Wir haben Räume gemacht, die dazwischen sind
Ein Gespräch mit Volker Staab, Berlin

Im westfälischen Münster wurde Mitte September ein Museumsneubau der Öffentlichkeit übergeben, der einen Altbau aus den 1960er-/1970er-Jahren ersetzt. Manche, so auch der Interviewer, hatten sich über die Jahrzehnte sehr an das Landesmuseum, hier insbesondere an den für zeitgenössische Kunst wichtigen Westfälischen Kunstverein gewöhnt. So sehr, dass sie Sorge hatten, was der Architekt aus Berlin da machen würde. Volker Staab konnte im Gespräch die Sorgen entkräften, der Rundgang überzeugte dann vollends. Willkommen
Münster im Club der großen deutschen Museen!

Volker Staab, das Museum ist übergeben: Gibt es etwas, was Sie den Betreibern auf den Weg geben möchten?

Mein Wunsch ist natürlich, dass das, was wir räumlich angelegt haben, nämlich das in die Stadt verwobene Gebäude, mit Leben gefüllt wird, inhaltlich. Die Aktivitäten im Haus aber auch in seiner Peripherie wie hier im Patio müssen dazu beitragen, dass unser Angebot von unterschiedlichsten Räumen aktiv bespielt wird.

Den Patio als Innen-/Außenhof verstehen Sie als Ausstellungsraum. War das schon im Wettbewerb so?

Ja, dieses räumliche Konzept war schon im Wettbewerb angelegt. Es gibt also eine städtische Hülle, die sich über das Material des Sandsteins abzeichnet. Und überall dort, wo die Hülle durchdrungen wird, beginnt das Museum. Das sehen Sie am Material des weißen Betons und des weißen Putz. Dort ist man eigentlich drinnen. Wir wollen, dass man den Patio als einen der ersten Ausstellungsräume begreift.

Dieses Verständnis vom Ausstellungsraum ist doch ziemlich theoretisch. Wie kann der Hof, der mir recht kahl erscheint, dauerhaft belebt werden?

Das ist ganz klar eine Herausforderung an die Kuratoren, hier Lebendigkeit zu schaffen. Aber dazu: Es gibt schon länger so eine seltsame Sehnsucht nach niedlich gemachten Orten … Ich empfinde aber diesen Hof in seiner Rauheit und Kargheit anregend und herausfordernd, damit etwas zu tun. Um das nicht auszuschließen haben wir eben keine Beete oder andere Verhübschungsaccessoires in diesem Raum realisiert.

Es gibt jetzt aktuell in den Abendstunden ein Video von Pipilotti Rist. So etwas haben wir in der Ausstattung des Raumes von Anfang an vorgesehen. Ich glaube schon, dass das dazu anregt, diesen Ort vielfältig zu nutzen.

Können Sie etwas zum Wettbewerb sagen?

Wenn ich mich daran noch genau erinnere war das ein beschränkter Wettbewerb mit 30 Teilnehmern [2005 entschieden, Platz 2: Kleihues & Kleihues, Dülmen, Platz 3: Leon Wohlhage Wernik Architekten, Berlin; Be. K.].

Das Museum hier ist ja nicht das Erste und sicher nicht das Letzte, das Ihr Büro verlässt. Gibt es stilistische Kontinuitäten?

Eigentlich wollen wir genau das vermeiden. Wir probieren das bei jedem neuen Projekt, dass wir uns der Aufgabe neu stellen. Ich bin mir bewusst, dass das illusorisch ist, weil man seinen Rucksack mit sich herumträgt und sich immer wieder aus diesem bedient. Aber unser Ziel ist es nicht, das Repertoire deklinatorisch zu variieren.

Museen müssen heute vor allem glänzen, so scheint es. Womit hebt
sich Ihr Museum bezogen auf Nachhaltigkeit über den Durchschnitt?

Eines der großen Themen im Museumsbau sind sicherlich die Klimaanforderungen, natürlich verbunden mit den energetischen Aufwänden und damit auch mit den Kosten. Hier in Münster ist es dabei zu einem sehr originellen Konzept gekommen: Hier gegenüber gibt es ein Parkhaus, das dreigeschossig in den Keller geht. Das unterste Geschoss davon ist komplett überflutet, weil es einmal undicht war. Dieses Wasser nutzen wir, um unser Museum zu temperieren. Damit hat die überflutete Tiefgarage noch ganz spät einen Sinn gekommen.

Technisch sind wir natürlich weiter. In Weiterentwicklung zu den Strategien bei unseren frühen Häusern versuchen wir jetzt die Bauten in sich stabil zu halten. Dazu gehören zentral die Wandtemperierungen, die wir hier glücklicherweise mit dem Wasserreservoir des Parkhauses gegenüber leisten.

