Wohnen am Dantebad, München
Ende 2015 entstand die Idee, die Überbauung von Parkplatzflächen zu prüfen. Mit der Machbarkeitsstudie für den Parkplatz am Dantebad beauftragte man den Architekten Florian Nagler. Zusammen mit dem Unternehmer Ernst Böhm hatte er eine Konzeptstudie zu aufgeständerten typisierten Wohnbauten erstellt. Dazu kam die sportliche Ansage: Innerhalb eines Jahres sollten die 100 neuen Wohneinheiten bezugsfertig sein.
Dieses ambitionierte Ziel brachte auch die erfahrenen Bauleute kurz ins Schwitzen, wie Geschäftsführer Dr. Klaus-Michael Dengler von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG nach Projektabschluss in einem Interview zugeben musste. Doch der Wille, dieses außergewöhnliche Pilotprojekt erfolgreich zu realisieren und neue Maßstäbe in punkto Architektur, Technik und sozialer Durchmischung zu setzen, überwog. Keine sechs Monate nach der Beauftragung der Prüfung der baurechtlichen Umsetzbarkeit waren Planung, Vergabe der Generalunternehmerleistungen und Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren abgeschlossen. Weitere 180 Tage vergingen von der Baustelleneinrichtung bis zur Schlüsselübergabe an die ersten Mieter. Und von den bis dato 111 Stellplätzen konnten 107 Parkbuchten erhalten werden.
Wohnraum statt Hubraum
Die Integration von Parkplätzen im Erdgeschoss ist an sich nichts Neues. Generationen von Architekten versuchen mehr oder weniger kreativ den festgeschriebenen Stellplatzschlüssel umzusetzen. Denn nicht umsonst gilt Deutschland als Auto-Nation. „My car is my castle“ heißt es nicht nur im ländlichen Raum, wo der fahrbare Untersatz gleichbedeutend mit Freiheit steht, sondern auch im urbanen Kontext. Laut einer Studie von Inrix aus dem Jahr 2017, die den volkswirtschaftlichen Aufwand der Parkplatzsuche untersucht, verbringen Autofahrer in deutschen Städten im Jahr im Schnitt 41 Stunden mit der Suche, in beliebten Wohngebieten noch ein wenig mehr. So verwundert es nicht, dass die Debatte über die Bebauung von Parkplatzarealen wenig Zustimmung bei den betroffenen Anwohnern findet.
Doch der Druck, schnell neuen Wohnraum zu schaffen, ist gerade in einer Stadt wie München enorm. Innerhalb von vier Jahren sollen mit dem Wohnungsbausofortprogramm „Wohnen für Alle“, das mitten in der Planungs- und Genehmigungsphase der Wohnanlage am Dantebad im Stadtrat verabschiedet wurde, 3 000 neue geförderte Wohnungen entstehen. Doch freie Grundstücke sind immer noch Mangelware, der Handlungsbedarf bleibt groß. Insofern ist das Wohnprojekt in vielerlei Hinsicht ein Prototyp. Zum einen in der Abkehr von gewohnten wohnungswirtschaftlichen Wegen und andererseits in der typologischen und konstruktiven Umsetzung.
Effiziente Umsetzung der Aufgabenstellung
Neben der zeitlichen Komponente der Genehmigung, Ausschreibung und Vergabe waren vor allem die Konstruktion und die Typologie ein Thema. „Nur der Holzbau ermöglichte es, das Haus in einem Jahr zu errichten“, bekräftigt der Architekt Florian Nagler die Entscheidung für den Baustoff und eine für das Projekt größtmögliche Vorfertigung.
„Vor dem Hintergrund des extremst sportlichen Terminplans haben wir Konstruktionen verwendet, mit denen wir Erfahrung hatten und von denen wir sicher waren, dass man sie – hoher Vorfertigungsgrad vorausgesetzt – auch schnell umsetzen kann.“ Außerdem spielte die frühzeitige Einbindung des ausführenden Unternehmens B&O Wohnungswirtschaft als Generalunternehmer eine große Rolle. „Zeitlich anspruchsvolle Terminpläne funktionieren nur mit eingespielten Bauteams und einer engen Zusammenarbeit von Architekten und ausführendem Unternehmen“, betont Böhm. Bei einer Vergabe über Einzelgewerke hätte die kurze Bauzeit nicht eingehalten werden können.
