Strategien zum Aufbau Building-integrated Photovoltaic (BiPV)

Es ist nicht bloß ein Traum, Energieautarkie im Neubau und Bestand zu erreichen, längst sprechen wir von einer Notwendigkeit. Denn nehmen wir die Prognosen ernst, bleibt wenig Zeit, die Folgen des vorhergesagten Klimawandels abzumildern. Photovoltaik könnte hier mit vielen anderen Dingen helfen, doch wurde sie bisher stiefmütterlich als Beiwerk angesehen und nebenher geplant. Das könnte sich mit Konzepten integraler Photovoltaik ändern, die heute schon möglich sind, wie der Autor dieses Beitrags anschaulich nachweist.

Menschliche Aktivitäten – hauptsächlich das Verbrennen fossiler Brennstoffe, die Entwaldung und die ineffiziente Nutzung natürlicher Ressourcen – haben weltweit zu einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen geführt. Wir nennen das globale Erwärmung. Gebäude sind in diesem Zusammenhang für ungefähr 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der CO2-Emissionen in der EU1 verantwortlich. Die wachsende Bevölkerung sowie die rasch wachsende Kaufkraft in den sich entwickelnden Volkswirtschaften und in vielen Entwicklungsländern könnten dazu führen, dass der Energiebedarf von Gebäuden bis 2050 um bis zu 50 % steigt.2

Motivation

Die Gebäudehülle steht hier ganz gewiss im Zentrum eines strategischen Handelns gegen den Klimawandel und die globale Erwärmung und für eine nachhaltige Energiewende und die Veränderung unserer Lebensweise. Dabei sollte sie nicht mehr nur als passives Element für die Abdichtung, Isolierung oder Belüftung gesehen werden, sondern auch als eine aktive Oberfläche, die erneuerbare Energie erzeugen kann. Ziel ist es, die Standards der Near Zero Energy Buildings (nZEBs) zu erreichen, um den Bedarf an erneuerbarer Energie vor Ort zu decken, der zur Gewährleistung des Betriebs und des Nutzerkomforts erforderlich ist. Dies ist nur möglich, wenn der Energiebedarf für Heizen und Kühlen gering ist und Dank der Integration erneuerbarer Energiequellen wie Photovoltaikanlagen günstig und ökologisch nachhaltig produziert werden kann.

Basierend auf diesem Gedanken unterstützt das SUPSI-Team Branchen und Politiker bei der Entwicklung der richtigen Technologien und der passenden Richtlinie für nachhaltiges Bauen. In den 1990er-Jahren begannen viele Länder, in Reaktion auf die Katastrophe von Tschernobyl und die Ölkrise von 1986, neue Strategien zur Senkung des Ölverbrauchs zu entwickeln, insbesondere in der Bau- und Automobilindustrie. Im September 1996 wurde in Darmstadt das Passivhaus-Institut zur Förderung und Kontrolle der Passivhaus-Standards gegründet. Seitdem wurden Tausende von Häusern im Passivhaus-Standard gebaut. Die
meisten befinden sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Passivhaus-Standard ist ein strenger, freiwilliger Standard für Energieeffizienz in einem Gebäude, der den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes verringern hilft. Dies führt zu Niedrigenergiegebäuden, die wenig Energie zum Heizen oder Kühlen benötigen.

Dieser genannte Standard ist nicht auf Wohnimmobilien beschränkt, es wurden Bürogebäude, Schulen, Kindergärten oder auch ein Supermarkt nach diesem Standard gebaut. Passives Design sollte integraler Bestand der Gebäudeplanung sein. Obwohl es hauptsächlich für Neubauten Anwendung findet, wurde es auch bei Sanierungsarbeiten verwendet. Die Reduzierung des Energiebedarfs unserer Gebäude durch Wärme-
dämmung oder passive Strategien wie Sonnenschutz, natürliche Lüftung und Tageslicht ist jedoch nur der erste Schritt. Unsere Gebäude benötigen auch Energie, um zu funktionieren und dem Benutzer die Energie zu geben, die er für seine Aktivitäten benötigt (Heizen, Kühlen, Beleuchten, Haushaltsgeräte usw.).

