Standpunkt III
Mélanie Weiß zum Thema „Low Budget“

Der Schrebergarten ist wieder in Mode! Die Zahl der Menschen, die Gärtnern als ihre liebste Freizeitbeschäftigung angeben, ist in den letzten fünf Jahren um 12 % angestiegen (Industrievereinigung Gartenbedarf). Ganze 90 % der Bevölkerung geben Ruhe und Erholung als Freizeitmotiv Nummer eins an (Institut für Demoskopie Allensbach). Da ist es an der Zeit, das Thema Gartenlaube einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Mélanie Weiß gibt in ihrer Diplomarbeit „Montrésor“ dem Sommerhaus ein zeitgemäßes, außergewöhnliches und gleichzeitig kostengünstiges Gesicht.

 

Die Aufgabenstellung war es, ein Projekt zum Thema Mensch und Gesundheit zu entwerfen. Wie kommt man da auf das Thema Gartenlaube?

Ein wichtiger Aspekt für die körperliche und seelische Gesundheit ist es, raus in die Natur zu gehen, raus aus der Wohnung und dem Büro, frische Luft zu tanken und sich zu erden. Vor allem bewegt man sich draußen naturgemäß mehr als drinnen und körperliche Bewegung ist zu einem Mangelgut geworden. Über viele Jahrtausende hat der Mensch überwiegend draußen, in und mit der Natur, gelebt. Und wir modernen Menschen haben das ziemlich verlernt, noch dazu hat sich der Trend zum Rückzug in die eigenen vier Wände in den letzten Jahren deutlich verstärkt (Stichwort cocooning). Also habe ich mir die Frage gestellt: wie schaffe ich es, mehr Menschen vom Sofa weg raus in die Natur zu bekommen, um somit ihre Gesundheit und Lebensqualität zu fördern? Und Ihnen dabei trotzdem einen Platz zu bieten, der Privatheit und Geborgenheit schenkt? Da war schnell die Idee des Rückzugortes in der Natur geboren.


Ihr Entwurf balanciert zwischen Rückzug und Präsentierteller. Erläutern Sie kurz das Konzept.

Im ungenutzten Zustand präsentiert sich die Laube als schlichter, geschlossener Quader inmitten des Gartens. Der vielgestaltigen Natur wird ein klarer geometrischer Kubus entgegengesetzt. Die geschlossene, fensterlose Hülle dient einem ganz praktischen Zweck: Die Hütte ist geschützt vor Vandalismus, das Innere behütet wie ein Schatz. Nur für den Besitzer öffnet sich diese Schatztruhe, er kann den Innenraum nach außen klappen und die weichen, textilen Sonnensegel zum Garten hin ausbreiten. Die Nutzfläche vergrößert sich und eine unmittelbare Verbindung zu Garten und Natur wird geschaffen. Ein Teil des Dachs lässt sich nach oben aufklappen; es entsteht eine Liege-fläche mit Blick in den Himmel, die zusätzlich mit Vorhängen abgeschirmt werden kann. Diese flexible Nutzbarkeit ermöglicht sowohl Privatheit, Intimität und Geborgenheit als auch den offenen Austausch und direkten Kontakt mit der Umgebung. Beides bedeutet gleichermaßen Erholung, Rückzug aus dem Alltag, einen Ort, an dem man auftanken kann.

Low Budget und trotzdem ökologisch. Wie vereinbaren Sie diese Charakteristika in Ihrem Entwurf?

Die Zielgruppe sind junge Familien oder Singles mit einem gewissen Anspruch an die Gestaltung der Dinge, die sie umgeben, aber es muss noch bezahlbar sein. Der ökologische Aspekt spielt für diese Zielgruppe meist auch eine große Rolle. Die Gartenhütte besteht durch und durch aus Holz: Sie ist in einer Holzrahmenbauweise errichtet und von außen mit SVL– Paneelen beplankt; dadurch soll der Eindruck vermittelt werden, als sei sie aus sehr dünnen geschichteten Holzbrettern gebaut. Das Innere der Hütte ist mit Birkensperrholz verkleidet. Als nachwachsender und natürlicher Baustoff dient also weitgehend heimisches und relativ preiswertes Holz.

 

Sie beschreiben einen weiteren Trend: den des Heimwerkens. Liegt das gestiegene Interesse an den heutigen Schreibtisch-Jobs oder spielen materielle Notwendigkeiten eine Rolle?

Heimwerken war schon immer ein deutsches Kulturgut. Der Deutsche ist ein Häuslebauer und mächtig stolz auf alles, was er gewerkelt hat. Die Anerkennung ist garantiert, wenn man sagt: Habe ich selbst gemacht. Natürlich wird dabei auch einiges an Geld gespart. Und dann gibt es das schwedische Einrichtungshaus, wo der Bastlertrieb bestens bedient wird. In Anlehnung daran stand am Anfang meines Entwurfs die Idee eines selbst zusammen steck- und schraubbaren „Gartenregals“, das nicht nur ein Regal ist, sondern Schutz bieten kann gegen die raue Natur. Der Gartenbesitzer soll sich durch die Laube aufgefordert fühlen, sich noch mehr im Garten aufzuhalten.


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