Niederlassung & Akademie Würth, Gaisbach
Markant und dennoch unaufdringlich steht der jüngste Würth-Neubau mit Verkaufsniederlassung, Akademie und Büroarbeitsplätzen als neue Landmarke auf dem Firmengelände. Welche Qualitäten durch die gute Zusammenarbeit von Bauherrin, Entwurfsarchitekten und Bauleitung entstanden sind, verrät das Gebäude im Vorbeifahren natürlich nicht.
Es lohnt sich einfach immer wieder, wenn Architekten einen Wettbewerbsbeitrag ausarbeiten, der die Vorgaben sprengt, die ihnen im Rahmen der Auslobung gemacht werden. Denn eine solche Herangehensweise kann je nach Auslober äußert erfolgreich sein. Würth, der schwäbische Hersteller von Montage- und Befestigungsmaterial sowie Werkzeugen, scheint offen für Neues und Unerwartetes zu sein, was der Neubau mit Niederlassung und Akademie am Stammsitz des Unternehmens in Gaisbach, 20 km nördlich von Schwäbisch Hall gelegen, deutlich zeigt. Eingeladen worden war Allmann Sattler Wappner Architekten 2008 zu einem Wettbewerb, an dessen Ende eigentlich der Entwurf für einen Neubau mit Logis-tikzentrum, Verkaufsniederlassung, einem Showroom für Kunden und Besucher sowie einer Akademie für Kunden- und Inhouseseminare stehen sollte. Vorgesehen war ein Grundstück östlich der Dieselstraße, die damals den Campus nach Westen hin begrenzte und von den LKWs zur Anlieferung stark befahren wird. Nur die Parkplätze spannten sich bis dato zwischen der Dieselstraße und der parallel verlaufenden Bundesstraße auf.
Risiko wurde belohnt
Das Münchener Architekturbüro erkannte die Chance, das Grundstück direkt neben der Bundesstraße zu nutzen, um den Würth-Campus noch sichtbarer zu machen. Denn das gesamte Gelände liegt auf einer leichten Anhöhe. Anstatt also alles in eine Hülle zu packen, entschieden sich die Planer, das Logistikzentrum auf dem dafür vorgesehenen Gelände zu platzieren, Niederlassung und Akademie allerdings auf die andere Straßenseite zu stellen und zu einer Landmarke auszuformulieren – mit Erfolg, denn die Juroren kürten sie zum Sieger! So wurde zuerst das Logistikzentrum errichtet und 2013 eingeweiht, danach starteten die Planungen für Niederlassung und Akademie. Dass bis zum Einzug im Juni vergangenen Jahres noch einmal rund drei Jahre vergingen, hat einen einfachen Grund: Die Nutzfläche, die in diesem Neubau zur Verfügung stehen sollte, wuchs stets. Zu den ursprünglich zwei Geschossen kamen vier Bürogeschosse hinzu, die bis dahin als eigenständiges Bauprojekt in Künzelsau angedacht waren. Kurz vor Beginn der Rohbauarbeiten wurde dieses Vorhaben allerdings gestoppt, als man die Vorteile des zentralen Unternehmensstandorts erkannte. Allmann Sattler Wappner, die diese Änderungswünsche schnell und zuverlässig in die Tat umsetzten, so der Bauherr lobend, bekamen die Möglichkeit, die neue Niederlassung und Akademie auch in der Höhe zu einem weithin sichtbaren Gebäude auszuformulieren.
Zukunftsfähig: alle Büroarten sind möglich
Im Erdgeschoss des quaderförmigen, 47 x 47 m Grundfläche messenden Baus ordneten die Architekten die Verkaufsniederlassung, die das breite Würth-Sortiment zeigt, und das Mitarbeiterrestaurant mit etwa 190 Sitzplätzen an. Eine Terrasse bietet in den Sommermonaten zusätzliche 60 Plätze. Das erste Obergeschoss mit seinen unterschiedlich großen Seminarräumen für Schulungen und Kurse, die sich an Kunden und Mitarbeiter richten, ist noch für alle zugänglich. In die obersten vier Geschosse mit rund 450 Arbeitsplätzen haben nur die Beschäftigten Zutritt. Zu guter Letzt befinden sich im Untergeschoss Technikzentrale und ein Großteil der Restaurantküche, so dass sich am Ende alles auf 15 000 m2 Geschossfläche summiert.
