Turn- und Mehrzweckhalle Klaus, Vorarlberg/AT
Im vorarlbergischen Klaus bauten Dietrich | Untertrifaller Architekten im Abstand von zehn Jahren erst eine Schule, dann die dazugehörige Turnhalle. Die lange Pause ist der Anlage nicht anzusehen – im Gegenteil. Die Halle überzeugt zudem mit einem klugen Raumprogramm, einer sorgfältigen Materialisierung und mit verspielten Details.
Am südlichen Ortsrand von Klaus, einer 3000-Seelen-Gemeinde im österreichischen Vorarlberg, steht seit 2003 die Mittelschule für die Gemeinde und die angrenzenden Dörfer Fraxern und Weiler. 250 Schülerinnen und Schüler zwischen 10 und 14 Jahren gehen hier zur Schule, und auch die Bibliothek der Gemeinden ist dort untergebracht. Der langgezogene Neubau des Bregenzer Büros Dietrich | Untertrifaller Architekten ersetzte das bestehende marode Schulhaus aus den 1970er-Jahren. Bei seiner Eröffnung 2003 war das Volumen mit Nord-Süd-Ausrichtung ein Pionier: Als erstes Schulhaus in Österreich erreichte es den Passivhausstandard. Tatsächlich wirkt nichts an dem harmonisch in die Landschaft eingepassten Bau zufällig, aber alles selbstverständlich. Das reicht vom Rücksprung der verglasten Fassade genau auf der Höhe, die den sitzenden Kindern die Aussicht nach draußen erlaubt, bis zum Löschbecken für die Sprinkleranlage, das als gut gestaltetes Biotop die Außenräume der Schule bereichert. Nur logisch also, dass auch die 2014 fertiggestellte Mehrzweck- und Doppelturnhalle, die das Ensemble funktional und räumlich ergänzt, wirkt, als sei sie schon immer hier.
Überlegte Vielfalt
Existenz und Ausführung des Baus sind allerdings bei weitem nicht so selbstverständlich, wie man zunächst meinen könnte. Die Baugeschichte spielte sich in mehreren Etappen ab: Für den Ersatz des maroden Bestands – Schule, Schwimmbad und Turnhallen – schrieb die Gemeinde 2001 einen Wettbewerb aus, den Dietrich | Untertrifaller Architekten für sich entscheiden konnten. Nach Fertigstellung der Schule gab es aber erst einmal eine Pause: Zehn Jahre dauerte es, bis die bestehenden Turnhallen schließlich in einem so schlechten Zustand waren, dass man definitiv beschloss, sie zu ersetzen. Die Verantwortlichen wussten die Baupause zu nutzen: Klar war, dass das Bauvorhaben zu groß und zu aufwendig für die kleine Gemeinde war, selbst im Verbund mit den Nachbarn. Es galt, Synergien zu finden, um eine umfassende Nutzung des Baus zu ermöglichen. Mit Beteiligung der Bevölkerung ermittelte man die Bedürfnisse und Anforderungen – von schulverwandten Funktionen wie einem Mittagstisch oder einer Tagesbetreuung über Proberäume für die Musikschule oder den örtlichen Musikverein bis hin zu adäquaten Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten für den Kraftsportklub Klaus, immerhin Bundesligist und mehrfacher österreichischer Mannschaftsmeister im Ringen. Das Raumprogramm des fertigen Mehrzweckgebäudes spiegelt diese Vielfalt wider. Der Zugang zur Halle erfolgt über den gedeckten, im Erdgeschoss offenen Querriegel, der Schulhaus und Turnhalle miteinander verbindet. Im südlichen Teil, zur Straße hin, liegen die 2-geschossige Doppelturnhalle und die unterirdischen Geräteräume. Auf der Nordseite, Richtung Schulhof, befindet sich der dreigeschossige Mehrzweckbereich mit den Räumen für die Musikschule und die Tagesbetreuung inklusive Küche sowie je einem anderthalbgeschossigen Musikprobe- und Gymnastikraum. Großzügig verbunden werden sie über ein luftiges, zweigeschossiges Foyer, das in direkter Flucht zum Eingangsbereich des Schulhauses liegt. Der Clou: Die Türen, die den Mehrzweckbereich vom Entrée trennen, können bei Anlässen geöffnet werden, die Fläche umspielt dann frei den Erschließungs- und Gebäudetechnikkern. Von hier aus erreicht man auch die ausziehbaren Besuchertribünen. Bis zu 800 Zuschauerinnen und Zuschauer finden so in der Halle Platz, 600 auf den Tribünen, 200 auf den Stehplätzen der Galerie. Brandabschnitte gibt es keine, denn die Architekten wussten, das nach Westen abfallende Gelände zu ihren Gunsten zu nutzen: Sie konnten alle Öffnungen so anordnen, dass die Fluchtwege sich jeweils innerhalb der vorgeschriebenen Distanzen bewegen.