Diese Energie wird normalerweise zu einem Marktpreis aus dem öffentlichen Netz bezogen. Was aber, wenn Gebäude dank der Einführung erneuerbarer Energietechnologien wie Solarthermie (für Wärme) und Photovoltaik (für Strom) beginnen, die von ihnen benötigte Energie selbst zu produzieren? In diesem Szenario werden Gebäude vom Energieverbraucher zum aktiven Erzeuger und zum aktiven Gebäude.

Wo können Photovoltaikanlagen an Gebäuden platziert werden?

Die beste Lösung war jahrzehntelang, die Photovoltaikanlage mit konventionellen PV-Modulen oder Glasmodulen als Dachziegel auf einem nach Süden ausgerichteten Schrägdach anzubringen. Aber manchmal reicht die Dachfläche nicht aus, insbesondere bei mehrstöckigen Gebäuden, bei denen die Fläche auf dem Dach für die Installation von Photovoltaikmodulen begrenzt ist. Hier können die Fassaden eine entscheidende Rolle spielen. Aus diesem Grund suchen Bauherren und
Architekten nach gebäudeintegrierten Photovoltaik-Elementen (BiPV), die als Ersatz oder sogar als konventionelle Baumaterialien für Fassaden und Fenster verwendet werden. Das macht BiPV zurzeit zu einem der am schnellsten wachsenden Segmente der Photovoltaikindustrie.

BiPV: Status, Trend und Innovation

Bis vor Kurzem konzentrierte sich die europäische Photovoltaikindustrie darauf, wie der Modulpreis dank verbesserter Effizienz und Leistung der Solarzellen und durch die Optimierung des Herstellungsprozesses gesenkt werden kann. Betrachtet man die Modulkosten im letzten Jahrzehnt, so hat sich ein enormer Preisrückgang (von etwa 90 % für konventionelle kristalline PV-Zellenmodule) ergeben, der zum allgemeinen Erfolg konventioneller PV-Systeme beiträgt (bodenmontiert oder auf Dächern). (Abb. 01)

Für den Bau integrierter PV-Module ist die Effizienz auf Modul- oder Solarzellenebene nicht die größte Herausforderung oder der Treiber der Systemkosten. Architekten, Fassadenbauer und Bauherren sind vor allem auch an der Ästhetik interessiert und einer bewussten Integration in herkömmlichen Bauteilen. Das Ziel: Man möchte ein multifunktionales Bauteil erhalten, das als Bekleidungselement wirkt, Wasser- und Luftdichtheit sowie Wärmerückhaltung oder Sonnenschutz bietet. (Abb. 02)

Es gibt unterschiedliche Photovoltaik-Technologien, die in die verschiedenen Konstruktionssysteme integriert werden können. Je nach Art der verwendeten Zelle oder des verwendeten Materials mit unterschiedlichen Eigenschaften. Unter diesen sind die monokristalline, die multikristalline und die Dünnschichttechnologie (amorphes Silizium, CIGS-Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid, CdTe-Cadmium-Tellurid) am weitesten verbreitet. Die Wirkungsgrade reichen von 5 % bis 21 %, bei monokristallinen Hochleistungssolarzellen bis zu 23 %. Mit dieser Technologie wird die Palette der BiPV-Produkte erweitert und sie können auf verschiedene Arten kategorisiert werden. SUPSI hat eine Kategorisierung vorgenommen, die hauptsächlich auf den Produktbeschreibungen der Hersteller und den anderen Materialtypen basiert, mit denen die Produkte individuell kombiniert werden können (www.BiPV.ch/index.php/de/produkte).

