Lustige und kuriose, aber auch teure und vermeidbare Fehler und Mängel
Fehler und Mängel sind ärgerlich und verursachen vermeidbare Kosten. Manchmal kann man aber trotzdem darüber lachen. Prof. Dr. Ing. Marc Göbelsmann betrachtet in seinem letzten Beitrag das Thema Bauschäden mit einem Augenzwinkern.
Zusammenfassung
Planen und Bauen ist eine ernste Sache: es geht um die Sicherheit und Behaglichkeit der Nutzer und nicht zuletzt auch um viel Geld. Trotzdem ist Lachen über Fehler und Mängel natürlich erlaubt. Nicht über die Verursacher – Fehler machen wir schließlich alle. Sondern über das Kuriose und Skurrile, was sich infolge Fehlern manchmal darstellt. Und man kann daraus auch manche Erkenntnis gewinnen.
Sachverhalt
Bei der Planung und Ausführung eines Bauprojekts ergänzen sich die individuellen und ganz verschiedenen Fähigkeiten von Objektplanern und Fachplanern sowie diverser Gewerke zu einem funktionierenden Bauwerk. Dabei ist jeder Beteiligte gefordert – vom Bauherrn, der das Projekt anstößt, bis zum Gebäudereiniger, der vor der Abnahme häufig den Abschluss einer Vielzahl unterschiedlichster Gewerke bildet.
Dass Fehler passieren, ist gerade im Baubereich unvermeidbar. Bauwerke sind eben meist Unikate, die noch dazu unter freiem Himmel hergestellt werden. Planung und Ausführung erfolgen durch immer wieder neu zusammengestellte Planungsteams und ausführende Firmen. Die Situation ist also eine ganz andere als z. B. in der Industrie, wo Produkte unter günstigen Randbedingungen durch eingespielte und aufeinander abgestimmte Teams entworfen und in Serie hergestellt werden.
Der Schaden, der durch Fehler entsteht, kann jedoch in vielen Fällen begrenzt werden. Dazu ist es oft „nur“ erforderlich, miteinander zu reden. Insoweit ist dieser Beitrag (auch) ein Plädoyer für ein stärkeres büro- und firmenübergreifendes Miteinander und einen fairen Umgang. Zunächst ist aber jeder Einzelne gefordert, eine gute Leistung zu liefern und „100 % zu geben“. Die folgenden Beispiele sind teils lustig und kurios, regen aber auch zum Nachdenken an. Sie stammen von der Baustelle – mithin der Ausführung. In der Planungsphase gibt es durchaus vergleichbare Situationen; dort kann man davon nur nicht so schöne Fotos machen…
Innentür
Innentür: passt! Bänder: sind justiert! Drücker: funktioniert! Schloss: passt irgendwie nicht! Macht nichts! Fällt bestimmt nicht auf! Oder was hat sich der Ausführende hier (Abb. 01) gedacht? Dass dieser Mangel früher oder später auffallen muss, dürfte wohl jedem klar sein. Wenn er dann erst bei der Abnahme auffällt, ist das ärgerlich. Die Firma ist längst auf einer anderen Baustelle tätig.
Warum wurde hier also nicht gleich ein korrektes Schloss eingebaut? Vielleicht wurde es nur vergessen, das falsch bestellte oder gelieferte Schloss noch zu tauschen – womit wir bei den unvermeidbaren Fehlern wären. Oder hier hat tatsächlich jemand nicht „100 % gegeben“.
Trockenbau
Das Material liegt bereit. Im Treppenhaus muss noch die Unterdecke in Trockenbauweise hergestellt werden. Dummerweise hängt genau an dieser Stelle noch die Baubeleuchtung. Und der Elektriker ist gerade nicht greifbar. Zum Glück ist der planmäßige Abstand der Unterdecke zur Massivdecke ausreichend groß. Also kann man die Unterdecke schon mal um die Baubeleuchtung herum bauen (Abb. 02). Und für das Elektrokabel lässt man halt eine kleine Öffnung in der Unterdecke. Was aus der Baubeleuchtung wird? Da kümmert sich dann schon der Elektriker drum! Ist ja ohnehin dessen Gewerk. Der macht das dann schon – irgendwie.
