Wohnbau Hummelkaserne, Graz/AT
Auf dem Areal der ehemaligen Hummelkaserne in Graz entstand 2016 mit vier sechsgeschossigen Bauten der seinerzeit höchste Holzwohnungsbau Österreichs. Bedeutender ist allerdings, mit welch hoher Qualität – bezogen auf Gestaltung, Nachhaltigkeit und Sicherheit – der hier geforderte soziale Wohnungsbau umgesetzt worden ist.
Geförderter Wohnungsbau in Holz mit Passivhausstandard und hohem Anspruch an Gestaltung und Qualität ist eine eher seltene Kombination. In dem Projekt „Hummelkaserne“ in Graz scheint dies allerdings gelungen zu sein. Die 92 Sozialwohnungen, die sich auf vier sechsgeschossige Gebäude verteilen, wurden im Grazer Stadtentwicklungsgebiet Reininghaus in Holzelementbauweise mit Stahlbetontreppenhauskernen realisiert. Auftraggeber war die ENW Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft, die sps÷architekten und die Holzbaufirma Kaufmann Bausysteme für Planung und Umsetzung beauftragte. Das Team war bereits 2012 aus einem ausgeschriebenen Wettbewerb als Sieger hervorgegangen.
Reininghaus ist ein junger Stadtteil auf einem ehemaligen Brauerei- und Kasernengelände, etwa 2 km vom Grazer Zentrum entfernt, der zu einem attraktiven Wohnstandort ausgebaut werden soll. Hier baute die Wohnbaugesellschaft bereits 2014 ein zweigeschossiges Pflegewohnheim in Holz, auf das die Planung der neuen Bebauung Bezug nehmen sollte. Eine weitere Vorgabe war eine öffentliche Durchwegung des Grundstücks für Fußgänger und Radfahrer.
Durch die Wohnbauförderung war der Kostenrahmen für das Projekt klar definiert und wurde so auch eingehalten. „Eine wichtige Basis waren sicher die sehr wirtschaftlichen Grundrisse“, erklärt hierzu Dirk Obracay, der das Projekt bei sps÷architekten geleitet hat. „Die vier Sechsgeschosser, die als Vierspänner besonders effizient erschlossen werden, ließen sich sogar als Holzmassivbau im Passivhausstandard realisieren. Zudem haben wir versucht, Serialität einerseits und hohe Qualität andererseits, so gut es ging, miteinander zu verknüpfen.“ Bereits in der Planungsphase wurde beispielsweise streng darauf geachtet, die Baukörper und ihre Statik so regelmäßig wie möglich zu halten. Dies bestätigt auch Tragwerksplaner Bertram Käppeler aus dem Büro merz kley partner: „Wir haben von Beginn an dahingehend beraten, ähnliche Deckenspannweiten und eine lineare, möglichst gleichmäßige Lastableitung zu realisieren. Somit ergeben sich wertvolle Wiederholungseffekte in der Konstruktion an sich, die die Ausführungsqualität und die Wirtschaftlichkeit wesentlich beeinflussen.“
Leistungsstarke Massivholzelemente
Auch durch die Vorfertigung der Wand- und Deckenelemente konnten die Bauzeit kurz und die Kosten geringgehalten werden. So wurden beispielsweise die Außenwände aus bis zu 16,5 m langen und 3,5 m hohen Brettsperrholz-Elementen einschließlich der Verschalung aus Lärchenholz und eingebauter Fenster im Werk vorgefertigt. Der Aufbau aller Holzelemente benötigte pro Geschoss lediglich vier Tage. Die Alternative, die Wände in Holzrahmenbauweise zu erstellen, wurde auf Grund der Höhe der Gebäude schnell fallen gelassen. Zudem stellen die Holzmassivwände im Brandfall eine geringere Gefahr dar und bieten eine hohe Sicherheit bei Erdbeben.
Auch die Decken wurden als vorgefertigte Brettsperrholzelemente auf die Baustelle geliefert. In der Regel werden gerade im höhergeschossigen Holzbau eher Holzbetonverbunddecken eingesetzt. Doch da zum einen die gegebenen Spannweiten nicht so groß waren und zum anderen sowohl Bauherr als auch Architekten möglichst auf Verbundmaterialien verzichten wollten, kamen hier Holzmassivdecken zum Einsatz.
Aus Schallschutzgründen wurde auf die Brettsperrholzebene eine ungebundene Schüttung plus Trittschalldämmung aufgebracht. Zudem sind die Decken an den Außenwandauflagern durch Elastomerlager entkoppelt. In den Wohnungen wurden unter den Decken zum besseren Schallschutz Gipskartonplatten mit Federbügel befestigt.
Bei den Wandscheiben handelt es sich um MM Crosslam-Brettsperrholzelemente, die zusätzlich von innen zweifach mit Gipskarton beplankt wurden. „Man hätte hier aus statischen Gründen auch auf eine Beplankung verzichten und die Brettsperrholzelemente auf Abbrand dimensionieren können“, erklärt Thomas Bereuter von der Holzbaufirma Kaufmann Bausysteme. „Da der Bauherr aber ohnehin weiße Oberflächen gewünscht hat, haben wir die innen liegende Beplankung brandschutztechnisch wirksam ausgeführt.“ Gedämmt wurde mit einer 28 cm starken Mineralwolldämmung hinter einer vorgehängten, hinterlüfteten Fassade aus Lärchenholz.
Brandschutz im mehrgeschossigen Holzbau
Brandschutztechnische Grundlage für den Bau war die österreichische OIB-Richtlinie, die Gebäude der Klasse 5, also bis zu sechs Geschossen, in Holzbauweise zulässt. Am Standort Reininghaus gilt zudem die steierische Bauordnung. Die hierin geforderte Brandwiderstandsklasse beträgt nicht wie sonst üblich REI90, sondern lediglich REI60.