Das Erdgeschoss ist – im Gegensatz zu den Obergeschossen – nach Norden und Süden hin komplett verglast, was Einblicke auf das Sortiment ermöglicht. Die Fassaden zur Diesel- und zur Bundesstraße sind dagegen gänzlich geschlossen, dahinter liegen die dienenden Räume sowie Treppenhäuser und Aufzüge. Restaurant und Niederlassung schieben sich als parallel verlaufende Spangen dazwischen. Um das Konferenzgeschoss und die Büroräume ausreichend zu belichten, planten die Architekten im ersten Obergeschoss einen Innenhof, den langsam wachsende Gingko-Bäume in Pflanztrögen aus Beton begrünen. Die dorthin zeigenden Fassaden sind vollverglast. Außerdem ermöglicht der Innenhof eine flexible Aufteilung der Bürogeschosse. Da finden Zweispänner mit Einzel- und kleineren Gruppenbüros ebenso Platz wie Besprechungsräume und Großraumbüros, die sich von Fassade zu Fassade aufspannen.
In die parallel zu den Straßen verlaufenden, an der Fassade angeordneten Spangen integrierten die Architekten in den Obergeschossen eine Kombination aus Teeküche und Aufenthaltsbereich. Dort können sich die Mitarbeiter informell treffen und austauschen. Diese Räume wirken wie aus der Wand herausgeschnitten, denn Boden, Wände und Decke sind reinweiß, zwei Nischen mit Sitzmöglichkeiten und Platz für die Kaffeemaschine im Würth-Rot setzen farbige Akzente.
Zusammenspiel zwischen CI und Architektur
Zu der angenehmen Arbeitsatmosphäre in den Bürogeschossen trägt auch die gute Akustik bei, auf die die Bauherrin großen Wert legte. Die Architekten integrierten die schallabsorbierenden Flächen dezent in die Innenausstattung. Auffällige Buffeln: Fehlanzeige. Die akustisch aktivierten Deckensegel sind beispielsweise in betongrau gehalten, so dass sie optisch mit der Sichtbetondecke nahezu verschmelzen. Die Fronten der Büroschränke sind gelocht, weshalb auch sie akustisch wirksam sind und gleichzeitig ein schönes Bild entsteht. Auch der rote Teppich leistet seinen Beitrag und eröffnet gleich ein anderes Thema: Corporate Architecture. Während in den bestehenden Bauten die Signalfarbe des Würth-Logos über das gesamte Gebäude verstreut an allen Ecken und Enden zu finden ist, konzentrierten sich Bauherrin und Architekten hier auf den Boden und die bereits erwähnten Wandnischen. Das wirkt zum einen eleganter und integriert sich zum anderen wesentlich besser in die Architektur als beispielsweise rote Fenstergriffe und Türdrücker. Die rote Farbe des Teppichs reflektiert das einfallende Sonnenlicht gleichzeitig sehr angenehm, so dass in den Büros nichts blendet oder bereits das Tageslicht die Augen anstrengt.
Von integrierten Herausforderungen
Das i-Tüpfelchen dieses Neubaus ist bei allem, was er im Innern leistet, dennoch die Fassade. Über das Gebäude legt sich ein transparenter Vorhang aus Polycarbonat-Stegplatten, die tags-über je nach Lichteinfall unterschiedlich wirken und nachts angeleuchtet werden. Damit der Eindruck entsteht, die Fassade würde selbst leuchten, entwickelten die Elektro-Fachplaner ein Konzept mit insgesamt neun LED-RGB-Strahlern. Die volle Palette von zigtausend Farben schöpfte Würth bislang glücklicherweise nicht aus. Verwendet werden lediglich rot und weiß, hauptsächlich sogar letztere. Wenn man sich der Fassade weiter nähert, erkennt man wunderbar die dahinterliegende, weiß lackierte Unterkonstruktion, die Schrauben und weiteren Bauteile. Und die Kompetenz des Hauses Würth: Denn wo immer möglich – so die Vorgabe der Bauherrin – musste mit den eigenen Produkten gearbeitet werden; angefangen bei Bitumendickbeschichtungen über Abschottungssysteme bis hin zu Werkzeugen und Reinigungsmitteln für die Bauendreinigung. Für den ein oder anderen Architekten mag dies vielleicht gewöhnungsbedürftig oder gar nach einer Einschränkung klingen. Für Allmann Sattler Wappner Architeken scheint es mit Blick auf den fertigen Bau eher eine der mehreren willkommenen Herausforderungen gewesen zu sein, die gemeinsam mit der Bauleitung des Künzelsauer Büros Kalis Innovation in den Bauprozess integriert wurden. Simone Hübener, Stuttgart
Niederlassung und Akademie Würth
RW Bauphysik, Schwäbisch Hall
RW Bauphysik, Schwäbisch Hall