Die Wahl einer Technologie anstelle einer anderen bestimmt nicht nur die elektrischen Leistungen des Systems, sondern auch die physikalischen und optischen Eigenschaften des ausgewählten Moduls. Während die kristallinen Module seit jeher durch ein regelmäßiges Zellmuster (die quadratische Photovoltaikzelle) gekennzeichnet sind, garantieren die Dünnschichtmodule eine homogenere Oberfläche. Dies führte über mehrere Jahre zu der Annahme, dass Dünnschicht aufgrund ihres Designs und ihrer geringen Abmessungen das einzige Produkt für die architektonische Integration sein würde, während die Photovoltaikindustrie in den letzten Jahren dank der Zusammenarbeit mit den Glasherstellern und den Bauunternehmen aber Photovoltaik-Lösungen auf den Markt gebracht hat, die auch aus ästhetischer Sicht sehr interessant sind.

Dank spezieller Beschichtungsmaterialien und/oder spezieller Glasformtechniken ist es möglich, sowohl homogene farbige Oberflächen zu erhalten, bei denen die Photovoltaikzelle verschwindet, als auch Oberflächen, die durch ad-hoc-untersuchte Muster gekennzeichnet sind und nach den Bedürfnissen des Architekten maßgeschneidert wurden. Dies ist zum Beispiel bei den Modulen der Fall, die im Rahmen des europäischen Projekts „Construct PV“³ entworfen und entwickelt wurden, bei dem SUPSI und UNStudio zusammen
mit europäischen Partnern und einem PV-Modulhersteller in der Schweiz zusammengearbeitet haben.

Die von UNStudio entwickelte Technik zielt darauf ab, die Energieabgabe des Moduls in Bezug auf die Sichtbarkeit des Designinhalts auf der Außenseite des glasierten PV-Moduls zu optimieren. Die Module nutzen eine hocheffiziente Kristalltechnologie und eine Glasverarbeitungstechnik (Sandstrahlen), mit der das Frontglas der Module gestaltet werden kann. Einige Prototypen wurden bereits in Pilotgebäuden erfolgreich verwendet. Zudem wurden nach diesem Prinzip – jedoch statt Sandstrahlen mit einer Keramikfritte – mehrere Pilotfassaden errichtet. Ein Beispiel hierfür ist die Züblin Z3 Fassade in Stuttgart. (Abb. 03)

Eine weitere Möglichkeit, die immer häufiger zum Einsatz kommt, ist die Verwendung eines Interferenzfilters zwischen den Photovoltaikzellen und dem Frontglas oder auf der Außenfläche des Glases. Damit erhält man eine homogene Farbe des aktiven Elements. Ein sehr anschauliches Beispiel hierfür ist das Gebäude der Co­penhagen International School im dänischen Nordhavn (s. hier im Heft, S. 36ff. und Abb. 04), bei dem die Module mithilfe der Kromatix-Technologie einige Wellenlängen des Lichts reflektieren und so eine homogene, undurchsichtige Oberfläche erzeugen.

Verschiedene andere Techniken kommen auf den Markt und das Ergebnis wird sein, dass wir nicht mehr über die Integration von Photovoltaik in die Gebäudehülle sprechen müssen, sondern darüber, dass sich die Gebäudehülle dahingehend verändert, dass mittels der hier integrierten Photovoltaik-Technologie die Ernte und Erzeugung von erneuerbarer Energie realisiert wird.

Neue Forschungen arbeiten an der Herstellung von Zellen mit mehreren Fugen, in denen verschiedene Materialschichten verwendet werden. Hier können die potenziellen Wirkungsgrade zwischen 25 % und 28 % liegen, was zu einer attraktiveren und leistungsfähigeren Lösung für die Gebäudehüllen beiträgt.