Fassadenaufbauten? Konnte hier etwas Neues probiert werden?

In kleineren Projekten versuchen wir immer wieder, etwas Neues zu machen. Das Problem bei Häusern dieser Größenkategorie ist, dass es im Moment im Rahmen öffentlicher Bauprojekte sehr schwer ist, nicht zugelassene Baukonstruktionen zu verwenden, so schränken sich die Möglichkeiten schon ein. Mit unserem hier im Patio verwendeten  geschliffenen Putz sind wir schon an die Grenzen des Machbaren gegangen. Was die Außenwandaufbauten angeht, sind wir ansonsten relativ konventionell. Da geht es eher um die Oberflächen im Rahmen des Gesamtkonzeptes.

Die Oberflächen der Fassadenelemente?

Wir haben mit dem Sandstein eine Verbindung zur Stadt schaffen wollen, also zu den öffentlichen Gebäuden der Stadt, dem Rathaus, dem Dom und vielen anderen. Uns ging es darum, wie wir das Dilemma der vorgehängten Fassaden in den Griff bekommen. Wenn man sich die Sparkassengebäude aus den siebziger Jahren anguckt, wo die Fugen noch offen sind und die Elemente schon optisch zu wackeln beginnen kann man verstehen, dass hier Planungsarbeit gefordert ist. Wir haben versucht, über die Reliefierung der Oberflächen eine möglichst homogene und damit auch monolithische Masse herzustellen. Damit soll der einzelne Stein nicht mehr eine Rolle spielen, sondern das Ganze als ein Volumen.

Kommt der Sandstein denn aus der Gegend? Baumberger Sandstein, wie er für den Dom benutzt wird?

Das war auch unser Ziel, wir hätten gerne den gehabt, der bis heute beim Dom Verwendung findet. Aber wie das so ist bei öffentlichen Ausschreibungen, in denen kein Produkt ausgeschrieben wird, hatte die offene Ausschreibung ein polnischer Steinbruch für sich entschieden.

Das liegt näher als China. Wie gut kannten Sie den Altbau? Konnten Sie den irgendwie verarbeiten?

Wir haben ein paar wenige Erinnerungszeichen, so nenne ich das mal, übernommen. Einmal die Lichtskulptur von Otto Piene, die Sie hier oben sehen, und die Arbeit von Josef Albers, die in der Pferdegasse wieder ihren Platz gefungen hat. Die Plastik von Ulrich Rückriem, der Serra … der hat noch keinen richtigen Platz gefunden.

Auf der anderen Seite muss ich ganz deutlich sagen, dass der Altbau einige Defizite hatte. Weshalb man ihn ja auch nicht erhalten hat.

Wie haben Sie den neuen Rundgang architektonisch entwickelt?

Die Führung der Besucher durch die Sammlung war zentraler Teil des Wettbewerbs. Hier ist wesentlich die ganze Erschließung zu bedenken. Auf der anderen Seite gab es schon in der Wettbewerbsphase den Hinweis auf ein paar Schlüsselwerke – so das Bockhorster Triumphkreuz, das hängt heute im Startraum. Wir hatten darüber hinaus die Aufgabe, das Spezifische dieser weitgespannten Sammlung immer wieder im Haus spürbar werden zu lassen. Insofern bieten die zweigeschossigen Ausstellungsräume nicht nur Höhe, man hat in ihnen auch immer die unterschiedlichen Blickbezüge. So kann es passieren, dass man aus der Gegenwartskunst Einblicke bekommt ins Mittelalter. Überhaupt haben wir hier – wie auch in anderen Projekten – Räume gemacht, die dazwischen sind. Aus ihnen kann man hinausschauen, sich neu orientieren. Oder man ruht sich aus, blättert im Katalog … Das alles ergibt einen Rhythmus im Haus.

Wo steht das Museum in Ihrem Werk? Ich weiß, das ist ein blöde Frage, aber manchmal erhält man auf solche ja eine intelligente Anwort …

Ehrlich gesagt steht immer das, was gerade fertig geworden ist ganz oben. Es kommen andere Projekte … So nach ein paar Jahren aber merke ich, dass es Häuser gibt, zu denen ich gerne wieder hin fahre. Bei diesem Projekt vermute ich, wird das so sein.

Spätestens zur Skulpturen 2017?

Spätestens.

Mit Volker Staab sprach DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 17. September 2014 am neuen Landesmuseum in Münster bei schönem Wetter und inmitten urbanem Trubel auf den ebenfalls neuen Museumsterrassen.

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