YARD Boarding Hotel, Wolfsburg
Tradition und Moderne treffen bei der behutsamen Sanierung und Erweiterung des Ritterguts Nordsteimke der Familie Graf von der Schulenburg aufeinander. Hier haben KEFERSTEIN+SABLJO Architekten ehemalige Ställe und Hofgebäude zu einer Hotel- und Apartment-anlage umgebaut. Denkmal-, Schall- und Brandschutz spielten nicht nur im Trockenbau eine wichtige Rolle.
„Wir sind hier nicht in Ferienregionen wie Bayern oder am Bodensee“, betont Graf Günther von der Schulenburg bei der Besichtigung. „Wir spielen hier mit dem, was man in Wolfsburg nicht erwartet.“ Deshalb hat er sich auf seinem Gut für das Konzept zum Wohnen auf Zeit in kleinen Apartments entschieden. Das Rittergut, das seit 1846 im Besitz seiner Familie ist, besteht aus mehreren, ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Gebäuden. Es liegt auf einer Anhöhe, von hohen Bäumen umgeben, im Dorfkern von Nordsteimke und ist nur 7 km vom Wolfsburger Stadtzentrum entfernt.
„Alles begann auf dem Gut mit der Umnutzung eines ersten ehemaligen Wirtschaftsgebäudes zu einer Eventlocation – dem Ideenherd, wo man tagen und gemeinsam kochen kann“, erinnert sich Tatjana Sabljo. Beim Ideenherd wurden die beiden Architektinnen zum ersten Mal um professionellen Rat gefragt und lernten dabei ihren zukünftigen Bauherrn kennen. Gemeinsam mit dem Bauherrn entwickelten sie das Konzept für die Umnutzung weiterer Gebäude auf dem Gelände. Da in Wolfsburg durch Mitarbeiter des Volkswagenwerks und seiner Zulieferfirmen durchaus eine Nachfrage nach Wohnraum auf Zeit besteht, gestalteten KEFERSTEIN+SALBJO Architekten zunächst ein anderes Stallgebäude sowie eine Remise um. Danach ersetzten sie ein nicht mehr erhaltenswertes Nebengebäude durch einen Neubau mit Mini-Apartments. „Insgesamt gibt es 42 Zimmer. Leitidee für die Gestaltung ist, dass man sich wie zu Hause fühlen soll“, beschreibt Architektin Sabljo das Konzept. „Dabei legen wir Wert darauf, dass alle Materialien für sich sprechen.“
Bauen im Bestand / Haus 1 und 2
Das ehemalige Stallgebäude (Haus 1) wurde als erstes umgebaut. Es steht, genau wie die Remise (Haus 2), unter Denkmalschutz. Im Erdgeschoss von Haus 1 befinden sich fünf Hotelzimmer, die „Hofküche“ sowie Lobby und Empfang. „Es gab viele Diskussionen mit der Denkmalpflege“, meint die Planerin. „Um mehr Tageslicht in das Obergeschoss zu bekommen, haben wir zusätzlich zu den bestehenden Gauben neue Gauben auf der Gartenseite angeordnet. Für die Belichtung der Flure war der Brandschutz eine Fügung. Denn wir brauchten RWA-Öffnungen und konnten so Öffnungen im Dach planen, die der Denkmalschutz sonst nicht genehmigt hätte.“ Das historische Dachtragwerk, ein markantes, sehr tragfähiges Sprengwerk, wurde erhalten. Alle Wände und Einbauten, wie z. B. die Bäder, mussten an das Sprengwerk angepasst werden. Den Schallschutz, der in Hotels besonders wichtig ist, gewährleisten 20 cm starke Trennwände zwischen den Zimmern.
Alle Zimmer haben einen Außensitz. Im Dach von Haus 1 sind die Zwerchhäuser rekonstruiert und die Fassadenebene dabei nach innen versetzt, sodass eine kleine Loggia entsteht. Platzsparende Glasschiebetüren öffnen sich zur Loggia, deren Seitenwände in Trockenbauweise mit wasserbeständigen Paneelen verkleidet sind. Im Haus 2,
der ehemaligen Remise, reihen sich Maisonetteapartments aneinander mit Außensitzen im Erdgeschoss. Grüne Holzflügeltore bieten Privatsphäre. Die Kopfbauten sind nun der Fitnessbereich (vorher Schmiede) und die Waschküche (vorher Melkhaus).
