»Wir brauchen auf allen Ebenen Profis«
Im Gespräch mit Christopher Robeller, TU Kaiserslautern

An der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) hat das Team um Juniorprofessor Dr. Christopher Robeller eine Software entwickelt, die berechnet, wie sich komplexe Gebäudeteile aus Holzzuschnittresten optimal zu einer Großform (Pavillon z. B.) zusammensetzen lassen. Eine Standard-Fräsmaschine fertigt dabei die Teile entsprechend der Programmierung an. Das Besondere: Das Verfahren zielt auf Holzabfälle, die noch meist thermisch verwertet werden. In der Konstruktion kommt nur Holz zum Einsatz, auch bei den Verbindungselementen ist Holz das Material. Aktuell hat das Forscherteam mit Holzbearbeitern zusammen einen 12 m weit spannenden Pavillon aus diesen Holzresten realisiert. Wie es von hier aus weitergeht, haben wir am Tag der Eröffnung in Sichtweite der Burgruine Diemerstein den Teamleiter gefragt.

Wir stehen vor dem schönen Holzpavillon
am Eingang des zukünftigen Holz-Forschungscampus der TUK und ich frage mich, was das Besondere an diesem Holzbau ist, den ich ähnlich auch schon größer gesehen habe?!

Danke zunächst einmal für das „schöne“! Mag sein, dass Sie einen Holzpavillon – Sie spielen auf den von Menges/Knippers in Heilbronn an? – schon in größer gesehen haben, aber dieser hier ist einfach ganz anders. Vielleicht erzähle ich kurz die Vorgeschichte, denn natürlich ist das, was wir hier sehen, nicht vom Himmel gefallen. Ich beschäftige mich mit diesen Konstruktionen bereits seit zehn Jahren. Der letzte Vorläufer war ein Messestand in Klagenfurt, den wir mit der Firma X-Fix realisiert haben. Allerdings hatten wir immer den Wunsch, dass wir auch deutlich größere Konstruktionen realisieren. Und hier kommt nun das ­Besondere dieses Konstruktionssystems, das tatsächlich zu annähernd 100 % aus Recyclingmaterial herstellbar ist

Sie arbeiten hier mit so genanntem Abfallmaterial, was ja – wie man hier sieht – anders betrachtet gar kein Abfallmaterial ist?!

Richtig. Dieses Bausystem beruht auf der Tatsache, dass in der Produktion von Brettsperrholzhäusern – also von Wänden und Decken – große Abschnittmengen anfallen, eben Fenster- und Türenabschnitte. Das sind teilweise 20 bis 25 % des Materials, die direkt in den Hacker wandern. Die werden im besten Fall energetisch verwertet, was, mit Blick auf die sehr hochwertigen Platten echtes Downcycling ist. Da blutet einem schon das Herz! Die Abschnitte beispielsweise zu neuen Deckenplatten zusammenzustellen, ist kaum möglich, weil man aus den kleinen Stücken keine biege- oder zugbelastete Decke oder Wand machen kann.

Also gibt es für eine geeignete Weiterverwendung dieser Reste Mindestgrößen?

Wir haben lange darüber diskutiert, wie groß die Elemente für diese Konstruktion sein sollten, was das Optimum zwischen verschiedenen Parametern ist. Letztlich kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir sogar mit kleineren Elementen besser dran waren, weil wir die besser in die Konstruktionsabschnitte hinein nesten können. Nein tatsächlich, wir können aus den kleinsten Abschnitten etwas bauen. Die Frage nach der optimalen Elementgröße berührt den Aufbau, die Aufbauzeit, das Handling der Elemente in der Gesamtkonstruktion. Wie gut das alles mit kleinen oder großen Elementen funktioniert, ist ein wichtiger Forschungsteil in unserer Arbeit gewesen.

Sie haben hier kein Stück Metall verbaut, ­alles wird mit Holzverbindern verklammert. Warum haben Sie nicht mit modernen – ­genormten? – Verbindern gearbeitet?

