Wollen wir in der Kunst wohnen?!
Interieur Exterieur. Wohnen in der Kunst. Eine Ausstellung

Natürlich meinen die Ausstellungsmacher es anders. Ihr „Wohnen in der Kunst“ hat einen eher genremalerischen Ansatz und zeigt uns 250 Jahre Wohngeschichte in der Kunst. Aber anders herum könnte man das „Wohnen in der Kunst“ architekturtheoretisch hinterfragen, den Kunstbegriff gegen den der Architektur schärfen und umgekehrt. Wollten Sie in Kunst wohnen? In von Künstlern gestalteten Orten, Räumen, Situationen? Mancher hebt schon hier den Finger und verweist auf den Zusammenhang von Kunst und Künstlichkeit, von Gestaltung und freier Erfindung, die ja in jeder besseren Architektur ihren Platz haben. Wollen Sie künstlich wohnen? Doch wollte man das Künstliche über seinen Widerpart, das Natürliche definieren: Was wäre denn das Natürliche beim Wohnen?

Die Wolfsburger nehmens jedenfalls pragmatischer, ihre Wohngeschichte, die ein Erzähl­strang der Kunstgeschichte ist, soll niemanden zum Theoretisieren einladen, vielmehr zum Anschauen, zur Anschauung. Das dafür ausgestellte Material sind Bilder des 20. Jahrhun­derts unterschiedlichster Genres, unterschied­lichster Künstlerschulen, unterschiedlichster Haltungen. Ins Thema Wohnen führt ganz am Anfang der Schau ein Blick in eine Landschaft. Das Gemälde von Caspar David Friedrich von ca. 1808 spielt mit den Begriffen Idylle und Weite, Aufbruch und stille (gottesfürchtige) Andacht, und weist auf den Sehnsuchtsort, den das kommende Biedermeier zum Hauptthema machte: wohlgestaltetes, bequemes und geschütztes Zuhausesein.

Von hier aus springen wir ins kriegsfins­tre, kriegsversessene 20. Jahrhundert, wir laufen durch eine dunkle Zimmerflucht, die uns Interieurmalerei um 1900 (Edvard Munch, Felix Vallotton) zeigt, trauern der handwerklichen Eleganz des Jugenstils nach und der der Wiener Moderne (Henri van de Velde, Josef Hoffmann), und landen unvermittelt in Piet Mondrians Pariser Atelier (eine 1 : 1-Rekonstruktion). Dieser Raum ist – den Ausstellungsmachern nach – „die Tür zur lichtdurchfluteten Revolution des modernen  Wohnens: den klar geformten, eleganten Klassikern des Modern Styles von Eileen Gray bis zum Bauhaus.“ Und wer erwartet uns am Ende der Zeitreise durch die Geschichte des Wohnens? Ein Architekt. Eher ein Ingenieur, der mit seinem Ganzglaswohnei „R129“ die Perspektive auf die Zukunft des Zuhausesein richtet, Werner Sobek. Dass sich dieser Mann mit seinem vielzitierten und -publizier­ten Wohnversuch „R128“ selbst überforderte, soll hier nur angemerkt werden.

Interessant wird der Überblick dort, wo Einflüsse offenbar werden, Einflüssen von Architekten und Künstlern oder Künstlerarchitekten auf die Kunst. So beispielsweise Donald Judds Minimalart, „die mit der postindustriellen Wohnform der Lofts einen Wohn­stil prägte, der die klare Formensprache des Bauhauses ins 21. Jahrhundert überführt.“ Weitere Einflusslinien werden herausgearbeitet beziehungsweise zum geistigen Bearbeiten angeboten, es werden Filme gezeigt und Möbel, und immer wieder geht der Blick auf die Bilder, die das Innere der Architektur zeigen, mal abbildend, mal schichtweise verschlüsselt, mal nur noch als ein Echo auf Gefühlslagen erkennbar. Be. K.

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