Hofküche und Lobby
Wer sich nicht selbst versorgen möchte, kann das Angebot der Hofküche in Anspruch nehmen. Der moderne Speisesaal im historischen „Gemäuer“ wirkt besonders einladend durch die große offene Fens-terfront zum (Hof-)Garten, die die Gäste bereits beim Eintritt in die Lobby wahrnehmen. Schlichte Holzmöbel gepaart mit einem Holzfußboden und den sichtbar gelassenen historischen Holzbalken in der Decke tragen dazu bei, dass sich die Gäste wohlfühlen. Die Zwischenräume der Holzbalkendecke hat die Trockenbaufirma mit Gipskartonplatten ausgefacht, die akustisch wirksam sind, weil sie einen schmalen Zwischenraum zwischen den Platten und der eigentlichen Decke belassen. Schattenfugen zwischen den Gipskartonausfachungen und Balken betonen die historische Konstruktion. Die offene Küche am Ende des Raumes rundet die gemütliche Atmosphäre ab.
Die Lobby und der Empfang liegen vor der Hofküche. Mit einer Sitzlandschaft und den sichtbar gelassenen historischen Mauern lädt die Lobby zum Verweilen ein. Wer möchte, kann dort abends am Kamin entspannen oder gemeinsam fernsehen. Um die Offenheit der Lobby nicht zu zerstören, ist der Brandabschnitt beim Aufgang zu den Zimmern mit einem Brandschutzvorhang abgetrennt, der sich in der Decke verbirgt und im Brandfall herunterfährt. Dieser Punkt war eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten. „Damit niemand hier stehen bleibt oder seinen Koffer abstellt, haben wir den Bodenbelag gewechselt“, erklärt die Architektin und weist auf den Boden. „Außerdem haben wir die erste Treppenstufe zu einem Podest verlängert. Die Trockenbauer haben hier sehr gute Arbeit geleistet. Sie mussten den Vorhang in die Wand integrieren und alles in F 90 ausbilden.“
Wo Mauern auf Gipskartonwände treffen, spielen die Planerinnen mit dem Kontrast zwischen unebenen und glatten Oberflächen. Die Struktur des historischen Mauerwerks wird an vielen Stellen durch Lichtvouten in den abgehängten Decken betont. Indirektes Licht entlang der Treppen und in den Fluren bringt eine wohnliche Atmosphäre.
Neubau / Haus 3
Gegenüber der Remise ist eine Scheune durch einen Neubau ersetzt worden. Dieser fügt sich souverän in die historisch gewachsene Umgebung ein. Um im Obergeschoss auf einen Flur zu verzichten, zitieren die Architektinnen Le Corbusiers Entwurf für die Unité d’Habitation: drei Treppenaufgänge erschließen jeweils zwei Wohnungen im Obergeschoss. Diese Wohnungen sind durch das gesamte Gebäude gesteckt. Das ermöglicht die Belichtung der Wohnungen von beiden Seiten. Die Bäder (kombiniert mit Küchenzeilen) sind als „Boxen“ frei in den Raum gestellt und teilen die Wohnung in zwei Bereiche. Loggien in einem strengen Betonraster bilden die Südfassade. Auch hier scheinen die Wände von innen nach außen durchzulaufen, wobei die Loggienwände wie bei den Gauben in Haus 1 im Außenbereich in wasserbeständiger Trockenbauweise verkleidet sind.
Herausforderungen und Tradition
„Beim YARD Boarding Hotel war vor allem das Bauen im Bestand eine große Herausforderung für uns“, stellt Frank Fenselau von der Trockenbaufirma fest. „Jeder Balken ist anders, jede Mauer ist anders. Damit müssen wir umgehen, alle Elemente anpassen und dann anspachteln“, ergänzt sein Projektleiter Daniel Ardon. Ganz wichtig sei das Team vor Ort gewesen. Vieles musste spontan auf der Baustelle entschieden und mit den verschiedenen Handwerkern abgestimmt werden, z. B. die Position von Steckdosen in den Trockenbauwänden oder auch die Lage der Einbauschränke, die ähnlich wie Apothekerschränke in die Wände zwischen dem Sprengwerk integriert sind. Architektin Irina Kresic koordinierte als Bauleiterin alle Gewerke und skizzierte viele Details kurzerhand auf der Baustelle, die dann von den Handwerkern umgesetzt wurden.
Bei den neu gebauten Bereichen in der Remise (z. B. Galeriebrüs-tungen in den Apartments und im Fitnessbereich) oder beim Neubau im Haus 3 (eingestellte „Bäder-Boxen“), profitierten die Spezialisten für den Innenausbau von der Möglichkeit, viele Elemente in der eigenen Firma vorfertigen zu können. Dadurch wurden Ecken und Kanten sehr viel präziser, und die Montage auf der Baustelle gehe wesentlich schneller. „Das Besondere an diesem Projekt ist, dass hier Geschichte, Tradition und Handwerk Hand in Hand gehen“, sind Frank Fenselau und Daniel Ardon überzeugt.