Zudem kann man das Konzept für die 100 Wohnungen mit der Formel „Form follows Stellplatzbreite“ beschreiben. Denn um ein effizientes Tragraster für das Gebäude zu erreichen, wurde für die Stützenpaare ein Maß von jeweils drei Parkplätzen in der Länge und zwei in der Breite gewählt. Erschlossen werden die Wohnungen durch zwei Treppenhäuser, die als Endpunkte mit den notwendigen Technik- und Nebenräumen auf minimaler Fläche den Boden berühren, und auf den Stockwerken über Laubengänge in Richtung Sportplatz im Osten. Zwei Achsmaße von 2,91 und 3,66 m generieren unterschiedliche Wohnungstypen (86 1-Zimmerwohnungen von 24 – 31 m2 und 14 2,5-Zimmerwohnungen von 49 – 54 m2), bei denen sich die Küche jeweils zum belebten Laubengang und die privaten Wohn- und Aufenthaltsbereiche zur Südwestseite öffnen. Jeweils zwei schmale und eine breitere Wohnung bilden ein sich wiederholendes Paket, bei der die mittlere, größere Wohnung vom Laubengang zurückspringt und einen geschützten privateren Aufenthaltsraum generiert. Der herausfordernde Part der Rohbauphase waren die Statik und die Erstellung des vor Ort gefertigten Stahlbetontisches über einer Konstruktion aus Stahlbetonstützen und Unterzügen. Zwei Monate Bauzeit nahm die ca. 112 m lange und 11,40 m breite Plattform, über der sich der Holzbau stapelt, in Anspruch.
Rohbau = Ausbau
In einem ausgeklügelten Taktverfahren wurden die vier Stockwerke in mehreren Abschnitten parallel hochgezogen. Im Werk wurden die Holzrahmenelemente inklusive Holzfenster und Außenverkleidung vorbereitet und mussten vor Ort nur noch montiert werden. Nach der Montage der Außenelemente und der großformatigen, wohnungsgroßen Wohnungstrennwände aus Brettsperrholzelementen wurden die vorinstallierten Fertigbäder eingehoben und die Einheiten mit einer Holzdecke geschlossen. Auch die Laubengänge bestehen aus „just in time“ angelieferten Betonfertigteilen. Der serielle Gedanke ist deutlich in der Fassadengestaltung zum Dantebad sichtbar, der mit der sägerauen Materialität des Holzes den Bauprozess abbildet und durch eine differenzierte Anordnung von Öffnungsrahmen und geschlossenen Flächen dem Gebäude eine wohltuende Ruhe verleiht. Dank des hohen Vorfertigungsgrades konnte die Montagezeit auf der Baustelle so auf ein Minimum reduziert werden. Dass auf die Wohnqualität und Kosten dabei ebenso Wert gelegt wurde, versteht sich von selbst, wie Florian Nagler bestätigt:
„Man versucht immer, innerhalb des vorgegebenen Projektrahmens ein Maximum an architektonischer Qualität herauszuholen. In diesem Falle war uns wichtig, dass die einfach geschnittenen Wohnungen von der Materialität her angenehm sind und die Erschließungsbereiche, hier die Laubengänge, durch Aufweitungen und Vorbereiche vor den Wohnungen eine zusätzliche räumliche Qualität erfahren, die diese Bereiche auch vielfältiger nutzbar machen. Auch der großzügige Dachgarten ist ein zusätzliches sehr schönes Angebot!“
Die Effizienz in Konstruktion und Typologie setzt sich im Innenausbau fort. Denn zum Großteil entspricht der Rohbau dem Ausbauzustand. Bis auf die Treppenläufe und Laubengänge, die aus Brandschutzgründen in Massivbauweise errichtet werden mussten, bestehen alle Bauteile aus Holzelementen. So bleibt auch das Brettsperrholz der Deckenelemente auf der Unterseite naturbelassen sichtbar. Wenn die Architekten auch gerne die Innenwände sichtbar belassen hätten, musste hier dem Schallschutz mit einer zweilagigen Verkleidung mit Gipsfaserplatten Tribut gezollt werden.
