Systembaukasten für den industrialisierten sozialen Wohnungsbau
Unter dem Projektnamen „Bauen mit Weit-
blick – Systembaukasten für den industrialisierten sozialen Wohnungsbau“ wird ein standardisierter mehrgeschossiger Wohnungsbau durch seriell vorgefertigte Elemente (Flächenelemente / Module) mit hoher Vor-
fertigungstiefe inkl. TGA realisiert. Preiswertes und qualitätsvolles Bauen soll durch die Potentiale industrieller Prozesse (Planung – Fertigung – Errichtung) ermöglicht werden. Die technischen, rechtlichen, wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Randbedingungen werden dazu erfasst. Gegebenenfalls erfor-
derliche Änderungen rechtlicher Bedingungen oder eine verbleibende Notwendigkeit öffentlicher Förderung sollen präzise benannt werden. Basierend auf Leistungsanforderungen werden Grundrisse für Gebäudetypologien konfiguriert, die schließlich zu einem Katalog zusammengefasst werden. Anlässlich der IBA 2019/2023 und der BUGA 2021 sollen eine Planung und Realisierung mit dem Systembaukasten an mindestens einem Bauwerk demonstriert werden.
Ziel
Im Projekt soll es gelingen, die Herstellungs- und Bewirtschaftungskosten durch moderne Planungs- und Bautechnologien zu senken. Gleichermaßen soll sichergestellt werden, auch künftigen Anforderungen an den Wohnungsbau gerecht zu werden, die aus dem Strukturwandel unserer Gesellschaft, dem Wandel der Arbeitswelt, dem demografischen
Wandel, dem Wandel der Haushaltsformen und der Lebensstile sowie der Migration resultieren. Diesbezüglich sollen durch die Operationalisierung der neu auf das Wohnen zukommenden Anforderungen der sozialen Nachhaltigkeit Ableitungen für das konkrete Planen und Bauen getroffen werden, die im Weiteren mit neuen elementierten und modularen Bautechniken verknüpft werden und damit eine Grundlage für kostengünstiges Bauen schaffen. Neue Planungs- und Bautechniken führen dabei zu einem Spektrum der Konfigurationen und der ästhetischen Kodierungen. Dabei soll der Spielraum für architektonische Gestaltungsmöglichkeiten trotz des Einflusses wirtschaftlicher, technischer und sozialer Komponenten gewahrt bleiben.
Auf der Basis festzulegender Grundrisskonfigurationen und -mischungen wird ein Gesamtsystem entwickelt, dass in verschiedenen Baustoffen (Betonbau, Holzbau, Hybridbau) zu seriell herstellbaren Bauteilen unter Integration von daraufhin optimierter TGA führt. Diese Bauteile sollen unter Beachtung der Bauort bezogenen Randbedingungen zu Gebäuden mit angemessener architektonischer Individualgestaltung konfigurierbar sein. Dazu ist für das Bausystem auf Modul-/Elementebene ein einheitliches Maßsystem zu entwickeln, das die logistischen Parameter (Transport/Errichtung), die Integration der TGA und die Planung des Ausbaus berücksichtigt. Aus der Interaktion aller Einflussgrößen lassen sich Kostenoptimierungen und Einsparpotentiale für die Umsetzung generieren. Um eine industrielle Produktion mit einem entsprechendem Vermarktungspotential zu ermöglichen, werden die Anforderungen der Nutzer und Betreiber zur Definition der Zielparameter herangezogen. Sie bilden die Grundlage für die Festlegungen und Anforderungen in den anderen Modulen.
Im Projekt werden alle Lebenszyklusphasen bewertet, um die Vorteile einer industriellen Produktion und Vorfertigung bewerten zu können (z. B. PE-Aufwand, CO2-äq.). Mit Realdaten aus der Gebäudebewirtschaftung (Nutzung, Sanierung, Instandhaltung) sollen die aktuellen Kennzahlen für die verschiedenen Lebenszyklen der Gebäudebereiche überprüft werden. Daten zu Planung, Errichtung und dem Betrieb werden dafür in ein virtuelles Modell eingepflegt und mit Blick auf Kostenoptimierung ausgewertet. Entsprechend der Auswirkungen auf das Kostensenkungspotential ergeben sich unterschiedliche Gewichtungen für die einzelnen Entwicklungsfelder. Das beantragte Forschungsprojekt kann als ein Teil einer Strategie für die Veränderung von Bauprozessen in der Wohnungs- und Bauwirtschaft verstanden werden.
Forschungsansatz
Der Forschungsansatz verfolgt das Ziel, durch die Zusammenführung verschiedener Expertisen aus Forschung und Praxis auf der Grundlage neuer digitaler Methoden der Prozessplanung und -kontrolle einen „Systembaukasten Geschosswohnungsbau“ zu erarbeiten, welcher den finanziellen Randbedingungen des sozialen Wohnungsbaus gerecht wird und gleichzeitig eine hohe und nachhaltige Bauqualität sichert.
