Vom Mangel zum SchadenBetoninstandsetzung vor Abnahme von Neubau-
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Ebenso wie Maßnahmen im Bestand erfordern baubegleitende Betoninstandsetzungen die fach- und sachgerechte Ausführung gemäß der Instandsetzungsrichtlinie. Die ordnungsgemäße Bauausführung ist von einem unabhängigen Prüfingenieur zu überwachen.
Der Begriff ‚Betoninstandsetzung’ bezieht sich im Allgemeinen auf die Schadensbeseitigung bei Bestandsbauten. Ganz klar: Die Bausubstanz ist alt, Witterungseinflüsse, Immissionen, Kiesnester oder poröse Oberflächen und mechanische Belastungen haben ihre Spuren hinterlassen – die Instandsetzung ist ein normaler Vorgang, um den funktionellen und wirtschaftlichen Erhalt eines in Betonbauweise erstellten Gebäudes langfristig zu gewährleisten. Anders dagegen der Neubau: Erstellt mit modernen Techniken und Baustoffen wird die Mängelfreiheit beinahe als selbstverständlich vorausgesetzt.
Doch die Realität ist anders: Gerade im Neubau werden Mängel und erforderliche Korrekturen aufgrund des Preis- und Termindrucks oft stiefmütterlich behandelt. Eine Tatsache, die weitgehend unbekannt ist oder zumindest erfolgreich verdrängt und oft mit Begriffen wie ‚Betonkosmetik’, ,Nacharbeiten’ oder ‚Restarbeiten’ banalisiert wird.
Mit über 45 % sind nach Dr.-Ing. Michael Stauch vom Berliner Ingenieurbüro Specht, Kalleja und Partner Ausführungsfehler die häufigste Ursache von Mängeln bei Neubauten, gefolgt von Bauleitungsfehlern (25,21 %) und Planungsfehlern (20,62 %). Nur knapp 6 % der Mängel bei Neubauten sind auf Materialfehler zurückzuführen. Die Gründe dafür sind in der täglichen Realität auf den Baustellen zu suchen: Hoher Zeitdruck durch enge Fertigstellungstermine und ein aus Wettbewerbsgründen oft knapp kalkuliertes Kostenbudget, das sich in chronisch unterbesetzten Baustellen ausdrückt. „Dies geht“, weiß Dipl.-Ing. Marco Götze, Vorsitzender der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e.V., „meist einher mit einer Auswahl von zwar billigen, jedoch häufig nicht ausreichend qualifizierten Bietern.“ Deutliche Abstriche von den anerkannten Regeln der Technik sind bei der Verarbeitung oft die Konsequenz und führen zu einem Anstieg der sogenannten baubegleitenden Betoninstandsetzung, also von Maßnahmen, die als Folge von – durchaus vermeidbaren – Mängeln in der Neubautätigkeit erforderlich werden. Jedoch – werden sie nicht behoben, sind sie die Ursache für spätere Instandsetzungsmaßnahmen.
Instandsetzungs-Richtlinie ist grundsätzlich anzuwenden
Grundsätzlich sind die Schadensbilder von der Instandsetzung bei Bestandsbauten bekannt. Risse und Kiesnester, zu geringe Betondruckfestigkeiten bzw. herabgesetzte Betondeckungen oder Fehlstellen in Kammerbetonwänden mindern nicht nur die Gebrauchstauglichkeit, sondern beeinträchtigen die Dauerhaftigkeit eines Gebäudes und stellen dessen Standsicherheit, oft auch den Brandschutz in Frage. Entsprechend gelten die einschlägigen Regelwerke (DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie und DIN EN 1504) nicht nur für die Instandsetzung bestehender Altsubstanz, sondern auch bei baubegleitenden Instandsetzungsmaßnahmen.