Ein wichtiges Brandschutz-Thema ist im Geschosswohnungsbau mit Holzverschalung zudem der Brandüberschlag. Aus diesem Grund entschieden sich die Architekten, an der Westseite der Gebäude durchlaufende Balkone aus Stahlbetonfertigteilen zu realisieren, die auf Stahltraversen sitzen. Diese werden wiederum von Stahl- beziehungsweise von Holzstützen (an der Fassade) getragen. An den drei anderen Gebäudeseiten sind verzinkte Stahlbleche so in die Fassade integriert, dass sie diese gliedern und zugleich brandschutztechnisch wirksam werden. Die Bleche sitzen dabei jeweils oben und unten vor der Dämmung und unterbrechen so die Kaminwirkung der Hinterlüftungsebene. Als dritte Maßnahme sind die Fenster von Geschoss zu Geschoss versetzt zueinander angeordnet.
Alternative Modulbau?
In einer früheren Planungsphase war übrigens auch über Holzmodulbau nachgedacht worden. „Wirklich wirtschaftlich ist der Modulbau allerdings nur dort, wo in den einzelnen Modulen auch relativ viel Installation verlegt werden muss“, erklärt hierzu Architekt Obracay. „Hotels, Studierendenwohnheime oder andere Unterkünfte, in denen ein Modul einem Zimmer mit integrierter Nasszelle entspricht, sind prädestiniert für den Modulbau. Bei diesem Projekt stellte sich diese Bauweise als nicht wirtschaftlich heraus.“ ⇥Nina Greve, Lübeck
Baudaten
Objekt: Holzwohnbau Hummelkaserne, Graz/AT
Standort: Maria-Pachleitner-Straße, Graz/AT
Bauherr, Nutzer: ENW-Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH, Graz
Architekt: sps÷architekten zt gmbh, Simon Speigner, Thalgau/AT,
www.sps-architekten.com
Mitarbeiter: Dirk Obracay (Projektleitung), Julia Tanzberger, Evelyn Schernthanner, Gaby Mayer, Sabrina Wallinger, Barbara Brandstätter
Bauleitung: Christoph Brunner GmbH, Graz/AT
Generalunternehmer: Kaufmann Bausysteme GmbH, Reuthe/AT,
www.kaufmannbausysteme.at
Bauzeit: Januar 2015 – Juli 2016
Fachplaner
Tragwerksplaner: merz kley partner ZT GmbH, Dornbirn/AT,
www.mkp-ing.com
TGA-Planer: Planungsteam E-Plus GmbH, Egg/AT, www.e-plus.at
Akustikplaner: Dr. Lothar Künz ZT GmbH, Hard/AT,
www.bauphysik-kuenz.at
Energieplaner: elektrodesign Fröhle René, Schlins/AT,
www.elektrodesign.at
Brandschutzplaner: IBS – Technisches Büro GmbH, Linz/AT,
www.ibs-tb.at
Projektdaten
Grundstücksgröße: 11 021 m²
Grundflächenzahl: 1 551,12 m²
Geschossflächenzahl: 9 307 m²
Nutzfläche gesamt 7 340 m²
Wohnnutzfläche: 5 695 m²
Brutto-Grundfläche: 9 307 m² ohne Tiefgarage
11 875 m² mit Tiefgarage
Brutto-Rauminhalt: 27 065 m³ ohne Tiefgarage
32 793 m² mit Tiefgarage
Baukosten (nach DIN 276)
KG 200 (netto): 10 000,00 €
KG 300 (netto): 7,25 Mio. €
KG 400 (netto): 2,25 Mio. €
KG 500 (netto): 105 000 €
KG 700 (netto): 1,15 Mio. €
Gesamt netto: 10,77 Mio. €
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: k.A.
Endenergiebedarf: 62,36 kWh/m²a
Jahresheizwärmebedarf: 9,43 kWh/m²a
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand Holzbau = 0,125W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte erdberührt = 0,101 W/(m²K)
U-Wert Dach Flachdach=
0,092 W/(m²K)
U-Wert Fenster = 1,08 W/(m²K)
U-Wert Verglasung = 0,60 W/(m²K)
Hersteller
Dach: Sika Österreich GmbH,
www.aut.sika.com
Fenster: Gaulhofer Industrie Holding GmbH, www.gaulhofer.com
Wand, Decke: Mayr Meinhof Holz Gaishorn GmbH, www.mm-holz.com
Dämmung Bodenplatte: Austrotherm AG, www.austrotherm.at
Dämmung Außenwand: Saint-Gobain Isover Austria GmbH,
www.isover.at
Türen/Tore: Domoferm International GmbH, www.domoferm.com; Hörmann Austria GmbH,
www.hoermann.at
RWA-Anlage: Lamilux, www.lamilux.de
Trockenbau: Saint-Gobain Rigips Austria GesmbH, www.rigips.com
„Das Wohnbauprojekt der Superlative in Massivholzbauweise/Elementbauweise ist Vorreiter in Österreich und ein Beispiel für erfolgreiche Umsetzung eines Holzbaus nach Inkrafttreten neuer Brandschutzvorschriften in der Steiermark. Infolge hoher Vorfertigung war die schnelle Bauzeit von vier Tagen pro Geschoss möglich. Ein hohes architektonisches Niveau ohne Erhöhung der Baukosten im Vergleich zu herkömmlichen Materialien ist hier erreicht worden.“
DBZ Heftpate Thomas Kruppa, FAT ARCHITECTS