Wie reagieren wir auf die Krise? Wir fragten beim Bund Deutscher Architekten BDA nach!
Mit Dr. Thomas Welter, Bundesgeschäftsführer BDA, telefonierte DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 25. März 2020 und war kaum überrascht, wie professionell der Verband mit der Krise umzugehen weiß. Neben aller Organisation der Verbandsarbeit aus dem Home Office heraus geht der Blick auch in die Mitgliederschaft hinein, deren solidarisches Miteinander die Zeit nach Corona ganz sicher prägen wird.
„Das erste ist: Wir sind eine Institution, die sich um Qualität und Baukultur bemüht und das machen wir sehr gerne mit Präsensveranstaltungen. Mit Blick auf die augenblickliche Situation schauen wir, wie wir inhaltliche Diskussionen weiterführen können, ohne auf die physische Anwesenheit unserer Mitglieder und Gäste angewiesen zu sein. Darüber reden wir gerade, weil wir unsere zentrale Veranstaltung, den BDA-Tag am 11. Juli, abgesagt haben. Wir sprechen über digitale Formate, Diskussionsforen etc. und darüber, wie wir das technisch einrichten können.
Aus dem Umgang mit der Krise im Augenblick wollen wir aber auch lernen, ob wir in Zukunft nicht auch generell etwas anders machen können. Dass wir manche Präsensveranstaltungen durch digitale Elemente ersetzen. Das gleiche gilt für die Gremienarbeit. Wir haben es geschafft, innerhalb von nur einer Woche uns alle im Home-Office einzurichten. Wir führen die Gremienarbeit jetzt mit Videokonferenzen durch und das funktioniert wunderbar. Ich bin mir sicher, dass das in der Zukunft dazu führt, dass wir häufiger kleinere Sitzungen virtuell durchführen werden.
Das ist das eine. Die Bundesregierung reagiert sehr schnell mit einem Hilfsprogramm, alle wissen, dass ein Shutdown zu hohen Belastungen der Wirtschaft, Belastungen jedes einzelnen von uns führen wird. Darum wurde so schnell reagiert. Bei den Architekturbüros ist es so, dass die meisten Projekte ja noch laufen, also haben die meisten auch noch Arbeit. Kurzarbeitergeld ist also nichts für Architekten, zunächst einmal. Was aber passiert ist und sich in aller Deutlichkeit erst in den kommenden Wochen durchsetzt, ist, dass erste Lieferschwierigkeiten auftreten, Subunternehmer nicht mehr kommen, das Tempo insgesamt gedrosselt wird. Das heisst aber, dass wir auf jeden Fall eine Bauzeitenverlängerung haben werden. Solche Dinge sind ungenügend in der HOAI geregelt, Stichwort Pauschalhonorar. Wir wollen in den kommenden Tagen und Wochen herausarbeiten, was zu den stützenden Maßnahmen für die Wirtschaft, speziell für Architekturbüros von Seiten des Bundes dazukommen müssen, damit diese die ja immer noch nicht absehbar dauernde Krise abmildern. Wir bereiten da im Augenblick eine Abfrage unter unseren Mitgliedern vor, was wir in regelmäßigen Abständen wiederholen wollen, um am Puls der Zeit zu sein.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass wir als Verband einerseits und die Inhaber von Architekturbüros andererseits durchaus in dieser besonderen Situation merken, dass bestimmte Prozesse anders werden können. Das, was mit der Digitalisierung des Planen und Bauens schon begonnen hat – Stichwort BIM, ein anderes Datenmanagment, eine andere Einbindung der Fachplaner, der Unternehmen – alles das wird zu anderen Kommunikationsformen führen. Das ist aus unserer Sicht das Spannendste und Positivste in dieser Krise, dass wir alle sehr schnell einen Schalter umlegen, der ja schon lange angedacht war. Ich habe mit mehreren ArchitektInnen gesprochen, die alle sagten, dass sie eigentlich in der letzten Woche all die Vorhaben im Rahmen der Digitalisierung umgesetzt haben, die sie erst im kommenden, im laufenden Jahr hatten umsetzen wollten. Der Druck hat zu einem Innovationsschub geführt.
Diese drei Elemente finde ich sehr spannend: Also erstens, wie können wir als Verband weiterhin Wissen vermitteln, die Gremiumenarbeit digital umsetzen, welche neuen Wege müssen hier beschritten werden, die nach der Krise sehr wahrscheinlich auch weitergenutzt werden, weil sie sich als gut erwiesen haben?
Zweitens: Wie können wir den Architektinnen und Architekten ganz konkret helfen? Indem wir herausfinden, wo ganz speziell der Schuh drückt. Wir werden ermitteln, wer wo ganz gezielt Unterstützung benötigt, um dann beim Bund Überzeugungsarbeit dahingehend zu leisten, dass er für seine Bauten eine Verordnung erlässt, dass Planungsmehraufwände einer gesonderten Honorierung bedürfen. Das hätte Symbolcharakter, auch für die Länder und Gemeinden.
Und dann drittens: Wie sehr wirkt diese Krise positiv, Modernisierungsschübe in den Büros umzusetzen, Modernisierungen, die sowieso schon angestanden haben?
Diese drei Aspekte sehen wir und versuchen hier, aktiv etwas zu machen. Bei Letzterem sind wir eher außen vor, das machen die Mitglieder autonom, bei den beiden anderen versuchen wir stärker mitzumischen.
Wenn die Corona-Krise die Digitalisierung beschleunigt: Bleibt hier möglicherweise auch etwas auf der Strecke?
