Stephansdom, Wien/AT
podpod design integrierte modernste Beleuchtungskörper im Staphansdom so gekonnt in die Kathedrale, dass sie kaum auffallen. Jede der 1111 LED-Leuchten aber ist gezielt auf Statuen, Säulen, Altäre oder das Gewölbe ausgerichtet und feinmaschig anzusteuern. So kann man die Architektur des Domes in allen Facetten von fastenzeitlicher Düsternis bis zum festlichen Strahlen neu erleben.
Der Stephansdom in Wien ist täglich von 6 bis 22 Uhr offen, an jedem Werktag gibt es sechs Messen, eine Andacht und einen Rosenkranz, Sonn- und Feiertage bringen es auf zehn Messen, inklusive Hochamt und Vesper. Der Dom ist spiritueller Ort und Touristenmagnet, außerdem ein denkmalgeschütztes Gesamtkunstwerk und eine Dauerbaustelle: Die Steinmetze der Dombauhütte sind ständig damit beschäftigt, den empfindlichen Sandstein der gotischen Kathedrale mit ihren romanischen Wurzeln zu reparieren, auch innen wird laufend erneuert.
Große Lichtkontraste
Die Beleuchtung war höchst modernisierungsbedürftig: Sie bestand aus einer Reihe von Kronlüstern, die noch Maria Theresia dem Dom gespendet hatte. Die ursprünglichen Wachskerzen waren mit elektrischem Licht ersetzt worden, das mit LED-Lampen schrill strahlte, die Hängeleuchten erzeugten einen hellen Horizont. Als Ebene aus Lichtpunkten schwebte er bodennah im hohen Raum, der darüber im Dunkel unterging. Tagsüber strahlte die Sonne durch die bunten Glasfenster hinter dem Altar. „Morgens, mittags und abends herrschten sehr unterschiedliche Lichtverhältnisse“, erzählt Iris Podgorschek von podpod design, die Dombaumeister Wolfgang Zehetner damit beauftragte, ein neues Lichtkonzept für die Kathedrale zu erstellen. „Da kann man keine Standardleuchten verwenden. Es gab sehr große Kontraste, aber kein angenehmes Grundlicht, um beispielsweise in Gesangsbüchern lesen zu können. Außerdem nahm man den Raum nicht wahr. Die vielen Hängeleuchten schufen eine starke horizontale Lichtebene, sonst herrschte lichttechnisch ein Wildwuchs von unterschiedlichen, blendenden Lichtquellen.“
Nicht schreien, berühren
Der Dom ist 107,2 m lang, 34,2 m breit, das Mittelschiff des Langhauses 28 m hoch, die Seitenschiffe bringen es auf 22,4 m Höhe. „Das Wesentliche an der Gotik ist ihr Streben nach oben. Wir wollten diese Vertikalität betonen“, so podpod design. „Außerdem war uns ein Anliegen, dass man die Lichtquellen nicht sieht. In der Gotik brannten hier echte Kerzen: diese sanfte Atmosphäre wollten wir erzeugen. Daher war auch wichtig, die Gewölbe und Säulen aufzuhellen. Unser Lichtkonzept sollte nicht schreien, sondern berühren.“
Speziell entwickelte Pendel
podpod design entwickelten mit der Firma Schrutek kleine Strahler, die einen sehr engen Ausstrahlungswinkel von 3 ° haben, damit man das Licht sehr präzise lenken kann. Jeder dieser Strahler braucht nur 4 W, erzielt aber viel Effekt in dem riesigen Raum. Mehrere dieser Strahler wurden in eigens entworfenen Pendelleuchten in mehreren Segmenten übereinander angebracht, alle Strahlungswinkel berechnet, so dass die Strahler in verschiedenen Höhen und Richtungen die Statuen vor den Säulen, deren Konturen, einen Altar oder ein anderes sehenswertes Objekt im Dom anstrahlen können. Jeder Strahler ist mit Abblendlamellen versehen, so dass man ihn nur sieht, wenn man direkt in seiner Achse steht. Auch formal harmonieren die Pendelleuchten mit dem Dom: Jede ist ein Zylinder mit 12 cm Durchmesser und je nach Bestückung zwischen 90 und 220 cm lang. „Jede Pendelleuchte wurde einzeln gezeichnet und gemessen. Unser Projektleiter Clemens Kellner musste dann jeden Strahler per Hand entsprechend der Berechnung präzise einrichten“, sagt Iris Podgorschek. „Wir haben die Farbe auf den Sandstein des Doms abgestimmt“, ergänzt ihr Bruder Michael. „Außerdem bauten wir ein Mock-up der Pendel, das der Dombaumeister abgenommen hat, bevor wir in die Produktion gegangen sind.“ In jedem Gewölbegeviert gibt es Löcher für die Luftzirkulation: podpod nutzten sie, um von dort die Leuchten abzuhängen. Insgesamt 29 gibt es, sie sind mit bis zu 19 Strahlern bestückt, hängen auf einer Höhe von 14 m und werden vom Dachzwischenraum aus gewartet.