Vision und kommende Herausforderungen

Der angesprochene Paradigmenwechsel hilft uns, die Hindernisse des BiPV-Marktes zu überwinden und Herausforderungen anzugehen. Zuallererst steht die Vielfalt im Fokus, die dieses Produkt bietet, und die Flexibilität in Dimension und Form (wie in den Beispielen gezeigt), die Architekten die Möglichkeit gibt, fast jede Art von Fassade zu entwerfen. Insbesondere unter Verwendung verschiedener Glastypen, Informationen und Vollfarbdesigns. Glas gibt uns viel mehr Flexibilität bei der Gestaltung von PV-Modulen dank eines mehrschichtigen Ansatzes, der je nach Designwunsch und Leistungsbedarf zusätzliche Funktionen in die Materialien integrieren kann. Leistung und Ästhetik sind die wichtigsten Parameter von BiPV. Planer und Kunden müssen sie ausbalancieren, um die richtige Lösung zu finden.

Ein wesentliches Hindernis für die Einführung von BiPV ist das Fehlen von Bauvorschriften und -normen oder deren internationale Uneinheitlichkeit (mangelnde Harmonisierung), insbesondere für PV-Fassadenelemente. Diese Situation erhöht das wahrgenommene Risiko des Einsatzes neuartiger Technologien im traditionell konservativen Bausektor. Jüngste Bemühungen führten zur europäischen Norm EN 50583, die teilweise das Fehlen harmonisierter Vorschriften behebt. Hier wird nun angegeben, welche Bauvorschriften zusätzlich zu den elektrischen Normen, die sowohl für BiPV- als auch für Standard-PV-Module gelten, zu berücksichtigen sind. In Deutschland zum Beispiel machten wir im Rahmen des EU-Projekts „Construct PV“ (www.constructpv.eu) die Erfahrung, dass es notwendig ist, schon in der frühen Entwurfsphase (für die Fassade in Stuttgart, Abb. 03) mit dem DiBT zusammenzuarbeiten. Damit konnten wir beweisen, dass die BiPV- Module zum einen den konstruktiven Anforderungen standhalten, zum anderen, dass das System mehr als 30 Jahre lang betrieben werden kann, ohne dass Sicherheitsrisiken für den Benutzer und das Gebäude entstehen.

Um als Fassade installiert zu werden, müssen BiPV-Glasmodule den internationalen elektrotechnischen Standards (IEC) und den Bauvorschriften entsprechen. Daher ist es wichtig, die richtige Glaskonfiguration und das richtige Befes-tigungssystem zu verwenden. Im Fall von Zueblin Z3 Building wurde ein mechanisches Befestigungssystem entwickelt, um sowohl die vordere als auch die hintere Glasscheibe, die die PV-Zellen einkapseln, sicher mit der vorhandenen Fassadenkonstruktion verbinden zu können.

Nach mehr als 20 Jahren Forschung, Diskussion und Vorbereitung sind wir von dem enormen Potenzial des BiPV überzeugt. Insgesamt können wir sehen, dass sich der Markt endlich erholt. Doch die Kosten für das Endprodukt, die Modulfertigung und den Bauprozess müssen noch gesenkt werden. Diese Herausforderungen werden von SUPSI und anderen Partnern im Rahmen eines neuen europäischen Großprojekts unter der Leitung von Tecnalia angegangen: BiPVBOOST (www.BiPVboost.eu). Es gibt nicht nur Pilot- und Repräsentativgebäude, sondern auch verschiedene Bauherren und Architekturbüros, die das BiPV als Entwurfsoption und Material für ihre Projekte und Gebäude betrachten.

Der Markt ist bereit. Wenn wir den Netto-Zero-Energy-Building-Standard erreichen und zu einer nachhaltigeren Umwelt beitragen wollen, muss die Photovoltaik in großem Maßstab implementiert werden. Eine spannende Perspektive, auf die wir uns freuen.

1 EU Commission, Energy performance of buildings: Commission refers Spain to Court

2 Global Status Report 2016, 22nd Conference of Parties (COP22)

3 Das Projekt Construct PV wird von der EU im 7. Rahmenforschungsprogramm (FP7/2007-2013) unter Vertrag Nr. 295981 gefördert.

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