Virtuos verzogen
Obwohl das Mehrzweckgebäude rund zehn Jahre nach der Schule entstand, entschlossen sich die Planer, die gleichen Materialien zu verwenden und erneut auf eine Holzkonstruktion zu setzen. „Alles, was mit Holz gebaut ist, ist auch mit Holz verkleidet, Beton bleibt Beton, Gipskarton Gipskarton“, sagt Projektleiter Peter Nussbaumer vom Büro Dietrich | Untertrifaller Architekten. Unterstützt wurden sie bei der Konzeption des Tragwerks vom Ingenieurbüro Kurt Pock aus Klagenfurt.
Wie harmonisch das wirkt, lässt sich in den Turnhallen erleben. Hier sind die Wände mit Birkensperrholzplatten belegt, dazu kommt ein Turnhallenboden in farblich passendem Beige.
Das Dachtragwerk der mit 28 x 30 m nahezu quadratischen Doppelturnhalle besteht aus einem Trägerrost aus Brettschichtträgern mit einem Raster von 4 x 4 m, die stirnseitig an den 2,70 m hohen Zweifeldträgern anschließen. Dieser ist im Eingangsbereich auf Stahlstützen gelagert. Im Dachaufbau ist auch die mobile Trennwand der Hallen untergebracht. Die Außenwände über Terrain sind als Holzrahmenbau ausgebildet, die Zimmerdecken im Inneren als Holzverbundelemente.
Besonders ist die Decke der Turnhalle: 56 Oberlichter leiten das Tageslicht in den Raum. Sie sitzen auf asymmetrischen, pyramidenförmigen Lichtschächten, die die Höhe der dahinterliegenden Brettschichtträger kaschieren. Die Architekten teilten die Dachfläche dafür in 56 je 4 x 4 m große Felder auf. Die Position der Oberlichter innerhalb dieser Felder und damit die Winkel der Lichtschächte variiert jeweils; insgesamt gibt es vier Typen, die miteinander kombiniert sind. Die Modulation ergibt eine spannende Deckenuntersicht, sorgt aber auch für die gleichmäßige Ausleuchtung des Spielfelds – ein ungewöhnlicher Effekt, erzielt mit Standardprodukten. Die Verkleidungen der Lichtschächte sind ebenfalls aus Birkensperrholz, aus akustischen Gründen sind sie teilweise perforiert. Diese Flächen sind ebenfalls asymmetrisch angeordnet, was den optischen Reiz der Anordnung noch erhöht. Vervollständigt wird die Komposition von bündig in die Unterkonstruktion eingelassenen ballwurfsicheren Leuchten, die das nötige Kunstlicht beisteuern.
Konstante Qualität
Waren Holzkonstruktion und Passivhausstandard der Schule beim Bau 2002/2003 noch umstritten, stand die nachhaltige Herangehensweise bei der Erstellung der Mehrzweckhalle zehn Jahre später schon nicht mehr zur Disposition. Geholfen hat sicher auch, dass das Schulhaus sehr gut altert, die 15 Jahre in Betrieb sieht man ihm nicht an.
Mit der Turnhalle erreichen die Planer den Niedrigenergiestandard. Damit ist der Bau zwar kein Pionier wie sein Kompagnon, aber im Zusammenspiel mit dem Schulhaus entstand ein architektonisch starkes und stimmiges Ensemble, die Energiebilanz stimmt und auch der finanzielle Mehraufwand für den Holzbau liegt im tiefen einstelligen Prozentbereich. Diese Leistung wird gewürdigt: Das Projekt erhielt mehrere Preise, darunter 2006 den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit (für die Schule) oder 2015 der Vorarlberger Holzbaupreis (für die Halle). Ein Beispiel, wie man Schule machen kann.
