Verschenkte Chancen
Ein kritischer Blick auf die deutsch-chinesische Kooperation in Shanghai

In Shanghai geht Ende Oktober die bisher größte Weltausstellung der Geschichte zu Ende. In China stellt die Großveranstaltung sogar die olympischen Spiele in den Schatten. Ende August mussten die Veranstalter den Kartenverkauf wegen zu großen Ansturms stoppen: Am Samstag drängten 560 000 und am Sonntag 400 000 Menschen auf das 5,4 km² große Gelände.

In Europa ist von dieser Expo-Begeisterung wenig angekommen und noch weniger von den hohen Ansprüchen der Veranstalter. „Better City, Better Live“, China hat rund 200 Millionenstädte, und in den nächsten 30 Jahren werden wohl 450 Millionen Menschen in diese und andere Großstädte drängen. Die Expo in Shanghai sollte insbesondere für dieses prognostizierte Städtewachstum Lösungen aufzeigen und den notwendigen Tech­nologietransfer unterstützen helfen.

„Ikonen der Nachhaltigkeit hätten entstehen können,“ klagt Stefan Richter, von der Berliner Agentur Triad, „Bilder dafür, dass ein Umdenken eingesetzt hat. Dass man den Ernst der Lage verstanden hat und es um Allianzen, um das gemeinsame Angehen der großen Herausforderungen geht. Aber: Fehlanzeige, Ratlosigkeit angesichts der Gedankenlosigkeit vieler Pavillons, der Überheblichkeit der reichen Nationen gegenüber den existenziel­len Herausforderungen der Gastgeber.“ Die Berliner Agentur Triad hat mit chinesischen Partnern mit „Urban Planet“ einen der zentralen Themenpavillons gestaltet.

Mit der thematischen Fixierung der Themenpavillons hat die große Weltausstellung in China Neuland betreten. Beispielhaft für die konsequente Ausrichtung auf das Thema ist der gerade schon angesprochene „Urban Planet“, der auf einer Fläche von 12 000 m² die komplexen Prozesse der Urbanisierung unseres Planeten und die damit verbundenen globalen Herausforderungen zeigt. Die Szenografie von Triad verbindet dabei westliche Erzähltraditionen mit Motiven aus der chinesischen Feng-Shui-Tradition. Die Ausstellung thematisiert in einer zweigliedrigen Struktur den ambivalenten Charakter von Städten. Einerseits sind sie Um­weltzerstörer, andererseits Orte für Wertschöp­fung, Wohlstand und technische Innovationen. Die Ausstellungsarchitektur inszeniert die großen Weltprobleme dramatisch und, wie auch die Lösungsansätze, dennoch leicht verständlich. Der Pavillon wird voraussichtlich über zehn Millionen Besucher anziehen.

Neben den Themenpavillons gibt es die von vorhergehenden Expos bekannten Länderpavillons. Der Deutsche Pavillon mit dem schönen Namen „balancity“ gewann einen „red dot award“ für die inhaltliche und bauliche Umsetzung des Expo-Mottos „Better City, Better Life“. Bei dieser Auszeichnung geht es weniger um die Architektur, sondern um Messegestaltung und Präsentation. Diese ist sowohl bei der Hülle, als auch bei der Präsentation gelungen. So ist es schade, dass nach dem Abbau des Pavillons wenig zurückbleibt. Wie die meisten Expo-Projekte wirkt er einfach von Deutschland an den Huangpu versetzt. Der Expo-Zirkus hat weltweit, in Japan, Spanien oder China, das gleiche Ausstellungskonzept. Doch in Shanghai wurde die Weltausstellung neu erfunden, dem Veranstalter ging es um Zukunftsfragen, um internationale Zusammenarbeit und Kooperation.

Neben den großen Themenpavillons und den Länderpavillons gibt es auf der Ausstellung in Shanghai eine Urban Best Practice Area (UBPA), in der erstmals auf einer Expo ausgewählte Städte Lösungsvorschläge für das urbane Bauen der Zukunft zeigen. London, Shanghai oder Madrid und neun weitere Nationen bauten dort Niedrigenergiehäuser, die an die Bedingungen in Shanghai angepasst sind.

Auch Hamburg, Partnerstadt von Shanghai seit 1986, ist mit dabei.Am Hamburg Case-Pavillon ist jedoch ein totales Versagen der Projektverantworlichen zu sehen (Arch.: Spengler Wiescholek Architekten und Dittert & Reumschüssel, beide Hamburg). Trotz jahrelanger Vorbereitung unter anderem durch eine „Öko­logische Bauausstellung“ 2005 in Shanghai, dutzenden Reisen von Hamburger Oberbaudirektoren und Architekten, wirkt das Gebäude umstandslos von der Elbe an den Huangpu versetzt.

Lars Anke, Leiter der Hamburgrepräsentanz in Shanghai, zur Hamburgbeteiligung: „Erst einmal ist es wichtig, dabei zu sein. Damit reflektieren wir wie wichtig Shanghai als Partnerstadt für uns ist. Mit unserem Beitrag möchten wir Hamburgs Beziehungen zu Shanghai in allen Bereichen aufzeigen. Mit dem Hamburg-Haus kann der Gedanke der Nachhaltigkeit gut dargestellt werden. Zudem möchte Ham­burg den Passivhausstandard in China vorstellen und für diesen Stan­dard werben“, meint Anke. Wie die Energieeinsparung im Einzelnen erreicht wird, ist jedoch kaum nachzuvollziehen. Außer einer altertümlich aussehenden Messuhr im Keller bei den Pumpen für die Erdwärmeversorgung, sind keinerlei Messinstrumente zu sehen. „Wir überlegen, dies zu ändern und die Verbräuche und Energiegewinnung zu dokumentieren“, erklärt Anke, nachdem die Expo bereits mehrere Wochen läuft.

Doch bereits in der ersten Woche waren Mängel in der Ausführung des Hamburg-Hauses zu sehen. Der Parkettfußboden wellte sich bis zu 30 cm hoch und war teilweise nicht zu betreten. Noch schlimmer für ein Passivhaus war, dass bereits damals die Gummidichtungen der dreifachverglasten Fenster teilweise lose im Rahmen flatterten. Dies ist keine Werbung für Bauqualität made in Germany, und schon gar kein Beispiel für internationale Kooperation. Denn schon wie das gegenüberliegende Shanghai-Haus entstand, in dem keinerlei Technologie aus Deutschland steckt, sei ihm nicht bekannt, erklärt Anke (weitere Informationen zum Shanghai Case Pavillon in der erweiter­ten Onlinefassung dieses Textes).

Die Verantwortlichen wollten nicht verstehen, was die Chinesen bevorzugten: Ein gemeinsames Hamburg-/Shanghai-Haus, in dem die praktische Kooperation im Baubereich als ein bereichernder Technologietransfer hätte stattfinden können. So steht jetzt das Shanghai-Haus ohne deutsche Technologie bezugslos neben dem verschmähen­den Partnerbau aus Deutschland. Eine klar negative Bilanz für eine langjährige „Kooperation“. Dr. Thomas Kiefer, Aumühle bei Hamburg


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