die IBA Hamburg zeigen, wie an den vernachlässigten inneren Stadträndern neue und erneuerte lebenswerte Quartiere entstehen können. Deshalb ist das Zusammenspiel von IBA und igs so wichtig; denn der Freiraum ist das große Potential der Stadtrandgebiete.
„Stadt neu bauen“ heißt auch, neue Energien für die Stadt zu wecken. Kaum ein Stadtraum in Deutschland würde sich besser eignen, urbane Strategien gegen den Klimawandel zu entwickeln, als die Hamburger Elbinseln. Die große Flut von 1962 wütete hier am schlimmsten. Die IBA Hamburg hat sich daher im Februar 2007, kurz nach Erscheinen des 4. Berichts des Weltklimarates IPCC, entschlossen, dieses Thema auf ihre Agenda zu nehmen. Mit dem Strategiekonzept „Erneuerbares Wilhelmsburg“ wurde erstmals eine Roadmap für einen klimaneutralen Stadtteil aufgestellt, der sich im Sinne einer Kreislaufwirtschaft selbst mit Energie versorgt. Nach dem „Energieatlas“ können sich die Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen auf den Elbinseln ab 2030 vollständig selbst mit Strom und ab 2050 mit Wärme versorgen. Bereits 2013 wird Wilhelmsburg dank der bis dahin realisierten Projekte der mit Abstand klimafreundlichste Stadtteil Hamburgs.
Die Stadtperipherien sind jedoch nicht nur Laboratorien für eine neue klimafreundliche Moderne, sondern lebendige Stadtteile. Im dritten Leitbild „Kosmopolis“ beschäftigt sich die IBA Hamburg daher mit urbanen Strategien der Inklusion von Menschen unterschiedlicher Herkünfte, Kulturen und Einkommen. Viele Jahre als sozialer Brennpunkt verrufen, ist Wilhelmsburg heute der Fokus innovativer Bildungs-, Kultur- und Wohnungsprojekte. Mit acht Bildungsbauten und zahlreichen Gemeinwesen orientierten Initiativen, wie der Bildungsoffensive, unterstützt die IBA Hamburg das Engagement von Eltern, Lehrern und Behörden, Bildung zum Dreh- und Angelpunkt einer Aufwertung zu machen, die allen zugutekommt. „Aufwerten ohne zu verdrängen!“ und „Wohnen heißt bleiben!“ sind zwei grundlegende Leitsätze dieser IBA, denn die Ängste im Stadtteil, dass sich die lange ersehnten Verbesserungen nur die hinzuziehenden Bürger leisten können, sind groß.
Stadtränder sind sehr häufig Ankunftsorte für Einwanderer. Mit Beteiligungsprojekten wie im Wohngebiet Weltquartier oder im lange stigmatisierten Stadtteil Georgswerder schafft die IBA Fakten einer sozialen Erhaltungspolitik, die den Menschen zeigt, dass sie hier zuhause sind. Bisher gab es kaum räumliche Strategien, diese Orte sozial und städtebaulich zu stabilisieren, ohne Gentrifizierungsprozesse auszulösen. Daher liegt
ein Schwerpunkt der umfassenden wissenschaftlichen Evaluierung dieser IBA auf der Beobachtung der sozialen Veränderungen und des Immobilienmarktes, dem sog. Strukturmonitoring. Wenn es der IBA Hamburg gelingt, mit ihrer differenzierten Vorgehensweise aus Bestandssicherung und Aufwertung, Stadterneuerung und Stadtneubau tragfähige Lösungen aufzuzeigen, dürfte sie auch in
ihrem anspruchsvollen Leitbild „Kosmopolis“ Maßstäbe setzen. Uli Hellweg, Hamburg