Klar (lacht)! Wenn man unter extremem Zeitdruck arbeitet steigt die Fehlerrate, das ist klar. Aber schauen wir auf Büros, die schon länger den digitalen Turn aktiv angestrebt haben, da haben die meisten nach dem Trial and Error-Prinzip gearbeitet. Beispielsweise bei GRAFT, die dem Digitalen gegenüber sehr affin sind. Die haben mir einmal aus Spaß eine Ecke in ihrem Büro gezeigt, wo sie Tools versammelt haben, VR-Brillen und anderes, die sie einmal angeschafft haben, um Dinge auszuprobieren und am Ende wieder zu verwerfen. Dieses Ausprobieren werden jetzt andere auch machen und über den Versuch und den Irrtum die Prozesse umsetzen, wie gesagt, sehr beschleunigt.
Ob in diesem ganzen Prozess auch das Persönliche, das Sie hier angedeutet haben, auf der Strecke bleibt, das glaube ich nicht. Wir erleben gerade, dass man mit den Personen, mit denen man gestern noch im persönlichen Austausch gestanden hat – weil sie im gleichen Zimmer saßen oder in einem Zimmer quer über den Flur – immer noch sehr intensiv spricht und sich austauscht. Die Nähe bleibt, es ändert sich möglicherweise der Habitus. Schon das morgendliche Check in – Wie geht’s, wie stehts, was steht aktuell an etc – ist jetzt sehr wichtig geworden. Das miteinander Diskutieren ist disziplinierter, weil nur der sprechen kann, den der Moderator sprechen lässt oder der einfach an der Reihe ist, weil er mit der Hand ein Signal gegeben hat. Die physische Trennung führt also nicht zu einer schlechteren Kommunikation oder dem Verlust von Nähe. Aber: Je fremder man sich ist, desto schwieriger wird der Austausch, das ganz sicher.
Wenn wir uns wieder treffen dürfen – hoffentlich schon eher, als wir fürchten – werden wir eine bestimmte Kommunikation wieder in einem Raum stattfinden lassen. Zentrale Vertragsverhandlungen, zentrale Projektabschnitte, die man vielleicht auch feiern möchte, weil man sie erreicht hat, alles das wird den persönlichen Kontakt erfordern. Manche Termine jedoch, die wenig effizient waren, wo das Reisen Zeit und Ressourcen gekostet hat, die werden in Zukunft sicher verstärkt über Videokonferenzen organisiert. Und auch hier ist es interessant zu beobachten, dass ich in der Vergangenheit bei uns Telefonkonferenzen relativ schnell habe einführen können, bei Videokonferenzen haben sich die Kollegen nicht so recht getraut. Jetzt, mit einem Mal, machen wir alle Videokonferenzen, manche so, als hätte sie das schon immer gemacht!
Wie ist denn die Stimmung im BDA selbst, wie ist es gerade in Ihrem Team?
Die Situation wird ganz unterschiedlich wahrgenommen. Die Einschränkungen kamen nicht überraschend, aber dann doch sehr schnell. Wir mussten Termine absagen oder verschieben. Singles, die alleine wohnen, haben das Arbeiten von Zuhause aus als wesentlich einschränkender empfunden als Kollegen, die eine Familie und damit auch sozialen Austausch haben. Die aber können nicht so konzentriert arbeiten, weil ihnen immer jemand durchs Bild läuft oder etwas zuruft, Sie kennen das vielleicht!
Insgesamt stelle ich fest, dass wir das am Ende aber geschafft haben, dass wir positiv und konstruktiv zusammenarbeiten. So habe ich gerade noch in einer zweistündigen Videokonferenz mit den KollegInnen darüber gesprochen, wie wir das, was wir mit dem BDA-Tag nun nicht mehr haben, dennoch transportieren können. Über Formate, an die wir bisher noch gar nicht gedacht haben. Das setzt enorme Kreativität frei. In der „Woche drei“ sind wir jetzt so weit, dass die KollegInnen mit Kreativität und Spaß an der Sache bereit sind, über andere Elemente und Werkzeuge an den Projekten zu arbeiten. Dabei besinnt sich der ein oder die andere auf tradierte Arbeitsweisen, die beibehalten werden sollen. Zum Beispiel und auf den BDA-Tag bezogen wollen wir das Partizipative in der Herstellung und Verabschiedung unserer Diskussionspapiere beibehalten. Wir wissen aber auch, dass die Diskussion am 11. Juli Nürnberg nicht stattfindet. Also suchen wir gerade nach anderen Wegen, diesen partizipativen Ansatz für unsere Mitglieder zu erhalten.
Wir nutzen ganz klassisch unsere Zeitschrift, Heft Nr. 4 wird ganz anders sein als sonst und das soll spürbar sein in vielerlei Hinsicht. Wir nehmen die Zeitschrift auch deswegen, weil hier eine Verlässlichkeit signalisiert wird. Das Heft kommt auf jeden Fall, auch wenn vieles unsicher geworden ist. Zusätzlich werden wir uns mit einem Brief an die Mitglieder wenden, nicht bloß eine kleine E-Mail-Aussendung. Ob der Brief dann postalisch versandt wird oder digital, das werden wir noch sehen. So wie die Bundeskanzlerin sich zur rechten Zeit mit den rechten Worten an uns gewandt hat, so soll das auch unsere Präsidentin machen, dass wir spüren, da denkt noch jemand mit und wir alle halten fest zusammen und stärken einander den Rücken.“