Sport- und Stadtpark Philippe-Marcombes/FR
Sport, Spiel und Freizeitgestaltung im Grünen und das alles mitten in der Stadt – auf dem Gelände des Sport- und Stadtparks Philippe-Marcombes in Clermont-Ferrand sind neben einem Stadion auch Sportplätze, Turnhallen, eine Laufstrecke, ein Skatepark sowie ein großer Spielplatz vorhanden. Das Besondere daran: Fast alle Flächen können kostenfrei und ohne Vereinszugehörigkeit genutzt werden. Geplant hat das Gelände das deutsche Architekturbüro Auer Weber mit Sitz in Stuttgart und München.
Der „Parc urbain et sportif Philippe-Marcombes“wurde 2021 eröffnet
Foto: Aldo Amoretti
Rund 420 km südlich von Paris gelegen ist Clermont-Ferrand mit seinen 150 000 Einwohnerinnen und Einwohnern die größte Stadt des französischen Départements Puy-de-Dôme in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Hier hat das Büro Auer Weber mit dem „Parc urbain et sportif Philippe-Marcombes“ im Herzen der Stadt einen multidisziplinären Sportcampus geschaffen, der 2021 eröffnet wurde. Inmitten einer städtisch geprägten Umgebung und eines Parkgeländes bietet dieser einen niederschwelligen Zugang zu einer ganzen Bandbreite von Sport- und Freizeitaktivitäten.
Die Leichtbau-Dachkonstruktion spannt sich wie eine Wolkendecke über die Tribüne und nimmt Bezug auf die Gleitschirme, die gelegentlich um den nahen Vulkan Puy de Dôme (im Hintergrund) fliegen
Foto: Aldo Amoretti
Formgebendes historisches Velodrom
Eine zentrale Aufgabe des 2016 ausgeschriebenen Wettbewerbs war es, dem 1922 an dieser Stelle erbauten Velodrom und dem städtebaulichen Umfeld eine neue Identität zu ver-leihen. Die Entwurfsthemen waren hierbei, die Anlage in einen Sportpark umzugestalten und dabei den städtebaulichen Bezug zur unmittelbaren Umgebung mit Wohnsiedlungen und -häusern sowie Schul- und Universitätseinrichtungen, aber auch die historische Bedeutung des Ortes und der Region zu berücksichtigen. Gemeinsam mit dem lokalen französischen Architekturbüro mBa Architectes und den Pariser Landschafts-architektinnen und -architekten von AgenceTER planten Auer Weber auf dem Areal einen Sport- und Freizeitcampus mit breitem Nutzungsangebot und demokratischem Anspruch.
Der Streetbasketballplatz im Schatten der Allee − bei der Umgestaltung sollte auch der städtebauliche Bezug zur unmittelbaren Umgebung mit Wohnsiedlungen (rechts) berücksichtigt werden
Foto: Aldo Amoretti
Während im Zuge der Renovierung das zentrale Oval gestärkt wurde, blieb die formgebende historische Radrennbahn, einst unter dem namensgebenden Bürgermeister Philippe Marcombes erbaut, nicht erhalten. Das Oval bildet gleichwohl heute noch den Mittelpunkt des Parks und nimmt das neue Stadion mit dem vorgelagerten Tribünengebäude auf. Dort sind nun die Verwaltung, Räume für temporäre Ausstellungen, Gemeinschaftsräume, Umkleidebereiche und technische Anlagen untergebracht.
Die Tribüne mit ihrem weißen Membrandach ist das markante Wahrzeichen des neuen Sport-Campus
Foto: Aldo Amoretti
Dachkonstruktion in Leichtbauweise
Die Tribüne mit ihrem weißen Membrandach ist das markante Wahrzeichen des neuen Sport-Campus. Die Leichtbau-Dachkonstruktion spannt sich wie eine Wolkendecke über die Tribüne und nimmt Bezug auf die Gleitschirme, die gelegentlich um den nahen Vulkan Puy de Dôme fliegen. Sie soll aber auch an die Geschichte der Luftfahrt erinnern, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem in Clermont-Ferrand ansässigen Unternehmen Michelin eine wichtige Rolle für die Stadt spielte. Die Entwicklung der Details für das Membrandach und aller sichtbaren konstruktiven Elemente sei eine kleine Herausforderung bei der Umsetzung gewesen, sagte der verantwortliche Projektleiter Markus Hennig von Auer Weber. Die Realisierung erfolgte in Zusammenarbeit mit der Firma SMC2. Die Tribüne ist überdacht mit einem Tragwerk aus heißverzinktem Stahl sowie einer darüber gespannten Textilmembran.
Ein Spielplatz und ein Skatepark vervollständigen das Angebot
Foto: Markus Hennig
Von der Tribüne blicken die Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion, in dem der ansässige Rugby-Verein in der höchsten französischen Liga spielt. Es bietet Platz für 1 600 Besucherinnen und Besucher. Um das Oval mit dem Stadion in der Mitte gruppieren sich auf einem fünfeckigen Grundriss zahlreiche Nutzungsbereiche: Neben Sportplätzen für Rugby, Fußball, Basketball und Handball, einer Tennisanlage mit drei Außen- und sechs Hallenplätzen sind auch eine multifunktionale Sporthalle mit Geräten, ein überdachter Skatepark, Leichtathletikanlagen sowie ein Tennis-Clubhaus vorhanden. Die 1 km lange Laufstrecke sowie ein farblich davon abgesetzter Spazierweg führen durch den Park und um das Stadion herum. Bei dem Infopavillon am Haupteingang können Freizeitsportlerinnen und -sportler ihre Plätze reservieren.
