Utopie und Geschäftsmodell
„Nadogradnje” ist ein schwierig zu übersetzendes Wort aus dem serbokroatischen Sprachraum und heißt irgendetwas mit Aufrüsten im Sinne von größer werden und damit auch: den Wert steigern. Dort, wo es dieses Wort gibt, gibt es auch die meist illegalen Dachaufbauten, die man von hier aus gesehen gerne als Ausdruck urbaner Selbstregulierung (des Marktes) begreifen möchte, als anarchistischen Anschlag auf bürgerliches Besitzdenken oder auf die staatliche Überreglementierung des Immobilienmarkts.
Die von Gregor Theune sehr plastisch fotografierten Nadogradnje, 29 an der Zahl, scheinen auch genau dieses zu sein: Aufbegehren gegen die Uniformität der so genannten sozialistischen Mietskasernen, Aufbäumen gegen Konformismus und Marktzwänge.
Doch wer die gut ausgewählten und sorgfältig gesetzten Autorentexte liest, muss auch zu anderen Ergebnissen kommen. Nicht selten sind die teils skurril anmutenden Dachaufbauten ja nichts anderes, als eben die Wertsteigerung der Immobilie. Hinter den Aufbauten stecken häufig kriminelle Unternehmungen, deren Geschäftsmodell der Bau und die Vermarktung der 1A-Lage Wohnungen sind, deren Standard nicht selten deutlich über dem Bestandfundament liegt, auf welchem sie ihr Produkt aufgesetzt haben.
Die „urban self-regulation“ ist natürlich ein Aspekt, der in allen großen Metropolen dieser Welt nicht gesucht werden muss. Dass das in den großen Städten Post-Jugoslawiens eine eigene Note hat, verdeutlicht dabei, dass die Globalisierung den Immobilienvermarktungsstrategien noch nicht zur Gänze nur die eine Form gegeben haben. In Belgrad oder Priština ticken die Menschen dann doch anders, als in Hongkong oder Köln beispielsweise. Be. K.