Auf der Grundlage detaillierter Analysen der Verbreitungshemmnisse bisheriger Ansätze für industriell gefertigte Bausysteme verfolgt dieses Projekt die Lösung in
– einer Gewerke übergreifenden Planung und Ausführung,
– der Anwendung optimaler Grundrisszuschnitte auf der Grundlage logistisch und fertigungstechnisch optimaler Vorgaben einer möglichst kosteneffizienten Umsetzung,
– optimierten, systembasierten Planungs- und Nachweisprozessen zur Beseitigung weiterer Kostentreiber außerhalb der eigentlichen Produktgestehung,
– der Vermeidung möglichst vieler Schnittstellenverluste im Daten- und Informationstransfer sowie auch zwischen den einzelnen Bestandteilen des Bausystems,
– einem möglichst hohen Grad der industriellen Vorfertigung mit dadurch reduzierten Qualitätsrisiken und schnellerer Abwicklung auf der Baustelle,
– einer Planungs- und Entwicklungskultur der Suffizienz in Form der Konzentration auf das „Notwendige“ im Grundsystem, um Freiräume für gestalterische und nutzerspezifische Anpassungen zu schaffen (Konfigurator) und
– Skalierungseffekten durch die Adressierung eines großen Marktpotentials.
Hierzu bedarf es einer Vernetzung verschiedener Systemwelten von der Bedarfsdefinition durch den Nutzer und Betreiber über den Planer bis hin zur produzierenden und ausführenden Industrie. Um auch die Nutzungs- und Rückbauphase mit ihren großen Kosten- und Umweltwirkungen einzubeziehen, müssen diese Aspekte bereits in der Systementwicklung einbezogen werden.
Untersuchungsmethodik
Startpunkt sind Grundrisse, die den plausiblen und aus den Anforderungen des Strukturwandels abgeleiteten Kriterien der sozialen Nachhaltigkeit genügen. Sie werden für die Parameter der seriellen Produktion in Form von Modulen und Elementen angepasst. Daraus entsteht ein Katalog von Grundrissen für einen „Systembaukasten“ des industriellen sozialen Wohnungsbaus. Die funktionalen und sozialen Anforderungen an die Grundrisse, Kosten, Reglementierungen und gesetzliche Vorgaben (SGB II) werden berücksichtigt.
Weiterhin wird gezeigt, wie die Wohnungen unterschiedlicher Art und Größe horizontal und vertikal kombiniert werden können, so dass innerhalb eines Wohnhauses unterschiedliche Lebensformen möglich werden. Die im Geschosswohnungsbau üblichen Erschließungsschemata (Spänner, Laubengang, Zentraltyp) werden für die industrielle Fertigung systematisiert.
Die Anforderungen aus den Bereichen Konstruktion, Logistik, Bauphysik, TGA, Architektur und Design, Betrieb, Lebenszykluskos-ten (LCC) und Lebenszyklusanalyse (LCA) bestimmen das Bausystem sowie den Prozessablauf mit. Für die Untersuchungen wird eine Kombination und Verknüpfung existierender, klassischer BIM 5D-Werkzeuge, eigene Excel-basierte Lösungen und den kompletten Lebenszyklus betreffende Bewertungssysteme verwendet. Der fehlende Teil in BIM, der Transfer bereits vorhandener Nutzenpotentiale durch Einsatz digitaler Werkzeuge im Bereich des sozialen Wohnungsbaus wird für den Systembaukasten ergänzt. Und zwar in Form von:
– systembezogenen Nachweisführungen genehmigungsrelevanter Eigenschaften –> weniger Nachweise
– automatisierter Nachweisführung durch direkte Übernahme der digitalen Gebäudedaten in Simulations- und Berechnungswerkzeuge (z. B. EnEff, NaWoh, DGNB, LCA, energetische Simulation, Raumklima, Akustik) -> einfache, schnelle Nachweisführung, sowie
– Vermeidung redundanter Datenerfassung, Verwendung regelbasierter Model- Checker zur Qualitätssicherung der Datenstruktur.
Durch die automatisierte bzw. digitalisierte Modellierung wird zudem abgebildet, welchen Einfluss die Erreichung bestimmter Anforderungen (z. B. Wärmedämmstandard) auf die Kosten hat. Über die Modellierung kann untersucht werden, ob sich die Erreichung eines höheren energetischen Standards
(Aktiv+) über den gewählten Betrachtungszeitraum kostensenkend auswirkt, da z. B. ein Warmmietmodell angeboten werden kann. Die Forschungsabschnitte werden in ständiger gegenseitiger Rückkopplung bearbeitet.
Die Beurteilung der fertigungstechnischen Umsetzung erfolgt anhand einer IBP-Prozessanalyse. Diese weist in übersichtlicher Weise die einzelnen Arbeitsschritte aus und erlaubt es, die Veränderungen und Potentiale neu entwickelter Systemlösungen abzubilden.