Standpunkt II
Hartmut Schmidt zum
Thema „Low Budget“

Den Tag der Entscheidung, sich 1995 in die Siedlung Dönchekante einzukaufen, habe ich in lebhafter Erinnerung: Eigentlich war ein Vorvertrag für ein konventionelles Siedlungshaus fast unterschrieben, und nur aus Neugierde folgte ich der Besichtigungs-Einladung des Vorbesitzers, der ausdrücklich einen Musiker als Käufer suchte.

Erschien schon die Naturnähe verlockend, so gab gleich der erste Eindruck der Siedlung und vor allem der vom Haus akustisch abgekoppelte Musikraum den Ausschlag, sich sofort für dieses Wohn- und Lebenskonzept zu entscheiden.

Die so nicht erwartete große Qualität der nachbarschaftlichen
Gemeinschaft stellte sich dann unmittelbar ein, die Kinder liefen durch die nicht mit Zäunen getrennten Gärten hin und her, und der talseits vorgelagerte Glasgang erwies sich als ideales Bindeglied zwischen den Häusern.

Hier fanden sich für mich Qualitätsmerkmale der eigenen Jugend, wie ich sie in den sechziger Jahren auf dem Lande erlebt hatte: Viele Kinder direkt vor der Haustür, die eine kaum befahrene Straße mit dem Bobby-Car in Beschlag nehmen konnten. Dazu freundliche Nach­barn, die eine Art Großfamilie zwischen Individualität und räumlicher Nähe ermöglichten. Zu allem Überfluss gab es noch ein Stück Grabeland zum Bewirtschaften, der Garten hat mittlerweile allerdings eher symbolischen Wert, liefert in meinem Falle schmackhafte Äpfel.

Zum Häuserensemble gehört neben einem Fahrradschuppen ein Gemeinschaftsraum, der in erster Linie dazu dient, immer wieder über ein weiteres Gemeinschaftseigentum zu diskutieren, nämlich ein Blockheizkraftwerk. Hier wird an einer in die Jahre gekommenen Anlage rumgebastelt, aber der Klimawandel arbeitet in diesem Falle für uns.

Einmal im Jahr geht es auf das Grasdach, um die Disteln im Zaum zu halten. Von hier oben aus sieht man, wie die natürliche Witterung dem Holz eine charmante Patina schafft.

Mit den Häusern altern natürlich auch die Bewohner, und das soziale Netz wird immer wertvoller. Hier spielt der Musikraum als Ort für den Nachbarschaftschor und das Folklore-Ensemble eine wichtige Rolle, aber auch für die Dia-Vorträge und die alljährliche Weihnachtsfeier. Der Gemeinschaftsraum hingegen ist interessanter Weise der am wenigsten genutzte Ort, da Gemeinschaft eher durch das spontane Besuchen über den Glasgang oder das Treffen vor dem Haus stattfindet. Auch die verkehrsberuhigte Straße dient gelegentlich als Ort zum gemeinsamen Feiern.

Für meine Tochter ist das Haus mit seinen kreativen Möglichkei-ten, sind die in den Jahren entstandenen „Wahlverwandschaften“
ein großer Gewinn, ich selbst werte die Entscheidung für dieses Siedlungskonzept auch nach über zehn Jahren als Glücksgriff.

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