Aber wir haben mit hochmodernen Verbindern gearbeitet! Ich selbst komme aus einer Familie, die sich in mehreren Generationen mit Holz beschäftigt hat und vielleicht rührt von daher mein Anspruch, dass ich diese schöne und präzise Handwerkskunst umsetzen möchte. Ich wollte keinen Nagel einschlagen oder eine Schraube eindrehen. Das ist meine emotionale Seite vielleicht. Natürlich gibt es die Stahlverbinder, aber: Stehen die für eine Nonplusultra-Verbindung? Nimmt man Holz, haben wir ein durchgängiges Material zwischen den Platten und auch einen durchgängigen Wärmekoeffizienten, auch ein gleichmäßiges Brandverhalten. Bei der Wärmeausdehnung rechnen wir mit gleichen Eigenschaften etc. Es gibt viele Gründe, warum wir eine Holzverbindung einsetzen wollten. Bei Schrauben muss man rechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie überhaupt ziehen. Bei den Verbindern, die wir hier eingesetzt haben – X-Fix-Verbinder – sieht man gleich, ob die richtig oder falsch sitzen. Wir haben ein präzises, kontrollierbares Element, was wir dann auch berechnen können.

Die Anzahl dieser Verbinder wird natürlich auch wesentlich geringer. Der Aufbau geht schneller.  Einmal ganz von der reinen Mechanik abgesehen. Wir haben bereits in der Verbindung einen gro­ßen Teil der Fügehilfe integriert. Was auch bedeutet, dass wir hier keinerlei Unterkonstruktion benötigt haben: Die Form des Gebäudes ergibt sich aus der Form der Bauteile und der Form der Verbinder.

Das Thema der Normung/Zulassungsfähigkeit solcher Verbinder ist damit erledigt, dass Sie kein Vollholz verwenden sondern … ?

Wir haben mit dem X-Fix-Verbinder ein Bauteil, das aus stark homogenisiertem Furniersperrholz hergestellt wird. Aus Buchenholz. Das ist rechenbar, wir bekommen damit die nötigen baurechtlichen Zulassungen, die wir im Gegensatz zum gewachsenen Holz nicht erhalten würden. Zusätzlich zu den X-Fix-Verbinderrn wurde noch eine große Anzahl an Buchenvollholzdübeln eingesetzt. Das ergänzt sich dann ein Stück weit, auch mit Blick auf die unterschiedlichen Geometrien.

Wie haben Sie den Pavillon hier dann konkret aufgebaut?

Wir haben sechs größere Teile, die gut transportierbar waren, bereits im Werk zusammengebaut. Diese Bauteile wurden dann mit einem Kran auf die Betonfundamente gestellt und zur Kuppel zusammengefügt. Wie schon gesagt, wir haben durch die Kuppelform, die nur korrekt zusammenbaubar ist, keinerlei Unterkonstruktion gebraucht.

Wir haben nach dem Zusammenbau eine Prüfstatik machen lassen, einmal aus rechtlichen Gründen, aber auch, weil uns das für weitere Forschungen interessiert hat. in diesem Zuzsammenhang: Die Baukosten unserer Kuppel liegen bei  27 000 € inkl. Fundamenten etc., die Produk­tionszeit war zwei Wochen, der Aufbau dauerte zwei Tage.

Gab es Überraschungen?

Ja, wir mussten den experimentellen Belastungstest, den wir im Rahmen der Prüfstatik benötigt haben, aus Zeitgründen ohne den Randträger in der ursprünglich geplanten Form durchführen. Trotzdem hat alles gut geklappt, was auf das große Potential dieser Konstruktion verweist.

Sie haben jetzt die ganze Zeit „wir“ gesagt. Können Sie kurz sagen, wer „wir“ sind, wer das Team ist?