Ausgewogener Mietermix
Die große Herausforderung im kommunalen bzw. geförderten Wohnungsbau liegt neben der architektonischen Qualität bei zugleich engem Kosten- und Zeitrahmen in der Umsetzung einer sozialen Verträglichkeit. Wurde in der ersten Planungsphase noch eine reine Belegung durch anerkannte Flüchtlinge geplant, wurde im Laufe der Bauphase auf eine ausgewogenere Mischung durch berechtigte Haushalte verschiedener Einkommensstufen – Frauen, Männer sowie Migranten – angepasst. Die Belegung erfolgt über das Amt für Wohnen und Migration im Sozialreferat der Landeshauptstadt München. Zudem wurden Begegnungsräume im Haus integriert, da sie die Bildung einer gesunden Hausgemeinschaft und Nachbarschaft unterstützen. Neben den offenen Laubengängen bieten vier Gemeinschaftsräume an der südlichen Stirnseite und ein Waschcafé zusätzliche Begegnungsmöglichkeiten. Ein besonderes Augenmerk erfährt das begehbare Dach, auf dem – neben einer Spielfläche für die Kinder und Holzdecks für alle – in den frisch angelegten Gartenbeeten die eigene Ernte gezogen wird.
Das Wohngebäude am Dantebad ist ein herausragendes Beispiel für die vielfach geforderte Überlagerung von Nutzung und versiegelter Fläche. „Die Auszeichnung mit dem Deutschen Bauherrenpreis unterstreicht den Modellcharakter des Vorhabens“, unterstreicht Ernst Böhm. Noch mehr jedoch ist es ein Paradestück für den Mut und Willen, neue Wege zu gehen. Bleibt zu hoffen, dass das Modell auch in Zukunft Schule machen wird ... Eva Maria Herrmann, München
Baudaten
Standort: Postillonstraße 18-20,
81667 München
Typologie: Wohnungsbau
Bauherr und Nutzer: Gewofag Holding GmbH, München, www.gewofag.de
Architekt: Florian Nagler Architekten, München, www.nagler-architekten.de
Mitarbeiter (Team): Tobias Pretscher, Patrick Fromme, Benedikt Rauh, Laura Kwanka
Bauleitung und Generalunternehmer: B&O Wohnungswirtschaft GmbH Bayern, Bad Aibling, www.bo-gruppe.de
Bauzeit: Juni bis Dezember 2016
Fachplaner
Tragwerksplaner/Beton: r.plan GmbH, Chemnitz, www.r-plan.co
Tragwerksplaner/Holzbau: Ingenieurbüro für Baustatik Franz Mitter-Mang, Waldkraiburg
TGA-Planer: Ing.-Büro Scheerer,
Bad Reichenhall, www.ibscheerer.de
Elektroplanung:
EBB GmbH, Blankenheim
Landschaftsarchitekt:
terra.nova Landschaftsarchitektur,
München, www.tn-l.de
Energieplaner: Ingenieurbüro für Bauphysik Horstmann + Berger, Altensteig, www.hb-bauphysik.de
Brandschutzplaner: PHIplan Ingenieurbüro für vorbeugenden Brandschutz, Grabenstätt/Winkl, www.phiplan.de
Weitere Fachplaner:
Planungsbüro Färber, München,
www.planungsbuero-faerber.de
Holzbau: Huber & Sohn GmbH & Co. KG, Eiselfing-Bachmehring,
www.huber-sohn.de
Beton: Dipl.-Ing. Emil Hönninger G,bH & Co. Bauunternehmung KG,
Kirchseeon, www.hoenninger.de
Projektdaten
Grundflächenzahl: 0,33
Geschossflächenzahl: 1,32
Nutzfläche: 3 539,3 m²
Technikfläche: 35,4 m²
Verkehrsfläche: 842,4 m²
Brutto-Grundfläche (inkl. Laubengänge ohne Dachgarten): 5 352 m²
Brutto-Rauminhalt (inkl. Laubengänge ohne Dachgarten): 16 165 m³
Wohnfläche pro Person: ca. 23 m²
Mietpreis: 9,40 €/m²
Baukosten
KG 500 (brutto): € 746 217
Gesamt brutto (inkl.100) € 9 881 664
Primärenergiebedarf: 11 kWh/m²a
nach EnEV 2016
Endenergiebedarf: 66 kWh/m²a
nach EnEV 2016
Gebäudehülle
0,23 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,275 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,133 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,0 W/(m²K)
Fernwärme
Hersteller
Fenster: Huber & Sohn, Holzfenster Select 68, www.huber-sohn.de
Eingangstür: ewitherm, www.ewitherm.de
Fassade: Lärchenholz mit FINN longlife-Farbe, www.finn-long-life-farben.de
Faserzementplatten: Eternit Equitone natura, www.eternit.de
Brandschutztüren: Novoferm,
www.novoferm.de
Linoleum: DLW Flooring GmbH Marmorette, www.dlw.de
Fliesen: Ceramica Vogue Perla,
www.voguekeramik.de