Hier gibt es wohl nichts zu diskutieren. Da hat tatsächlich jemand nicht nachgedacht. Man darf hoffen, dass der Betreffende „seine“ Unterdecke selbst wieder demontieren durfte. Und man darf den Firmeninhaber bedauern, der dies letztlich bezahlt.
Parkett
Parketthölzer müssen bei Anlieferung und Verlegung definierte zulässige Feuchtegehalte aufweisen. Daher ist es zweckmäßig, die Parketthölzer auf der Baustelle gleich an ihren Bestimmungsort zu bringen – mithin auf die betreffenden Räume zu verteilen. Sonst läuft man Gefahr, dass sich der Feuchtegehalt der Parketthölzer kurzfristig stark erhöht (Abb. 03).
Vielleicht wurde schlicht vergessen, dass da draußen noch Parketthölzer auf der Palette lagerten. Dies ließe sich durch eine geeignete Arbeitsorganisation verhindern. Vielleicht hätte auch jemand auf der Baustelle eine Plane über die Palette werfen können, als es anfing zu regnen – auch wenn es nicht das eigene Gewerk ist. So oder so, der Firmeninhaber ist nun – wahrscheinlich wenig stolzer – Besitzer einer Palette überaus teuren Brennholzes (das ebenfalls einen gewissen Feuchtegehalt nicht überschreiten sollte).
Sanitär
Hinter der Installationswand ist mal wieder zu wenig Platz? Kein Problem! Ein horizontaler Wandschlitz mit einer Tiefe von 7 cm in einer 17,5 cm dicken tragenden Wand ist schnell erstellt. Dort kann dann die Sanitärinstallation so vorgenommen werden, dass alles zusammen passt (Abb. 04). Vorher vielleicht fragen, ob man derart in ein anderes Gewerk eingreifen darf? Wäre nicht schlecht – aber das kostet ja wieder Zeit. Also lieber den Schlitz schon mal anlegen. Die Klärung kann man ja immer noch vornehmen – falls es nicht in Vergessenheit gerät hinter der Installationswand.
Die eigenen Probleme bei Planung und Ausführung werden gefühlt oft von „den Anderen“ verursacht. Und man selbst muss dann sehen, wie man das wieder hinbekommt. Dabei sollte stets bedacht werden, dass „der Andere“ sich in seinem Gewerk voraussichtlich besser auskennt als man selbst in einem für sich fremden Gewerk. Das lässt sich auch auf die Planungsbeteiligten übertragen.
Fenster
Bei der Abnahme wird auf der Verglasung eines Fensters noch der Aufkleber festgestellt. Dabei hatte der Gebäudereiniger die ausdrückliche Anweisung, bei der Reinigung der Fenster die wenigen verbliebenen Aufkleber zu entfernen. Nun ja – kein Problem. Diesen letzten Aufkleber kann man auch bei der Abnahmebegehung noch eben entfernen. Kann man? Leider nicht! Der Aufkleber befindet sich im Scheibenzwischenraum (Abb. 05). Hier fragt man sich zunächst, wie eine Dreifach-Isolierverglasung mit einem Aufkleber auf der mittleren Scheibe überhaupt das Werk verlassen kann. Als nächstes stellt sich die Frage, warum eine solche Verglasung in den Rahmen eingebaut wird. Nun mag dies den Lieferfristen und dem Wunsch nach einem dichten Gebäude geschuldet sein. Aber dann sollte man doch erwarten, dass die Firma den Austausch der Verglasung aus eigenem Antrieb durchführt? Zumal die Verglasung in den Rahmen eingebaut werden muss (1. Chance, den Fehler zu korrigieren), das Fenster auf die Baustelle und dort an den Einbauort transportiert werden muss (2. Chance, den Fehler zu korrigieren), das Fenster in den Baukörper eingebaut wird (3. Chance, den Fehler zu korrigieren) und das Fenster dann noch justiert wird (4. Chance, den Fehler zu korrigieren). Dies zeigt, dass auch innerhalb einer Firma bzw. eines Büros Verantwortlichkeiten klar zugeteilt sein müssen. Und dann war da ja noch der Gebäudereiniger (5. Chance, den Fehler zu korrigieren).