Foto: Aldo Amoretti
Viel Grün und naturbelassene Materialien
Bei der Gestaltung der Parkanlage wurde Wert auf einen behutsamen Umgang mit dem Bestand gelegt, was nicht immer leicht war. Von Beginn an stand jedoch fest: Die alten Bäume der so genannten „Allée triomphante“ sollten unbedingt erhalten bleiben. Die bereits vorhandene Allee wurde durch Neupflanzungen ergänzt und ringförmig um das Oval des Stadions weitergeführt. Erschwert wurde die Einbettung durch das neue Höhengefüge. So habe es innerhalb des Parks ein Gefälle von bis zu 6 m barrierefrei zu gestalten gegeben, ohne einem der alten Bäume mit den neuen Bauteilen zu nah zu rücken, sagt Hennig. Auch der bestehende Orchideengarten wurde erhalten und in die neuen Grünflächen integriert. Ein begrünter Parkplatz, ein kleiner „Erlebniswald“ und ein großer Spielplatz vervollständigen das Angebot.
Die Zweifach-Kampfsporthalle befindet sich neben dem Indoor Skatepark
Foto: Aldo Amoretti
Die Entwurfsidee sah ein reduziertes Materialkonzept vor. Die wenigen verwendeten Baumaterialien sollten dabei möglichst naturbelassen bleiben. Die Beton- und Holzmischkonstruktionen der im Park stehenden Gebäude und Pavillons sind mit einer lavagrau lasierten Lärchenholzschalung verkleidet. Die aus Beton gefertigten Elemente nehmen sich dadurch zurück, so die Idee. Alle sichtbaren Metallbauteile, wie Ballfangzäune, Geländer, Masten und Tragwerke wurden lediglich feuerverzinkt. Damit setzte das Architekturteam auch bei der Konstruktion auf Einfachheit und Klarheit.
Street-Art-Künstler gestalten Indoor-Skatepark
Der öffentliche Park rund um die Sportstätten wurde bereits vor dem Umbau gut besucht. Dort hatte sich unter anderem ein Skatepark angesiedelt. Einige Nutzerinnen und Nutzer konnten die Wiedereröffnung nach dem Umbau kaum erwarten, so seien Skater noch während der zweijährigen Baustellenzeit nachts über die Zäune geklettert, sobald die Skateanlage betoniert war. „Das konnten wir natürlich nicht dulden“, sagt Projektleiter Hennig, fügt jedoch gleich mit einem Lächeln hinzu: „Aber wir fanden es großartig!“
Um den urbanen Charakter des Ortes
zu betonen und ihn in die städtische Subkultur zu integrieren, holten die
Planerinnen und Planer lokale Street-Art-Künstler mit an Bord
Foto: Markus Hennig
Um den urbanen Charakter des Ortes zu betonen und ihn in die städtische Subkultur zu integrieren, holten die Planerinnen und Planer lokale Street-Art-Künstler mit an Bord. So hat das Kollektiv Supreme Legacy mit den Graffitikünstlern Rino, Co-fee und Repy dem Indoor-Skatepark ein farbenfrohes Aussehen verliehen. Das gemeinsam erarbeitete Konzept sah neben der Berücksichtigung des individuellen Stils jedes Einzelnen eine einheitliche Wirkung des Ganzen vor. „Projekte werden dann gut, wenn alle Beteiligten gehört und einbezogen werden“, ist Hennig überzeugt.
Da in Frankreich öffentliche Parkanlagen üblicherweise nach Sonnenuntergang geschlossen werden, mussten auch Zäune in die Neugestaltung integriert werden. Dieser Umstand hilft, Vandalismus zu einem gewissen Teil vorzubeugen, ganz verhindern lassen wird er sich dadurch nicht. „Doch wenn die Bevölkerung einen Ort wertschätzt, und der Park scheint der Bevölkerung sehr wichtig zu sein, dann hält sich der Vandalismus auch in Grenzen“, sagt Hennig.
Piktogramm: o. M.