Baudaten
Objekt: Schule und Halle Klaus
Standort: Treietstraße 17, Klaus/AT
Typologie: Sport- und Mehrzweckhalle
Bauherr: Gemeinde Klaus
Nutzer: MS Klaus, Vereine K-W-F
Architekt: Dietrich | Untertrifaller Architekten,
Wien/AT, www.dietrich-untertrifaller.com
Projektleitung: Peter Nußbaumer / Isabella Pfeiffer,
Team: Sonja Kiel, Martina Simoncini
Bauleitung: Gmeiner Elmar Baugesellschaft mbH, Schwarzach/AT, www.schwarzach.at
Bauzeit: Mai 2013 – Dezember 2014
Fachplaner
Tragwerksplaner Holzbau: DI Kurt Pock,
Klagenfurt/AT, www.kurzpock.at
Tragwerksplaner Massivbau: gbd ZT, Dornbirn/AT, www.gbd.at
TGA-Planer: GMI Ingenieure Messner Peter GmbH, Dornbirn/AT
Akustikplaner: Ingenieurbüro für Technische Akustik Karl Brüstle Dornbirn/AT
Elektroplaner: Andreas Hecht Licht- und Elektro-planung Hecht, Rankweil/AT, www.hecht.at
Energie- und Tageslichtplaner: teamgmi Ingenieurbüro Liechtenstein AG, Schaan/FL,
www.teamgmi.com
Brandschutzplaner: IBS – Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung GmbH, Linz/AT, www.ibs-austria.at
Landschaftsplaner: Heinrich Landschaftsarchitektur GmbH, Winterthur/CH, www.h-la.ch
Projektdaten
Grundstücksgröße: 15 238 m²
Bebaute Fläche: 1 590 m²
Bruttogeschossfläche: 3 050 m²
Nutzfläche gesamt: 2 815 m²
Netto-Nutzfläche: 2 435 m²
Technikfläche: 115 m²
Verkehrsfläche: 265 m²
Brutto-Rauminhalt: 18 500 m³
Baukosten
Bauwerkskosten (2 – 4) netto: 5,6 Mio. €
Baukosten (1 – 6) netto: 6,2 Mio. €
Gesamtbaukosten (1 – 9) netto: 7,5 Mio. €
Nutzfläche: 2 665 €/m² (Basis Gesamtbaukosten 1– 9), 2 202 €/m² (Basis Baukosten 1– 6)
Brutto-Rauminhalt: 405 €/m³ (Basis Gesamtbaukosten 1– 9), 335 €/m³ (Basis Baukosten 1– 6)
Energiebedarf
Endenergiebedarf: 48,94 kWh/m²a nach Energieausweis für Nicht-Wohngebäude
Jahresheizwärmebedarf: 14 kWh/m²a nach Energieausweis für Nicht-Wohngebäude
Nach KGA (Kommunalgebäudeausweis) Kriterien: 920 Punkte
Gebäudehülle
U-Wert Erdanliegende Wand = 0,20W/(m²K)
U-Wert Außenwand Brettsperrholz = 0,17 W/(m²K)
U-Wert Außenwand Holzrahmenbau = 0,14 W/(m²K)
U-Wert Wand Gerätelager zu Gang = 0,36W/(m²K)
U-Wert Flachdach Sporthalle = 0,14W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 0,91W/(m²K)
Haustechnik
– Hochwärmegedämmte Gebäudehülle, 3-Scheiben-
Isolierverglasung mit Passivhausrahmen
– Mechanische Lüftungsanlage für eine gute
Luftqualität bei Großevents
– Energieeffiziente Nachtlüftung über unterirdische
Fluchtwegetunnel und Dachentlüftungsklappen
– Heizung der Halle mittels Erdsonden
– passive Kühlung im Sommer durch Lufterdregister
ohne zusätzliche Energieaufwände im Vergleich
zu Kältemaschinen
Hersteller
Fassade, Wand, Decke: Dobler Hochbau GmbH, www.dobler-gruppe.at
Boden: Schweiger-Sport GmbH,
www.schweiger-sport.at
Holz-Alu Fenster: Josko Fenster & Türen GmbH, www.josko.at
Flachdachfenster: Velux GmbH, www.velux.de