TUM Campus im Olympiapark, München
Mitten in der Stadt befindet sich das ca. 20 ha große Areal des Campus im Olympiapark, das in Zukunft gemeinsam von den Sport- und Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität München und dem Zentralen Hochschulsport mit rund 2 700 Studierenden und 16 000 SportlerInnen pro Semester genutzt werden wird.
Unter der Prämisse, optimale Bedingungen für die Forschung und Lehre zu schaffen, wurde 2015 der Wettbewerb ausgelobt, den die ARGE Dietrich | Untertrifaller, Balliana Schubert Landschaftsarchitekten gemeinsam mit merz kley partner mit einer klaren Antwort auf die komplexen Anforderungen für sich entscheiden konnte. Ein zurückhaltender, zweigeschossiger Baukörper fasst die 14 Sporthallen, 12 Hörsäle, 15 Diagnoseräume, fünf Werkstätten, 300 Büros, Cafeteria und Bibliothek unter einem Dach zusammen. Die innere Gebäudestruktur wird über die sogenannte „Rue Interieure“ organisiert. Erschlossen über einen Steg vom Wegenetz des Olympiaparks, fungiert das 1. Obergeschoss als Verteiler und erstreckt sich als interne Straße über 150 m von Ost nach West. Dieser strukturelle Kniff gestattet die Anbindung der anschließenden Hallen- und Bürocluster – zu den Sportflächen, Seminaren und Vorlesungen, zur Diagnostik und Bibliothek und zur Cafeteria – und ermöglicht eine hohe Aufenthaltsqualität sowie eine gezielte visuelle und interdisziplinäre Vernetzung. Außerdem werden von hier die dienenden Flächen im Erdgeschoss, wie Umkleiden und Technikspangen zwischen den Sporthallen, erschlossen. Innenhöfe leiten Tageslicht in die Cluster und bringen Abwechslung in die Wegführungen. Ergänzend dazu ordnet die „Rue Exterieure“ die zahlreichen Sportflächen und die Freiräume dazwischen.
Bereits im Wettbewerb war klar, dass der Neubau im laufenden Betrieb in zwei Bauabschnitten umgesetzt werden sollte. Das erfordert eine komplexe Logistik von Rückbau und konstruktiv getrenntem Neubau sowie eine frühzeitige Festlegung von Materialität und Bauweise, um die Vorteile der Vorfertigung und kurzer Montagezeiten optimal auszunutzen. Analog zur gemeinsamen Entwicklung der Funktionalitäten mit dem Bauherrn und den Nutzern wurden auch die Architektur und die Konstruktion früh integral zusammen gedacht, was dem Selbstverständnis von merz kley partner als Konstrukteure entspricht. Auch für den TUM Campus wurde diskutiert, was konstruktiv und aus Gründen des Brandschutzes und verschiedener Richtlinien notwendig war. So wurden die zentrale Erschließungsachse, das Untergeschoss mit den Technikspangen, die Treppenkerne sowie der Audimax Hörsaal und die Kletterhalle in Stahlbeton ausgeführt. Sporthallen, Institutsbereiche und die komplette Dachkonstruktion sind in Holzbauweise errichtet. Einerseits um eine Verbindung zwischen Architektur und Landschaftsraum zu schaffen, andererseits aber auch, um den hohen Vorfertigungsgrad und die kurzen Montagezeiten auszunutzen. Zum Beispiel in den 587 großformatigen Elementen in Holztafelbau für die Hallenwände oder den konventionellen Brettschichtholzkonstruktionen der Rue Interieure und der Sporthallen. Ihre auf dem Gebäuderaster von 2,50 m aufgebauten Tragwerke konnten mit der entsprechenden Logistik für Planung, Fertigung, Anlieferung und Montage in nur zwei Monaten Bauzeit errichtet werden.
Im Gegensatz zu den Hallendächern, die als Tragwerk eine wirtschaftliche Kombination aus Funktionalität und Ästhetik darstellen, folgt die in ihrer Besonderheit alles überragende Vordachkonstruktion in erster Linie der äußeren Gestalt des Gesamtbaukörpers. Auf einer Länge von 150 m kragt das markante Dach knapp 19 m über die raumabschließende Glasfassade aus. Hinter der gestalterischen Geste stecken auch funktionale Anforderungen. So sollen in Zukunft witterungsunabhängig hochsensible Sportmessungen auf den Laufbahnen des Leichtathletikstadions durchgeführt werden können – mit direktem Anschluss an die Diagnostik und die Hallennutzung. Da das gesamte Volumen von einer 1,60 m hohen Dachansicht gerahmt wird, war diese Konstruktionshöhe das Maß der Dinge für die Konstrukteure von merz kley partner. Ebenso wie der Wunsch nach einer flächig sichtbaren Holzuntersicht mit Oberlichtern, frei von Unterzügen und sichtbaren Installationen wie Entwässerungsleitungen. Als Ergebnis aller Anforderungen wurde eine Hohlkastenkonstruktion mit integrierten Unterzügen mit Abmessungen von 28 x 3,75 x 1,60 m entwickelt. Gefügt aus insgesamt 40 Elementen, ermöglicht sie die Auskragung von 19 m über die Achse der Glasfassade und ist 9,30 m weit ins Gebäude rückverankert. Jedes Hohlkastenelement ruht auf vier filigranen Pendelstützen, zwei in der Fassadenebene der Cafeteria und zwei am hinteren Ende. Zur Aufnahme der Horizontalkräfte aus Windlasten ist das Vordach an drei Stellen an das Gebäude angebunden.