Säulenleuchten für gezielte Akzente
Außerdem gibt es Säulenleuchten mit Spots, um gezielt Akzente zu setzen. In diese Leuchten sind auch Up- und Downlights integriert, die Decke und Boden aufhellen können. Sie hängen auf 12 m Höhe. „Das entspricht der längsten hausinternen Leiter der Dompfarre“, so Michael Podgorschek. „Der erste Eindruck ist sehr wichtig.“ Daher sind alle Säulenleuchten in den Kanneluren auf der Rückseite montiert, so dass man sie beim Betreten des Doms nicht sieht. Die denkmalgeschützten Lüster von Maria Theresia mussten natürlich erhalten bleiben, bekamen aber neue LED-Kerzen. „Wir wollten ein mystisches Licht, dass dem der Kerze sehr nahekommt.“ podpod design setzten dafür die kerzenähnlichen LED-Leuchten ein, die sie vor einigen Jahren für das Palais Liechtenstein entwickelt hatten. „LEDs gibt es in allen Farbtemperaturen, je niedriger der Wert, umso wärmer das Licht. Wir haben 2 200 Kelvin für die LED-Kerzen in den Lüstern verwendet, 2 700 Kelvin für die Säulen sowie um die Figuren anzustrahlen und die Decken aufzuhellen und 3 000 Kelvin für das Direktlicht zum Lesen“, so podpod design.
Über tausend Lichtpunkte
Insgesamt wurden 1 111 Lichtpunkte im Dom neu gesetzt, 772 davon befinden sich in den Pendelleuchten und in den 62 Säulenstrahlern, dazu kommen 316 Lichtpunkte in den Lüstern und einige Bodenleuchten, um beispielsweise die berühmte Kanzel von Meister Pilgram anzustrahlen. „Licht ist Leben“, sagt Iris Podgorschek. „Es wirkt erst im Zusammenspiel mit Mensch und Raum.“ Grundlicht zwischen den Messen, ausgeleuchtete Altarbilder, Leselicht am Ambo und über den Bänken der feiernden Gemeinde, Düsternis in der Fastenzeit, eine facettenreiche Lichtsymphonie von dunkel bis strahlend bei Hochfesten wie Weihnachten und Ostern: Die Anforderungen an die Raumstimmungen im Dom sind hoch. Um sie perfekt einzustellen, ist jede Leuchte elektronisch ansteuerbar. Im DALI-Steuerungssystem hat jede Leuchte ihre eigene Adresse, kann aber auch in Gruppen zu Lichtszenen zusammengefasst werden. „Man kann am Tablet jede Lichtszenerie abrufen“, sagt Iris Podgorschek. Ein Monitor dafür befindet sich hinter dem Hochaltar, ein zweiter in der Sakristei, der Messner hat ein Tablett zur Steuerung bei sich. Gläubige und Besucher merken davon nichts: Sie genießen es, nun endlich alle Figuren, das steinerne Maßwerk und die Rippenbögen der Gewölbe wunderbar ausgeleuchtet bewundern zu können. ⇥Isabella Marboe, Wien
Präzise überraschende Durchplanung und Umsetzung eines kleinteiligen Beleuchtungsentwurfsmeisterwerks für eine Architektur Ikone – keine Sanierung, sondern eine Neuinszenierung im beste Sinne – die dem bekannten Kirchenraum bei Tag und bei Nacht neue Raumerlebnisse abgewinnt.
⇥DBZ Heftpartner Prof. Dr.-Ing. Paul Schmits
Baudaten
Objekt: Stephansdom
Standort: Wiener Stephansplatz, Wien/AT
Typologie: Gotischer Dom
Bauherr: Dombausekretariat St. Stephan im Auftrag des Metropolitan- und Domkapitels zu St. Stephan
Nutzer: Dompfarre St. Stephan
Architekt: Dombauhütte, aktuell Wolfgang Zehetner, Wien/AT, www.dombauwien.at
Bauleitung: Wolfgang Zehetner, podpod design, Wien/AT, www.podpoddesign.at
Bauzeit: Juli 2018 – September 2019
Fachplaner
Lichtplaner, Leuchtendesign: podpod design, Wien/AT, www.podpoddesign.at
Elektroplanung, Programmierung: Feilmayr Elektrotechnik, Amstetten/AT,
www.e-feilmayr.at
Projektdaten
Nutzfläche: ca. 3 400 m²
Projektdaten Licht
Leuchtmittel: LED
Anschlussleistung: ca. 12 kW
Anschlussleistung pro m²: ca. 3,5W/m2²
Leuchtenlichtausbeute (lm/W): ca. 90 lm/W
Farbtemperaturen: 2 200 K für Kerzen, 2700 K für Säulen,
Objekte, Deckenaufhellung, 3000 K für Grund- bzw. Leselicht
Lichtmanagement/Steuerungssystem: Gira HomeServer
Hersteller
Pendel, Lusterumbau auf LED-Kerzen: Niefergall Leuchtenmanufaktur,
www.niedergall.com, Schrutek Elektrotechnik
Säulenleuchten: Artluce GmbH, www.artluce.at
Lichtsteuerung: GIRA, www.gira.de