Verwaltung und Wettbewerbe
1 Athletik, Fußball, Rugby, Verwaltung, Tribüne, Umkleiden
Tennisbereich
2 Tennisplätze
3 Clubhaus
4 Tennishallen
Freizeitsport
5 Crosstraining
6 Überdachter Skatepark
7 Terrasse, Tischtennis
8 Skatepark, Fußball
9 Beachvolleyball, Tennis, Street-Workout
10 Basketball
Sporthallen
11 Boxen, Tanzen, Gymnastik, Breitensport, Kampfsport, Büros, Öffentl. Toiletten, Umkleiden
Stadtpark
12 Entdeckungswald, Spielplatz, Boule, Fahrradlernen
Allgemeine Bereiche
13 Parkplatz
14 Parkleitung und Information
15 Laufbahn 1 000 m
16 Baumallee „Allée triomphante“
17 Orchideengarten
Querschnitt Tribünengebäude, M 1 : 200
1 Membrandach, Bespannung oberseitig, Stichhöhe max. 1,20 m
2 Seilsicherungssystem zur Wartung
3 Dachrandverblechung umlaufend, Stahlblech pulverbeschichtet
4 Membrandach, unterseitig mit Bogenverspannung zur Windsogsicherung
5 Stahlfachwerk feuerverzinkt, Rundrohre DN 200 mm / DN 76 mm (max. Ausladung 15 m)
6 Stahlstützen feuerverzinkt, zweigelenkig, Rundrohr DN 114 mm
7 Regenentwässerung
8 Lounge
9 Tribüne
10 Vorplatz und Haupteingang
11 Eingangshalle
12 Zugang Tribüne
13 Geräteraum
14 Flur
15 Besprechungsraum
16 Feuerwehrzufahrt
17 Stadion
Fazit
Am Sportstättenbau fasziniere Auer Weber die Vielfalt der Aufgaben und die Einbettung in den landschaftlichen Kontext, so Projektleiter Hennig. Der multidisziplinäre Sportcampus bietet für alle einen einfachen Zugang zu zahlreichen Sport- und Freizeitaktivitäten. Er fungiert als sozialer Kommunikations- und Treffpunkt für die lokale Bevölkerung und auch für Touristen. Neben unterschiedlichen Sportstätten und des barrierefrei zugänglichen Stadions sind ein groß angelegter Spielplatz und Freiflächen mit zahlreichen Freizeitangeboten vorhanden. Somit richtet sich das Angebot an alle Altersgruppen – von Kindern über Erwachsene bis hin zu älteren Menschen und funktioniert dabei sowohl als Sportstätte für Profi- und Freizeitsportler als auch als Ort für Freizeitaktivitäten und als Naherholungsgebiet.
Die große Anzahl an Sportstätten auf begrenztem Raum mit dem zu erhaltenden Parkbestand, war eine Herausforderung. Insgesamt waren 24 Gewerke vor Ort tätig – ein großes interkulturelles wie interdisziplinäres Team aus Architektinnen, Sportstättenspezialisten, Membrandachkonstrukteuren und Landschaftsarchitektinnen. Die Komplexität des Projekts lag in der nahtlosen Verknüpfung von Sportstätten, Gebäuden und Landschaft. Damit wurde jede Leistung zwangsläufig zu einer architektonischen Disziplin.
„Nach Auskunft unseres Bauherrn ist diese Dichte an Sport- und Freizeitangeboten in einem Sportpark in Frankreich einzigartig“, sagt Hennig. Hier kommen alle Altersgruppen und sozialen Schichten zusammen. Eben ein Sport-Park für alle.
⇥Heide Teschner/DBZ
Projektdaten
Objekt: Sport- und Stadtpark Philippe-Marcombes in Clermont-Ferrand
Standort: Clermont-Ferrand/FR
Typologie: Sport und Freizeit
Bauherrenvertretung: Stadt Clermont-Ferrand, Assemblia (Direction Habitat et Développement des Territoires)
Architektur: Auer Weber, Stuttgart/München, www.auer-weber.de und mBa Architectes, Clermont-Ferrand, www.mba-architecture.fr
Team: Moritz Auer (verantw. Geschäftsführer), Stefan Niese (verantw. Partner), Markus Hennig (Projektleiter), Justine Vacher, Kristin Janda (Architektinnen), Entwurfsplanung: Charles Martin (Projektleiter), Yvonne Meschederu, Anne-Laure Gerlier, Samantha Tan (Architektinnen), Karine Leroy-Masson
Flächen:
Grundstücksgröße: 28 500 m²
Nutzfläche gesamt: 11 235 m²
Brutto-Grundfläche: 13 000 m²
Baukosten (nach DIN 276):
Gesamt brutto: 30 000 000 €
Bauzeit: Wettbewerb: 2016
Planungsbeginn: 2017 08.2018 – 01.2021 (Fertigstellung Gesamtanlage)
Fachplanung
Tragwerksplanung, Technische Gebäudeausrüstung, Brandschutz: Egis Bâtiments, Clermont-Ferrand, www.egis-group.com
Akustik: SALTO Ingénierie, Clermont-Ferrand, www.salto-ingenierie.com
Landschaftsarchitektur: Agence TER, Paris, www.agenceter.com
Energieberatung/Energieplanung: EODD Ingénieurs, Villeurbanne,
www.eodd.fr
Signaletik: Franz Göttler und Dominik Schwarz, München
Sportanlagenplanung: PR-Sport, Labenne (Entwurfsplanung), Osmose Ingénierie (späte Leistungsphasen), Marquette-Lez-Lille,
www.osmose-ingenierie.fr
Projektsteuerung: Arpège Ingénierie, Caluire, www.arpege-ingenierie.com
Tribüne mit Membrandach: SMC2,
www.smc2-bau.de