Tradition – das Wort kommt von dem lateinischen „tradere“ und bedeutet „übergeben“. Dem fühlt sich Günther Graf von der Schulenburg besonders verpflichtet: „Tradition ist der Grundgedanke meines Tuns. Ich verwalte hier ein Traditionsvermögen nur über einen bestimmten Zeitraum – dann gebe ich es weiter an die nächste Generation. So haben es meine Vorfahren auch gemacht. Das ist eine Herausforderung, aber auch eine schöne Aufgabe. Der Aus- und Neubau auf dem Rittergut wurde wie viele andere Bereiche meiner unternehmerischen Tätigkeit getragen von dem Leitsatz Lampedusas: Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist.“ Susanne Kreykenbohm, Hannover
Baudaten
Standort: Schulenburgstr. 6a, 38466 Wolfsburg
Typologie: Boarding House, Hotel, Geschosswohnungsbau
Bauherr: Günther Graf von der Schulenburg, Wolfsburg, www.graf-schulenburg.de
Nutzer: YARD Boarding Hotel KG, Wolfsburg, www.yard-wolfsburg.de
Architekt: KEFERSTEIN+SALBJO Architekten BDA, Hannover, www.k-s-architektur.com
Mitarbeiter (Team): Tatjana Sabljo, Irina Kresic´,
Carina Driever, Geraldine Bach, Annika Korswird
Bauleitung: Irina Kresic´
(KEFERSTEIN+SALBJO Architekten BDA)
Bauzeit: gesamt April 2015 – Juli 2016
Haus 1 – 2: April 2015 – April 2016
Haus 3: August 2015 – Juli 2016
Fachplaner
Tragwerks- und Energieplaner: Dörger Löscher Schneider Ingenieure, Barsinghausen, www.ing-dls.de
Lichtplaner: Licht Breust, Hannover, www.lichtbreust.de
Innenarchitekt: KEFERSTEIN+SALBJO Architekten BDA, Hannover, www.k-s-architektur.com
Landschaftsarchitekt: plateau landschaftsarchitekten, Hannover, www.plateau-la.de
Brandschutzplaner: Dörger Löscher Schneider Ingenieure, Barsinghausen, www.ing-dls.de
Fluchtwegkonzept: Brandschutz Lange, Laatzen, www.lange-brandschutz.de
Projektdaten
Technikfläche: 36,16 m²
Verkehrsfläche: 181,54 m²
Brutto-Grundfläche: 3 136,18 m²
Brutto-Rauminhalt: 10 979,31 m³
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 49 kWh/m²a nach EnEV
Endenergiebedarf: 44 Wh/m²a nach EnEV
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,21W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,27 W/(m²K) U-Wert Dach = 0,20 W/(m²K) Uw-Wert Fenster = 1,1 W/(m²K)
Haus 3
Gasbrennwert-Technik
Warmwasseraufbereitung durch Solarthermie
Hersteller
Dachziegel: Wienerberger AG, www.wienerberger.de
Sichtbare Holzverschalung: Osmo Holz und Color GmbH & Co. KG, www.osmo.de
Fenster (Alu-Elemente): Schüco International KG, www.schueco.com
Klinker Haus 3: JANINHOF GmbH & Co. KG, www.janinhoff.de
Aufsparrendämmung: Paul Bauder GmbH & Co. KG, www.bauder.de
Brandschutzvorhang: Stöbich Brandschutz GmbH, www.stoebich.de
RWA-Anlage: VELUX Deutschland GmbH, www.velux.de
Heizung: Wolf GmbH, www.wolf-heiztechnik.de
Zutrittssysteme: SALTO Systems GmbH, www.saltosystems.de
Sanitär: TECE GmbH, www.tece.com; LAUFEN Bath-rooms AG, www.laufen.com; KERAMAG, www.keramag.de; GROHE AG, www.grohe.com
Trockenbau: Knauf Gips KG, www.knauf.de; Saint-Gobain Rigips GmbH, www.rigips.de; Fermacell GmbH, www.fermacell.de; Danogips GmbH & Co. KG, www.danogips.de; Siniat GmbH, www.siniat.de
Metallunterkonstruktion: Richter System GmbH & Co. KG, www.richtersystem.com
Metallfaserdecken: OWA Odenwald Faserplattenwerk GmbH, www.owa.de; Armstrong Building Products GmbH, www.armstrong.com
Mineraldämmstoff: Saint-Gobain ISOVER G+H AG, www.isover.de; URSA Deutschland GmbH, www.ursa.de
Brandschutz: DEUTSCHE ROCKWOOL GMBH & Co. KG, www.rockwool.de
Eckschienen: VWS Befestigungstechnik GmbH, www.vws.de; PROTEKTORWERK, www.protektor.de