… und nochmal Sanitär; diesmal ohne Abwasseranschluss
Die Abnahmebegehung findet statt. Der Bezug der Wohnungen ist bereits terminiert. Im Bad sieht alles schick aus – bis man einen Blick unter den Waschtisch wirft (Abb. 06). Da wird es wohl Probleme mit der Funktionalität geben, die sich nicht auf die Schnelle beseitigen lassen.
Wie kann so etwas passieren, fragt man sich. Dass bei der Sanitärinstallation der Anschluss für das Abwasser des Waschtischs vergessen wird: kann passieren. Dass die Bauplatten der Installationswand dennoch einfach durchgehend montiert werden: verwundert. Dass die Fliesen auf den Bauplatten durchgehend verlegt werden: befremdet. Dass nach der Montage des Waschtischs einfach kein Abflussrohr montiert wird, weil halt der Anschluss fehlt: ist nicht nachvollziehbar. Der Fehler im Gewerk „Sanitär“ hätte hier ohne Weiteres durch Hinweise aus den Gewerken „Trockenbau“ oder „Fliesen“ frühzeitig – und kostengünstig – korrigiert werden können. Spätestens bei der Waschtischmontage hätte das Gewerk „Sanitär“ den eigenen Fehler bemerken müssen. Trotzdem wurde nicht reagiert. Fehler sind verzeihlich. Nur sollte man offensiv damit umgehen, wenn man eigene Fehler zu einem späteren Zeitpunkt bemerkt.
Fazit
Zum Abschluss stellt sich die Frage: Muss man alles wirklich so ernst nehmen? Ist es nicht vielleicht penibel oder gar verbissen, stets eine 100 % korrekte Planung und Ausführung einzufordern? Natürlich muss die Funktionalität gegeben sein. Aber geht es nicht auch etwas entspannter? In anderen Ländern baut man doch so herrlich unkompliziert und es funktioniert trotzdem, z. B. mit der Sanitärinstallation – irgendwie (Abb. 08). Und wenn mal was schief geht, muss man eben ein wenig improvisieren (Abb. 07).
Meine Antwort hierauf lautet: Es mag manchmal penibel wirken, auch kleine Abweichungen nicht zu tolerieren. Es mag manchmal verbissen wirken, wiederholt technisch gute Lösungen und eine sorgfältige Ausführung einzufordern – zuerst von sich selbst, aber auch von und mit „den Anderen“. Es mag sein, dass man dadurch nach außen manchmal kleinlich oder pedantisch wirkt. Aber machen wir uns bewusst, dass Eigenschaften wie eine hohe Arbeitsmoral oder Verlässlichkeit als typisch „deutsche“ Eigenschaften im Ausland ebenso wertgeschätzt werden wie die damit zusammenhängende sehr hohe Produktqualität und Zuverlässigkeit [1]. Außerdem darf man bei aller Belustigung über die vorstehenden Beispiele nicht vergessen, dass die Beseitigung der Fehler und Mängel viel Zeit und Geld kostet. Dies rechtfertigt die „deutsche Gründlichkeit“.
Literatur
[1] Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): Deutschland in den Augen der Welt – Ergebnisse der GIZ-Erhebung 2017/18, 3. Studie, März 2018
[2] BGH: Urteil in dem Rechtsstreit VII ZR 65/14, verkündet am 14.11.2017
Schadensvermeidung
Der Auftragnehmer schuldet gemäß VOB/B „grundsätzlich die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme“ [2]. Damit dies mit der größtmöglichen Zuverlässigkeit gelingt, seien Sie anspruchsvoll und kritisch – sich selbst und anderen Planungs- und Baubeteiligten gegenüber und auch, wenn dies kleinlich oder pedantisch wirken sollte.
In eigener Sache
Nach neun Jahren und 51 Beiträgen für die Rubrik „Bauschäden“ in der DBZ werde ich aus Zeitgründen die Reihe nicht fortführen. Bei der Redaktion möchte ich mich für die hervorragende Zusammenarbeit bedanken. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich spannende und vor allem schaden- und mängelfreie Projekte.