In der Praxis hat sich dies jedoch noch nicht grundsätzlich herumgesprochen: Mängelbeseitigungen nach Fertigstellung des Neubaus werden oftmals lapidar als „betonkosmetische Nacharbeiten“ bagatellisiert und nicht ernst genommen. Entsprechend werden die Grundsätze und Festlegungen der DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie daher häufig nicht bzw. nur eingeschränkt umgesetzt. Dies kann dazu führen, dass die zur Mängelbeseitigung durchgeführten Maßnahmen nicht sach- und fachgerecht sind und sich oft auf die Herstellung der Oberflächenoptik beschränken. „Die so erzielten Ergebnisse sind nicht dauerhaft“, betont Götze, „sie beseitigen zwar die Symptome, keineswegs aber die Ursachen.“ Es sei abzusehen, dass kurzfristig neue Schäden auftreten, deren Beseitigung weitere, oft hohe Kosten nach sich zieht. „Dies ist durch eine baubegleitende, fachgerechte Beseitigung der Schäden vermeidbar.“
Ursachen für die nur oberflächliche Beseitigung sind nicht nur wirtschaftliche Aspekte – im Regelfall sind die Kosten, die für die Nachbesserung von frisch ausgeschalten Bauteilen entstehen, nicht kalkuliert und somit ein Verlustfaktor –, sondern tatsächlich fehlt in der Praxis oft das Problembewusstsein für die Notwendigkeit der Anwendung von Regelungen. Ein häufiges Argument, um bei der baubegleitenden Betoninstandsetzung die DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie zu umgehen, ist die Frage der Standsicherheitsrelevanz. „Ist die Standsicherheit nicht betroffen“, erklärt Dr.-Ing. Martin Mangold, Geschäftsführer der ibb Mangold GmbH, Berlin, „so bestehen nach derzeit geltender Auffassung aus Sicht der Bauaufsicht keine weitergehenden Forderungen, wie z. B. eine Fremdüberwachung der Maßnahme.“ Auch hinsichtlich der Materialauswahl sei es nach derzeit allgemeingültiger Auffassung bei nicht standsicherheitsrelevanten Maßnahmen möglich, andere, im Regelfall preislich günstigere Produkte zu verwenden als bei standsicherheitsrelevanten Maßnahmen.
„Dies ist in der Sache so jedoch nicht akzeptabel“, betont Dr. Mangold, „da gemäß Instandsetzungs-Richtlinie eine Standsicherheitsgefährdung auch dann vorliegt, wenn ein Schaden mit großer Wahrscheinlichkeit künftig zu erwarten ist.“ (Instandsetzungs-Richtlinie Teil 1, Abschnitt 1, Fußnote 2) Standsicherheitsrelevanz sei nicht nur dann gegeben, wenn ein Bauteil unmittelbar zu versagen droht, sondern auch wenn die Standsicherheit mittelbar betroffen ist, wie z. B. im Falle von Kiesnestern oder großflächigen Unterschreitungen der Betonüberdeckung der Bewehrung: „Das ist auch bei der Auswahl der Instandsetzungsprodukte zu beachten.“ Eine fehlerhafte Beurteilung der jeweiligen Situation, so Dr. Mangold weiter, könne jedoch dazu führen, dass bei der Mängelbeseitigung mit den falschen Materialien gearbeitet und damit in absehbarer Zeit eine ‚Sanierung der Sanierung’ erforderlich werde. „Der Mangel führt so schnell zum Schaden“, so der Spezialist für Betontechnik und Bauwerkserhaltung und fordert: „Die Instandsetzungs-Richtlinie muss daher grundsätzlich gelten, bei bestehender Altsubstanz ebenso wie bei baubegleitenden Instandsetzungsmaßnahmen und unabhängig davon, ob die Standsicherheit des Bauteils betroffen ist oder nicht.“
Aus diesem Grunde werde bei der derzeitigen Überarbeitung der DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie auf den Fall der Nacharbeiten an Betonbauteilen eingegangen und Vorgaben zu deren Überwachung erarbeitet.
Sachgerechte Ausführung durch Prüfingenieur
Dr.-Ing. Michael Stauch geht mit seinen Forderungen sogar noch einen Schritt weiter: Grundsätzlich und unabhängig davon, ob die Maßnahme standsicherheitsrelevant ist oder nicht, soll bei der baubegleitenden Instandsetzung ein Prüfingenieur eingeschaltet werden, der die Planung sämtlicher Maßnahmen neutral beurteilt und bewertet und nach der Freigabe deren Umsetzung auf der Baustelle überwacht. „Die unabhängige Prüfung eines Bauvorhabens nach dem ‚Vier-Augen-Prinzip’“, so der Sachverständige, „verschafft dem Bauherrn die gewünschte Qualität des Bauwerks, Sicherheit für Leib und Leben und die Wertbeständigkeit.“
Die Planung von Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen an Betonbauwerken ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die, so der Vorsitzende der Bundesgütegemeinschaft für Betoninstandsetzung, Marco Götze, „grundsätzlich einem Architekten oder Bauingenieur übertragen werden sollte, der durch Zusatzqualifikationen die erforderlichen besonderen Kenntnisse auf diesem Gebiet nachweisen kann.“ Entsprechend geeignete sachkundige Architekten und Bauingenieure, deren Kompetenz durch die Gremien der Gemeinschaft bestätigt wurde, können bei der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbau-werken abgefragt werden. Dort sind auch fachkundige, ausführende Unternehmen registriert, die als Voraussetzung dafür den Nachweis der Fachkunde nach der HAVO-Verordnung gegenüber einer vom DIBt oder durch das BMUB zugelassenen Stelle erbringen sowie regelmäßige Weiterbildungen belegen müssen. Diese Firmen lassen zusätzlich ihre Betoninstandsetzungsbauvorhaben durch Beauftragte der Prüf- und Überwachungsstelle der Bundesgütegemeinschaft kontrollieren und erfüllen die Kriterien des RAL.