Die Vordachelemente bestehen aus schlanken Längsrippen und überbreiten Querträgern in Brettschichtholz sowie aus Beplankungsplatten in Furnierschichtholz (Fichte und Tanne). Um einen starren Verbund zu erreichen, mussten die Platten mittels Verklebung mit den Rippen verbunden werden. Nur so konnte ein hochtragfähiger Hohlkastenquerschnitt erzeugt werden. Er weist für die große Auskragung eine gerade noch ausreichende Steifigkeit auf, um die Verformungen an der Vordachkante im akzeptablen Bereich halten zu können. Die Anschlüsse der Längsrippen an die Querträger erfolgte mit mechanischen Verbindungsmitteln (Schrauben und Rillennägel in Kombination mit Stahlteilen). Mit mechanischen Verbindungsmitteln gelang auch die Übertragung der großen Auflagerkräfte in die Stahlstützen auf kleinen Flächen: über Stahlplatten und lange, querdruckverstärkende Vollgewindeschrauben. Neben der festgelegten Konstruktionshöhe des Dachs sind auch die auf dem Markt verfügbaren Plattenformate und deren Verarbeitungsmöglichkeiten die entscheidenden Parameter. In diesem Fall waren es 20 m lange, durchlaufende Platten, die in den Bereichen der durch den Querträger unterbrochenen Rippen die Zug- und Druckkräfte aus dem Stützmoment im Kragdach übernehmen.
Die Plattenstöße sind im geringer beanspruchten Bereich des Kragarms angeordnet. Es braucht hier aber auch die passenden Partner, die in mehreren Produktionsstraßen parallel am Bau der 19 t schweren Einzelelemente arbeiten können; angefangen bei großflächig vorbereiteten Verschraubungen und dem Einsatz mehrerer Personen zum Auftragen des Klebers, um die kurze Härtungs- und damit Verarbeitungszeit optimal nutzen zu können. Mit einer Überhöhung von 20 cm an der Kragarmspitze konstruiert, stellte sich die Durchbiegung des Vordachs bei der Montage und der Entfernung des Montagegerüsts wie berechnet ein. Die in den Elementstößen gesetzten Oberlichter lassen den Raum unter dem Vordach hell und luftig erscheinen. So hat der Slogan „Licht, Frische und Großzügigkeit“ der Olympischen Spiele in München von 1972 auch heute noch Bestand. Eva Maria Herrmann
Das mit der dominanten Auskragung erlebbare Tragwerk lotet die Grenzen des Ingenieurholzbaus hinsichtlich Schlankheit, Lastabtragung sowie der Fertigungs- und Montagemöglichkeiten aus. Dieser Grenzgang mit einer entsprechend integrativen Planung macht das skulpturale Erscheinungsbild erst möglich.« DBZ Heftpartner TRAGRAUM Ingenieure, Nürnberg
Baudaten
Objekt: TUM Campus im Olympiapark, München
Standort: Olympiapark München, 80809 München, Olympiapark
Typologie: Sportbau / Verwaltungsgebäude
Bauherr: Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt München 2
Nutzer: Technische Universität München, Fakultäten Sport- und Gesundheitswissenschaften / Zentraler Hochschulsport
Architektur: ARGE Dietrich | Untertrifaller, Dorn-birn/AT; Balliana Schubert Landschaftsarchitekten, Zürich/CH, www.dietrich.untertrifaller.com
www.balliana-schubert.ch
MitarbeiterInnen: Heiner Walker, Peter Nussbaumer, Julian Straub, Verena Schoissengeyr, Claudia Majer, Lara Kaufmann, Constantin Frommelt
Bauleitung: Ernst², München,
www.ernst2-architekten.de
Tragwerksplanung: merz kley partner, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com
Ausführende Firmen: Rubner Holzbau,
www.rubner.com
Bauzeit: 2017–2021 / 2023
Projektdaten
Gesamtlänge: 180 m
Maximale Breite: 150 m
Fläche: 42 000 m² Brutto-Grundfläche, 37 900 m² Netto-Raumfläche, 20 ha Sportflächen
Kapazität: 14 Sporthallen, 12 Hörsäle, 15 Diagnoseräume, 5 Werkstätten, 300 Büros, Cafeteria, Bibliothek
Baukosten: 163 Mio €