Standpunkt I
Dipl.-Ing. Stefan Forster zum Thema „Städtische Wohnkonzepte“

In unseren Städten entsteht Banalstes auf tiefstem Niveau. Ganze Stadtteile werden ohne das Zutun von Architekten, völlig anspruchslos, aus dem Boden gestampft. Makler und Projektentwickler bestimmen, was und wie gebaut wird. Sie reklamierten für sich, zu wissen, was sich gut vermarkten lässt. Um den Markt anzuheizen, werden neue Nutzergruppen definiert, für welche man gezielte Angebote entwickeln muss. Derzeit geistern die „Generation 50+“, „junge Alte“, „die lustigen Alten“ etc. durch die Gazetten. Man erklärt uns, diese „neue Generation“ habe nun ganz andere Anforderungen an ihre Wohnung.

Auf der anderen Seite steht die Architektenschaft mit ihrem nimmermüden Rufen nach „innovativem, experimentellem Bauen und neuen Wohnformen“, was auch immer das sein mag. Die großen Protagonisten des Berufsstandes gefallen sich, fernab von jeglicher Realität, in dem Ruf nach ganz neuen Stadtformen.

Wohnungsbau ist kein Feld von Experimenten oder Innovationen. Im letzten Jahrzehnt ist, mit mäßigem Erfolg, bereits ausreichend experimentiert worden. Der Blick auf die Geschichte des Wohnens zeigt, dass sich das Wohnen in den letzten Jahrhunderten kaum geändert hat, es geht vielmehr darum, an unsere große Wohnungsbautraditionen anzuknüpfen, gewissermaßen den Faden wieder aufzunehmen, und an bestimmten Stellschrauben zu drehen.

Sich auf Traditionen zu beziehen heißt, sich bewusst werden, dass wir in einem bewährten, gut funktionieren Organismus leben, der europäischen Stadt. Dieses Stadtmodell der feinen Differenzierung zwischen öffentlichem und privatem Raum gilt es weiterzuschreiben. An diesem Kontext zu arbeiten, bedeutet, wieder zu einfachen Regeln zurückzukommen, sich mit der Typologie des städtischen Hauses zu beschäftigen und diese weiterzuentwickeln.

Was heißt dies nun für uns? Wenn wir den Anspruch an Dauerhaftigkeit (heutzutage heißt das wohl „nachhaltig“) unseres Tuns ernst nehmen, müssen unsere Grundrisse nutzerneutral sein. Eine Wohnung muss für 95 % der möglichen Bewohner brauchbar sein. Dem erhöhten Anteil an älteren Menschen werden wir am ehesten gerecht, wenn wir sämtliche Wohnungen barrierefrei ausbilden. In der Praxis bedeutet dies, dass der Bewohner länger in seiner Wohnung bleiben kann und sich nicht beim ersten Gebrechen eine andere Bleibe suchen muss.

Nutzerneutrale Wohnungen sind für uns traditionelle Flur- oder Dielenwohnungen. Sämtliche Räume werden hier unabhängig voneinander erschlossen. Laubengänge sind Zutaten der Siedlungstypologie und haben in der Stadt nichts zu suchen; eine Auffassung, der auch große Wohnungsbaugesellschaften mittlerweile folgen.

Die lichte Raumhöhe muss wieder mindestens 2,70 m betragen. Hier­durch wird es möglich, dem gestiegenen Bedarf an größeren und tieferen (2,0 m) Freibereichen nachzukommen. Freibereiche im städtischen Haus sind Loggien – möglichst über die gesamt Breite des Wohnzimmers. Zum Hof sollte ebenfalls ein Außenbereich, am besten vor der Küche, angeordnet werden. Bei dem zur Straße auskragenden Balkon handelt es sich ebenfalls um eine Typologie aus dem Siedlungsbau, deswegen sollte auch er aus dem neugebauten Stadtbild verschwinden.

Nassbereiche müssen größer werden (barrierefrei) und über Tageslicht verfügen. Gäste-WC und Dusche können auch ohne Tageslicht auskommen. Um, bei immer weiter steigenden Energiekosten, das Wohnen in der Stadt für alle noch bezahlbar zu halten, sollten alle Neubauten in Passivhausbauweise ausgeführt werden. Entgegen aller Vorurteile, und das beweisen wir gerade mit unseren Passivhauswohnprojekten in Frankfurt, lässt sich das traditionelle, von uns propagierte Stadthaus problemlos als Passivhaus ausführen.

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