Standpunkt I
Dipl.-Ing. Ante Anin zum Thema „Arbeitsräume“
Rund ein Viertel seiner Lebenszeit verbringt der erwerbstätige Mensch am Arbeitsplatz. Wenn wir mit unserem Büro Arbeitsräume entwerfen, achten wir daher nicht nur auf Gestalt und Funktionalität der Gebäude, sondern versuchen auch, für die dort arbeitenden Menschen ein angenehmes Lebensumfeld zu schaffen. Dagegen dürfte eigentlich nichts einzuwenden sein – möchte man meinen. Widerstand gegen Entwurfsideen, die für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sorgen sollen, ist in Deutschland jedoch oft zu erleben. In der Regel sind es nicht Bauämter oder Investoren, die sich gegen die Vorschläge sträuben, sondern die Mitarbeiter selbst – in Form des von ihnen gewählten Betriebsrats. Bodentiefe Fassadenverglasung für Arbeitsbereiche? Aber da könne man ja den Mitarbeiterinnen von der Straße aus unter den Rock schauen! Neue Bürostühle für die Belegschaft? Da müsse man zuerst ein Probesitzen organisieren, denn der Architekt könne doch unmöglich wissen, welches Möbel hier das richtige sei. Bewegungsmelder für eine energiesparende Lichtsteuerung in den Büroräumen? Könnten Mitarbeiter schikanieren, die sich, nun ja, gerade ein wenig ausruhen – zuviel Kontrolle.
Derartige Diskussionen sind ebenso zäh wie unfruchtbar und
manövrieren das Projekt immer wieder in die Warteschleife. Dass
es auch anders geht, erleben wir derzeit in Osteuropa. Unser Büro
arbeitet dort an zwei großen Projekten für Verwaltungsbauten in Zagreb und Bukarest. Dort stehen die Zeichen auf Aufbruch – die
Investoren wünschen sich gute Architektur und lassen uns in vielen Dingen freie Hand. Zu Beginn des wirtschaftlichen Aufschwungs war es in Deutschland wahrscheinlich ähnlich; inzwischen lässt sich jedoch auch die Kehrseite der Weiterentwicklung des Landes erkennen. Die Kreativität zappelt in einem immer dichter werdenden Netz aus Regularien – eine Menge Energie verpufft dabei im Nichts. Auch unsere Projekte in Osteuropa laufen nicht immer glatt: Dadurch, dass verlässliche Regeln fehlen, wird dort oft recht willkürlich entschieden. Den Wandel in diesen Ländern mit unserer Architektur begleiten zu können und zu erleben, wie unsere Ideen mit Begeisterung aufgenommen werden, entschädigt uns aber in vieler Hinsicht.
Themen, die uns beim Entwurf von Arbeitswelten in den nächsten Jahren sicherlich weiterhin begleiten werden, sind Mobilität, Ökologie und Entertainment. Die Arbeitgeber werden die Flexibilität, die tragbare Rechner, Internet und neue Formen der Datenübertragung ermöglichen, zu nutzen wissen, um Ressourcen einzusparen. Was das Thema „Green Architecture“ betrifft, so wird das große Hurra, mit dem wir im Moment noch jedes Photovoltaikelement begrüßen, hoffentlich bald einem etwas tiefer gehenden Verständnis weichen. Wie wichtig der Unterhaltungswert von Architektur geworden ist, zeigt hingegen bereits der Besuch in der frisch umgebauten Praxis des Zahnarztes. Eingehüllt in die weiß-wolkige Wohlfühlwelt des Warteraums entspannt der Patient dort zu esoterischen Klängen. Und sollte später doch einmal der Bohrer nötig sein, handelt es sich dabei weniger um ein Instrument als um ein wohlgeformtes Designerstück, dem zum Kultstatus nur noch das Apple-Logo fehlt.