Die Rolle des Prüfingenieurs
Der Prüfingenieur beurteilt das Instandsetzungskonzept des sachkundigen Planers und gibt es zur Ausführung frei. Darüber hinaus hat er die ordnungsgemäße Bauausführung zu überwachen. Dazu gehören auch die Auswahl von geeigneten Materialien sowie deren regelkonforme Anwendung. Sein großer Vorteil ist seine Unabhängigkeit: „Prüfingenieure“, erklärt Dr. Stauch die Vorteile, „sind auf Antrag des Bauherren oder der sonstigen nach Bauordnungsrecht Verantwortlichen
tätig. Sie sind jedoch im Rahmen der ihnen obliegenden Pflichten unabhängig und an Weisungen der Auftraggeber nicht gebunden.“ Aufgrund ihrer hohen Sachkompetenz seien sie in der Lage, bei einer Sanierungslösung die Gleichwertigkeit in technischer Hinsicht zu bescheinigen. „So können sie einen Ausgleich zwischen Bauherrn, Planer und ausführendem Unternehmen herbeiführen.“
Die Aufgabe des Prüfingenieurs bezieht sich im Wesentlichen auf die Aufdeckung von Planungs- und Ausführungsfehlern, wie z. B. die Verwendung ungeeigneter Baustoffe. Prüfingenieure prüfen:
Bauherr, Planer und ausführende Unternehmen sind dabei in der Pflicht, die Prüfingenieure zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, am besten bereits in der Planungsphase der Sanierungsmaßnahmen einzubinden und die Karten offen auf den Tisch zu legen. Nur wenn nichts vertuscht wird und auch die eingesetzten Materialien möglichst vollständig benannt werden, können Schädigungsgrade richtig eingeschätzt und optimale Ertüchtigungs- bzw. Sanierungskonzepte erarbeitet werden.
Auch während der Bauphase ist der Prüfingenieur auf Kooperationen angewiesen. Die ordnungsgemäße Ausführung der Sanierung sowie die regelkonforme Anwendung geeigneter Materialien kann er nur dann überwachen, wenn ihm Unterlagen zur Verfügung stehen wie Qualifikationsnachweise des Fachpersonals, Lieferscheine, Zulassungen, Übereinstimmungsnachweise, Prüfzeugnisse, Verarbeitungshinweise der Hersteller, Prüfergebnisse, z. B. von Haftzugversuchen und Probekörperuntersuchungen und rechtzeitige Einladung zu Bauabnahmen.
Fazit
Auch bei der baubegleitenden Instandsetzung ist es mit der Herstellung der Oberflächenoptik nicht getan. Dauerhafte Mangelfreiheit kann nur dann gewährleistet werden, wenn die durchgeführten Maßnahmen sach- und fachgerecht gemäß der DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie durchgeführt werden. Die Beauftragung eines Prüfingenieurs, der neutral urteilt und bewertet, sollte die Grundlage für die Planung sämtlicher Maßnahmen bilden. Der Nutzen für Bauherren liegt dabei vor allem in der Vermeidung von Folgekosten durch nicht erkannte Planungs- und Ausführungsfehler, falsche Auswahl von Baustoffen, unzureichende Wärmeschutzmaßnahmen und unbefrie-digende Schallschutzmaßnahmen.
Gleichzeitig kann damit der Wert eines Bauwerks gesichert und eventuellen Gesundheitsgefahren oder Gefahren für die Umwelt
vorgebeugt werden.