Zu wenig von Fehlern

Ich muss es schreiben: der Titel hatte gezogen. Aufmerksamkeit, Neugier erzeugt und Hoffnung, hier würde einmal ganz anders über Architektur nachgedacht/geschrieben. Das „segensreiche Wirken der Fehler“, kein neues Thema, aber im Kontext Architekturdiskurs deutlich unterbelichtet. Aber: Über das Segensreiche wird hier auch geschrieben; die wunderbar textlastige, spärlich bebilderte und für die Abendlektüre auf dem Sofa so sehr geeignete Buchpublikation bietet noch drei weitere Artikel/Essays: einen zum Ungebauten bei Hans Henny Jahnn (dessen Hauptwerk der Rezensent glücklicherweise schon mal gelesen hatte), über das pietistische Barock und den kritischen Eklektizismus der Handelskammer in Mantua, plus, als eine Art Zugabe, eine „Festtagsrede“, in der es um die Bestimmung des Architektonischen geht, also eine Art Zusammenfassung der vorangegangenen Artikel.

Ob man das alles lesen muss? Der Autor selbst kommt beim Text zum Architektonischen im Werk Jahnns zu dem Schluss, hier könne man nur wenig Konkretes zum Bauen selbst extrahieren, es bliebe allein das Wort, das uns Lesende in Bann ziehe. Und wie sieht es mit dem Beitrag zum „segensreichen Wirken der Fehler“ aus? Fast habe ich es geahnt, der Autor schreibt über das, wo­rüber er forscht und längst schon geschrieben hat, über Renaissance und Barock und Manierismus. Und Projektbeispiele, die hier schon auftauchten, erscheinen an anderer Stelle erneut, so mischt sich alles und das in einem Schreibduktus, der schwindlig macht, der vor Schachtelsätzen nicht zurückscheut und Bildungshorizonte öffnet, die uns NormalleserInnen – trotz allem Studieren und ständig zunehmendem Wissen – zumindest fordert. Ob das alles hinreicht, das Architektonische als ein der Architektur innewohnendes Prinzip hervortreten zu lassen? In jedem Fall dient die Lektüre der Verschiebung eigener Horizontlinien, die ja durchaus auch in der Lage sind, das Erkennen des Grundes dauerhaft zu vermauern. So also: lesen! Be. K.

Fritz Barth, Vom segensreichen Wirken der Fehler und anderem. Vier Essays zur Architektur. Edition Axel Menges, Stuttgart/London 2021, 128 S. mit 58 sw-Abb.29 €, ISBN 978-3-86905-023-2
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 12/2019

Lustige und kuriose, aber auch teure und vermeidbare Fehler und Mängel

01 Zimmert?rschloss

Zusammenfassung Planen und Bauen ist eine ernste Sache: es geht um die Sicherheit und Behaglichkeit der Nutzer und nicht zuletzt auch um viel Geld. Trotzdem ist Lachen über Fehler und Mängel...

mehr
Ausgabe 09/2018

Ein schöner Blick

Das Londoner Büro „Henley Halebrown“ hat in deutschsprachigen Fachmedien kaum Platz gefunden. Was ein Fehler ist, denn die Londoner haben einen sehr eigenen und zugleich sehr gut zu...

mehr
Ausgabe 7/8/2018 Tragwerk

„Besonders sind Projekte mit schönem Kraftfluss“ „Hohe Aufmerksamkeit gilt den Prozessen und Schnittstellen“

Als wir das Thema Tragwerk auswählten, wussten wir bereits, wen wir als DBZ Heftpaten wollten: Kempen Krause Hartmann. Mit ihrem Wissen und ihrem ästhetischen Empfinden für Kraft und Form wollten...

mehr
Ausgabe 02/2021

Bürogeschichten

Schon länger warten zwei Bücher auf eine Besprechung, jetzt sind sie dran: eine Büromonografie von hammeskrause architekten, eine von GJL Architekten. Anlass für das gründliche Lesen dieser...

mehr

Das kritische Denken und die Neugier fördern

Im Gespräch mit Prof. em. Dr.-Ing. E. h. mult. Stefan Polónyi www.ipp-ug.de

Sehr geehrter Herr Polónyi, zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft, mit der DBZ zu sprechen. Wir hatten vereinbart, dass das durchaus – und dem Anlass angemessen – ein...

mehr