Also da wäre ganz vorne die Firma CLTech, die das Ganze produziert hat. Das ist ein ganz neuer Betrieb hier, der im April 2019 eröffnet hat. Ich muss den Bogen schlagen zur Firma Hundegger, die die Maschinen herstellt, die dort stehen. Mir war das sehr wichtig, dass wir mit diesem Industriestandard arbeiten, der sehr weit verbreitet ist. Aktuell haben wir schon eine sehr leis-tungsfähige Technologie in den Betrieben, die wir gar nicht voll ausnutzen. Die Maschinen können viel mehr und da ist es doch naheliegend, dass wir darüber nachdenken, wie wir hier softwareseitig mehr herausholen können.

„Wir“ ist zudem ganz praktisch meine Arbeitsgruppe an der TU Kaiserslautern. Aber die ist, wie schon gesagt, nur ein Teil. Ich kümmere mich immer um die Kooperation mit Partnern aus der Gesellschaft, aus der Industrie, den Firmen. Das sind jedes Mal sehr, sehr viele Beteiligte, die man benötigt, um so ein Projekt zu realisieren.

Auch, um Know-how einzufangen?

Absolut. Wir brauchen auf allen Ebenen Profis. Das geht auch ins Handwerk hinein. Wir haben hier mit der Zimmererschule, mit der Meisterschule kooperiert, worauf ich sehr stolz bin.

Hatten Sie noch andere Ideen als die Pavillonform oder ist die dem Pragmatismus geschuldet, dass Sie diese erprobte Form gewählt haben?

Ich bin ja nun selbst Architekt, bin aber schnell in die pragmatische und vielleicht technische Schiene gegangen. Natürlich möchte ich spannende, kreative Architektur machen, aber der Weg dahin muss wohl der sein, dass wir erst einmal das System verstehen müssen. Und erst, wenn wir das System verstanden und getestet haben, werden wir die wirklich spannenden, gestalterisch anspruchsvollen architektonischen Konstruktionen realisieren können.

Abseits aller Gestaltung: Warum erproben Sie und Ihre Kollegen nicht einmal einen Bau, der mehr bietet als die exotische Nutzung Witterungsschutz?

Da haben Sie vollkommen Recht. Und wir haben mehrere Projekte verfolgt, die wir direkt als Gebäude realisieren wollten. Aber: Man muss bereits am Anfang der Planung auch bei einem Prototypen hohe finanzielle Hürden überwinden. Den Pavillon haben wir nur dank Unterstützung von vor allem des Umweltministeriums Rheinland-Pfalz und der Firma CLTech realisieren können. Wollen wir umfangreichere Projekte mit privaten Geldgebern realisieren, ist es von unschätzbarem Wert, im Vorfeld einen solchen Musterbau realisiert und ausgiebig getestet zu haben. Ich sehe das aber genauso wie Sie: Wir müssen zeigen, wie aus diesen Probebauten Architektur werden kann. Ich bin da aber extrem zuversichtlich. Wir haben viele spannende Ideen und da kommt noch Einiges nach. Das kann ich versprechen.

Dann bin ich bei der letzten Frage. Wie geht es denn weiter von hier aus? Bleiben Sie beim Holz?

Auf jeden Fall. Uns war vom ersten Tag an klar, dass wir uns in der Arbeitsgruppe ausschließlich mit Holz und zwar mit dem digitalen Produzieren beschäftigen. Das hier ist eines der Forschungsthemen, das wir verfolgen. Wir haben uns aktuell, im Rahmen einer Kooperation mit der Uni Sydney, siebengeschossige modernste Holzbauten angeschaut, die höchsten Bürogebäude, die sich gerade in Bau befinden. Wir arbeiten parallel in einigen Forschungsprojekten, die auch realisiert werden. Im kommenden Jahr werden wir mit der Stadt Landau etwas ganz Spannendes bauen und werden für die Universität ein weiteres Gebäude errichten, anlässlich des Jubiläums. Es sind noch mehrere andere Projekte in der Pipeline, wo wir verschiedenste Materialien und Konstruktionssys-teme einsetzen werden. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind alle aus Holz und alles wird digital gefertigt.

Mit Christopher Robeller unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 5. September 2019 am zukünftigen Holz-Forschungscampus des FB Architektur der TU Kaiserslautern in Frankenstein (Pfalz)

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